Karl Kautsky

Das Werden eines Marxisten

(1924)


Sonderausgabe aus Die Volkswirtschaftslehre der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Herausgegeben von Dr. oec. publ. F. Meiner, I. Band, Copyright 1924 by Felix Meiner in Leipzig (Ausgabe 1930).
HTML-Markierung: Thomas Schmidt für das Marxists’ Internet Archive.


Der Aufforderung, eine Charakteristik meines Lebenswerks, mit besonderer Berücksichtigung meiner ökonomischen Auffassungen, zu geben, komme ich gerne nach. Denn es geht seinem Ende entgegen, und soll seine Zusammenfassung von mir selbst herrühren, dann ist es Zeit, an sie heranzugehen.

Das Staatswesen, in dem ich geboren wurde, existiert nicht mehr. Die Stürme von 1918 haben es zerschlagen. Aber, schon zur. Zeit meiner Jugend war es im Niedergang und Zerfall begriffen, und das hat meine Entwicklung aufs tiefste beeinflußt.

Meine Abstammung war bereits ein Spiegelbild des nationalen Durcheinanders im österreichischen Kaiserstaat. Ich wurde am 16. Oktober 1854 in Prag geboren als Sohn eines Tschechen und einer Deutschen. Der Vater meiner Mutter war Wiener, aber dessen Vater stammte aus Ungarn (ich vermute aus Kroatien) und war mit einer Italienerin verheiratet. Die Mutter meiner Mutter war eine Niederösterreicherin. Der Vater meines Vaters war Tscheche, seine Mutter aber polnischen Ursprungs.

Mein Vater war stets tschechisch national gesinnt, der Vater meiner Mutter dagegen lebte fast zwei Jahrzehnte lang in Prag, ohne ein Wort Tschechisch zu lernen. Es war damals noch der Umgangssprache nach eine deutsche Stadt. Im Jahre 1848 nahm er sich der deutschen Sache gegenüber den Tschechen so entschieden an, daß ihn erregte Tschechen in arge Bedrängnis brachten, als das rebellische Prag durch Windischgrätz beschossen wurde.

Die Reaktion traf dann mit gleicher Härte Tschechen und Deutsche, und der gemeinsame Haß gegen das Polizeiregiment überbrückte zeitweise die nationalen Gegensätze. In diese Zeit fällt die Eheschließung meiner Eltern, deren erstes Kind ich war.

Ich wuchs auf im Haß gegen das absolute Regime, aber auch mit Verachtung gegen das Staatswesen selbst, an dessen Lebensfähigkeit nach den Schlägen von 1859 und 1866 und nach dem Aufkommen der von Tag zu Tag sich verschärfenden nationalen Gegensätze, wenigstens in den Kreisen, die meine Umgebung bildeten, kaum noch jemand glaubte, Deutsche ebensowenig wie Tschechen.

Meine erste politische Idee war die nationale Idee. Ich wurde von tschechischem Nationalismus erfüllt, und zwar von dem radikalsten, hussitischer Art. Aber, ich war von Anfang an nicht einseitig tschechischnational. Meine Muttersprache und die Familie meiner Mutter waren deutsch. Mit neun Jahren nach Wien versetzt, wuchs ich dort in einer ganz deutschen Umgebung auf. So begann ich, seit 1866, auch national für die Deutschen in Österreich zu empfinden, insofern als ich deren Wiedervereinigung mit den andern Deutschen in einer Republik ersehnte; und in diesem Sinne empfand ich national auch für die Ungarn und Italiener. Ich ehrte Kossuth, vor allem aber Garibaldi. Von ihnen erhoffte ich die Zerstörung Österreichs.

In diesem, natürlich sehr kindisch geformten, unbestimmten politischen Gefühlsleben, traf mich der deutsch-französische Krieg. Die Seite, auf die Garibaldi trat, war die meine. Ich begeisterte mich zuerst für die französische Republik und dann für die Pariser Kommune. Dabei aber stieß ich auf ein Element, das mir bis dahin ganz fremd geblieben war und das mich von da an plötzlich mit aller Macht gefangen nahm: den Sozialismus. Mit ihm verbunden war die Idee der Internationalität.

Meine nationale Ader war von vornherein nicht auf eine einzelne Nation allein eingerichtet gewesen. So kostete es mich keine Mühe, zu internationalem Denken zu kommen; nicht zu einem Denken, das für die Nationalität kein Interesse und Verständnis hat, sondern einem, das jeder Nationalität mit gleichem Interesse und Verständnis entgegenzukommen sucht, jeder von ihnen ein gedeihendes Heim auf dieser Erde bereiten will durch freies und freudiges Zusammenwirken aller.

Mehr zu schaffen gab mir der Sozialismus. Was ich aus den Zeitungen darüber erfuhr, gab mir kein klares Bild. Eine richtig aufklärende Literatur über den Sozialismus, war damals in Österreich für einen Gymnasiasten ohne besonderen Glücksfall nicht erreichbar, und dieser Glücksfall wollte nicht kommen.

Da mir das Interesse für den Sozialismus durch die Pariser Erhebung, also aus Frankreich, gekommen war, haschte ich nach allem, was ich in französischer Literatur über Sozialismus erfahren konnte. Die sozialistischen Romane der George Sand übten den tiefsten Eindruck auf mich. Nicht als ob sie mir sozialistische Klarheit gebracht hätten. Dazu waren sie wahrlich nicht geeignet. Aber sie verliehen mir Kraft und Zuversicht. Das, was ich als Sozialismus, natürlich höchst konfus, aus einzelnen Andeutungen auf eigene Faust damals entwickelte, stieß in meiner Umgebung auf solchen Hohn, die ganze sozialistische Bewegung wurde dort mit solcher Wegwerfung behandelt, daß ich selbst die Zweifel und Bedenken darüber nicht los wurde.

Da sah ich, daß die damals allgemein aufs höchste verehrte George Sand dem Sozialismus die Palme reichte. Damit gewann ich eine mich höchst beglückende Zuversicht.

Einiges positives Wissen über den Sozialismus empfing ich dann, als mir Louis Blancs historische Werke — Geschichte der großen Revolution, Geschichte der zehn Jahre, sowie endlich der Revolution von 1848 — in die Hände fielen.

Was von Sozialismus daraus entnommen werden konnte, war indes immer noch reichlich unklar und sentimental.

Eine Wendung trat erst ein, als ich 1874 des österreichischen Parteiorgans, der Gleichheit, habhaft wurde. Nun wurde ich auf die deutsche sozialistische Literatur, zunächst auf Lassalles Schriften hingewiesen, damit aber auch auf die Notwendigkeit, mich mit Nationalökonomie zu beschäftigen.
 

II.

Erst im Herbst 1874 bezog ich die Universität, in Wien. Eine Krankheit und deren Nachwirkungen hatten meine Gymnasiallaufbahn unliebsam verlängert. Ich ließ mich in der philosophischen Fakultät immatrikulieren. Bald darauf, im Januar 1875, schloß ich mich der sozialdemokratischen Partei an. Von da an bis heute blieb meine Tätigkeit zwischen Wissenschaft und Politik, Theorie und Praxis, geteilt. Ob die eine Seite die andere befruchtet oder gehemmt hat, habe ich nicht zu beurteilen. Ich neige zur Ansicht, die enge Verbindung von Theorie und Praxis habe mir genützt, mir manche Einsicht verschafft, die einseitiger Theorie oder Praxis vorenthalten geblieben wäre. In der vorliegenden Darstellung habe ich nur über meine wissenschaftliche, nicht meine politische Entwicklung zu berichten. Doch kann ich von dieser auch hier nicht ganz absehen. Sie hat mein wissenschaftliches Denken zu sehr beeinflußt.

Die Partei war damals, nach einer kurzen Periode glänzenden Aufschwungs, in Wien in raschem Niedergang begriffen. Sie zählte niemand in ihren Reihen, der mich hätte wissenschaftlich anleiten können. Aber auch unter meinen Kollegen und Professoren an der Universität fand ich keinen, der für die Probleme, die mich beschäftigten, das geringste Interesse gezeigt oder sie auch nur gestreift hätte. Im Gefühl meiner Unbedeutendheit wagte ich nicht, mich mit hervorragenden Sozialisten außerhalb Österreichs in Verbindung zu setzen. So mußte ich meinen Weg in der Wissenschaft allein, ohne jede Führung, suchen.

Schon auf dem Gymnasium hatten mich historische Arbeiten am meisten angezogen. Ich beschloß, Historiker zu werden und belegte vornehmlich historische Vorlesungen, namentlich bei den Professoren Max Büdinger und Ottokar Lorenz. Doch befriedigte mich die bloße Geschichtsdarstellung nicht, ich suchte nach einer historischen Theorie, nach einem Prinzip, das den geschichtlichen Prozeß vorwärts treibe, und da mir niemand eine solche Theorie gab, machte ich mir mit der ganzen Verwegenheit der Jugend gleich eine auf eigene Faust zurecht, ja, ich faßte mit 21 Jahren schon den kühnen Plan, eine Universalgeschichte zu schreiben. Und da diese natürlich mit Ägypten, Mesopotamien, Indien anfangen mußte, machte ich mich auch an das Studium ihrer Geschichte.

Neben geschichtlichen Studien beschäftigten mich auch naturwissenschaftliche. Der Darwinismus nahm in den siebziger Jahren die ganze gebildete Welt gefangen. ich akzeptierte ihn mit Enthusiasmus, und meine Geschichtstheorie wollte nichts anderes sein, als die Anwendung des Darwinismus auf die gesellschaftliche Entwicklung.

Sie lief ungefähr auf dasselbe hinaus, wie jene Theorie, die Professor Gumplowicz in seinem Buche Der Rassenkampf 1883 entwickelte. Ich konnte natürlich von ihr um 1876 herum keine Ahnung haben. Und als Gumplowicz sein Buch veröffentlichte, hatte ich meine ursprüngliche Auffassung bereits zu einer andern fortentwickelt.

Neben Geschichte und Darwinismus forderte aber auch der Sozialismus sein Recht. Er drängte mich zu ökonomischen Studien.

Ich machte mich sofort an das Marxsche Kapital, scheiterte aber dabei vollständig und wendete mich entmutigt davon ab, bis ich bedachte, daß das Buch doch „eine Kritik der politischen Ökonomie“ sein wolle, daß ich also zuerst diese verstehen lernen müsse. Der biedere Roscher war das erste ökonomische Lehrbuch, das ich in die Hände bekam, es war als erste Einführung sehr nützlich, erschien mir aber sehr ledern. Ganz anders Adam Smith und Ricardo, die ich dann durchnahm, so wie John Stuart Mill, damals auf dem Gipfel seines Ruhmes, der ebenso wie Buckle mich jahrelang weit mehr beschäftigte als Marx. Auf der andern Seite interessierte mich der Widerpart der Engländer, Carey, der in den siebziger Jahren auch sehr viel gelesen wurde, und sein Prophet Dühring. Doch stand ich ihren Einseitigkeiten stets kritisch, den Dühringschen sogar mit Widerwillen gegenüber, wegen ihrer maßlosen Überhebung und Unfruchtbarkeit. Um so sympathischer war mir ein anderer deutscher Professor, der in den Jahren vor dem Sozialistengesetz im Geruch des Sozialismus stand, Schäffle. Und neben ihm Albert Lange. Nicht seine Philosophie — ich war eingefleischter Materialist — wohl aber seine sozialen Anschauungen, die mit Mill und Darwin so viele Berührungspunkte hatten.

Der Darwinismus wurde auch der Ausgangspunkt meines ersten Werkes. Ich hatte gegen Malthus viel einzuwenden gefunden, aber mit Darwin erkannte ich an, daß die organischen Lebewesen alle die Tendenz aufweisen, sich über ihren Nahrungsspielraum hinaus zu vermehren. Wohl lehnte ich die Lehre ab, daß das bestehende Elend von der Übervölkerung herrühre. Hier acceptierte ich vollständig die Gesellschaftskritik der Sozialisten. Aber ich trennte mich von meinen Genossen, da ich die Gefahr zugeben mußte, die dem Sozialismus drohe, wenn er das Elend der unteren Klassen beseitige: er werde durch die allgemeine Prosperität notwendig zur Übervölkerung führen und somit nach einer vorübergehenden Verbesserung neues Elend herbeiführen. Die Einwände der Sozialisten gegen Malthus, die eine mystische Anpassung der menschlichen Fruchtbarkeit an die jeweilige Ausdehnung des Nahrungsspielraums annahmen, erschienen mir nichtig. Eine Rettung ich nur im Neumalthusianismus, der in der Mitte der siebziger Jahre rasch zu Bedeutung gelangte.

Ich nahm also meinen Eingang in die sozialistische Literatur mit einem Buche, das einer allgemein verbreiteten sozialistischen Anschauung entgegentrat. Ich stand Marx damals noch kühl gegenüber, meine ökonomischen Anschauungen waren sehr eklektischer Natur.

Das Buch führte den Titel: Der Einfluß der Volksvermehrung auf den Fortschritt der Gesellschaft (Wien 1880, VIII, 195 S.). Es war schon im Frühjahr 1878 fertig und ein sozialistischer Verleger, Bracke, hatte sich bereit erklärt, es im Herbst zu veröffentlichen. Doch unmittelbar darauf ertönten die unheilvollen Schüsse der Hödel und Nobiling, kam das Sozialistengesetz, und für lange Zeit war an sozialistische Publikationen in Deutschland nicht mehr zu denken. Ich mußte froh sein, daß es mir mit Freundeshilfe gelang, im Herbst 1879 einen Wiener Verlag zur Herausgabe des Buches zu veranlassen. Um Druckkosten zu sparen, ließ ich zwei historische Exkurse weg, einen über Irland und einen über Indien, die ich in einem Anhang hatte bringen wollen. Diese beiden Länder wurden mit Vorliebe als Beweise dafür vorgebracht, daß das Elend aus zu rascher Volkszunahme entspringe. Ich suchte nun aus der Geschichte und den sozialen Lebensbedingungen der Volksmassen jener Gebiete den Nachweis zu liefern, daß ihr Elend unabhängig sei von der Volksvermehrung.

Den Exkurs über Irland veröffentlichte ich bald darauf als Broschüre, den weit umfangreicheren über Indien, der mich viel Schweiß gekostet, überließ ich dagegen, um mit Engels zu sprechen, „der nagenden Kritik der Mäuse“, denn als ich in die Lage kam, ihn herauszugeben, war meine Geschichtsauffassung nicht mehr die alte. Ich hatte mich zum Marxismus durchgerungen.
 

III.

In dieser Zeit hatten mich nicht allein Fragen der Wissenschaft und der Parteipolitik bewegt, an der ich eifrig teilnahm, in der Form von Beiträgen für die Wiener Parteipresse und den Leipziger Volksstaat, seit 1875 Vorwärts. Ich war dadurch in Korrespondenz mit Wilhelm Liebknecht, 1876 bei einer Reise nach Leipzig in persönliche Berührung mit ihm und Bebel gekommen.

Neben dieser Tätigkeit beschäftigte mich noch eine persönliche Frage, seitdem ich die Universität bezogen: welchem Broterwerb sollte ich mich zuwenden? Je enger ich mein Schicksal mit dem meiner Partei verschmolz, desto aussichtsloser erschien mir die akademische Karriere. Als tätiger Sozialdemokrat Professor oder auch nur Gymnasiallehrer zu werden, war ausgeschlossen. Ebensowenig aber bot mir die Parteiarbeit damals die Aussicht auf Broterwerb. Die Parteipresse war dürftig, gering die Zahl ihrer Redakteure, deren Bezahlung erinnerte an Weberlöhne. Für die Mitarbeiter hatte man keine Honorare.

So sah ich mich nach einem Beruf um, der mich ökonomisch unabhängig machte und mir doch die Fortführung der wissenschaftlichen und politischen Arbeit erlaubte, die ich bereits als meine Lebensaufgabe erkannt hatte.

Zuerst erwog ich, ob ich nicht Advokat werden sollte. Schon im zweiten Semester sattelte ich um und ließ mich an der juristischen Fakultät immatrikulieren. Doch erkannte ich bald, daß ich zum Juristen untauglich sei. Mein Denken nimmt immer historische Formen an, bei jedem Zusammenhang, den ich erkennen will und soll, beschäftigt mich vor allem die Frage, wie er geworden ist. Mich in mathematisches oder juristisches Denken hineinzufinden, kostet mich immer große Anstrengung. Ich hätte als Jurist kaum etwas geleistet. So kehrte ich im dritten Semester wieder zur Philosophie zurück, habe mich aber gleichzeitig der Magie ergeben, nämlich der Magie der Kunst.

Mein Vater war Maler, mein Großvater auch. Von Kindheit an war ich mit malerischer Produktion und malerischen Auffassungen vertraut, hatte schon in der Gymnasialzeit dilettantisch viel gezeichnet, so lag es nahe, daß ich den Versuch machte, in der Malerei meinen Broterwerb zu suchen. Ein Augenleiden zwang mich jedoch schon nach einigen Monaten, diese Laufbahn aufzugeben, und so schmerzlich die Enttäuschung für mich wurde, sie war vielleicht zu meinem Frommen. Denn meine Lehrer versicherten wohl, daß ich Talent habe, aber man wird kein bedeutender Künstler, wenn man sich nicht mit seinem ganzen Sein der Kunst ergibt. Sie duldet nicht gleichzeitige intensive Hingabe an Wissenschaft und Politik, es sei denn, man wäre ein ganz Großer, ein Michel Angelo oder Leonardo da Vinci. Ich wäre wahrscheinlich nur ein mittelmäßiger Maler geworden, und hätte dabei die Möglichkeit der Konzentration auf jenen Gebieten außerhalb der Kunst verloren, die mir unter allen Umständen die wenigsten geblieben wären. So hätte ich hier wie dort nur mittelmäßiges geleistet.

Zunächst versuchte ich es mit einer andern Kunst. Mehr noch als mit der Malerei, war meine Familie mit dem Theater verbunden. Vater und Großvater waren Theatermaler, meine Mutter Schauspielerin und Romane schrieb, nachdem Krankheit sie gezwungen, der Bühne zu entsagen. Schon als Gymnasiast hatte ich Theaterstücke und Romane verbrochen. Einen sozialen Roman, den ich 1875 verfaßt, versuchte ich sogar zu veröffentlichen. Das Hamburger Parteiblatt, dem ich ihn sandte, lehnte ihn ab, weil sein verantwortlicher Redakteur nicht um des Romans willen das Ende seines Lebens im Zuchthaus verbringen wolle. Er verstieß gegen zu viele Paragraphen. Ich habe bald aus einem andern Grunde auf die Veröffentlichung verzichtet, weil er mir als jugendliche Torheit erschien.

Aber sollte ich mit einem Theaterstück nicht mehr Glück haben, wenn es nicht protestierenden Rebellentrotz atmete, sondern ebenso harmlos war, wie etwa Schweitzers Possen, die in den siebziger Jahren alle Welt entzückten? Es gelang mir, ein Stück auf die Bühne zu bringen, in Wien, 1878, ja es fiel nicht einmal durch.

Aber die Aufführung zeigte mir selbst, daß mir die nötige dramatische Ader fehlte. Trotz Zuredens einiger Freunde, weitere Versuche zu machen, kam ich zur Überzeugung, daß auch diese Laufbahn mir keine Aussichten böte.

Das Jahr 1879 sah mich aufs äußerste enttäuscht und unbefriedigt. Alle Versuche waren gescheitert, mir einen Wirkungskreis zu schaffen, unabhängig von Staat und Partei. Mein Buch, das ich schon 1878 vollendet, lagerte ungedruckt in meinem Schreibtisch, und die Partei, auf die ich solche Hoffnungen gesetzt, schien unter den Schlägen des Ausnahmegesetzes zusammengebrochen zu sein.

In dieser Situation glaubte ich zunächst nichts Besseres tun zu können, als wenigstens meine Universitätsstudien formell abzuschließen, die ich bis dahin nur lässig betrieben, neben vielem andern, was mir weit wichtiger erschien. Ich wollte mich auf diese Studien nun mit größtem Eifer konzentrieren und bereitete auch schon eine Doktorarbeit vor. Mein Buch hätte dazu nicht getaugt, obwohl es später, nach seinem Erscheinen, Adolf Wagners Lob gewann. Aber der cand. rer. pol. war damals noch nicht erfunden. Ich mußte eine historische Arbeit machen und wählte als mein Thema: Jeffersons Beziehungen zur französischen Revolution. Diese Revolution hatte ich mit besonderem Eifer studiert, auf die Beziehungen zwischen amerikanischen und französischen Demokraten war mein Interesse durch das Arbeiten im historischen Seminar des Professor Büdinger gelenkt worden, bei dem ich zu promovieren gedachte.

Zunächst warf ich mich auf das Studium der amerikanischen Geschichte und ihrer Eigenart und begann bereits festen Boden unter den Füßen zu fühlen, da kam eine neue Wendung in meinem Leben.

Ein junger Frankfurter Privatgelehrter, Karl Höchberg, mit bedeutenden Mitteln, hatte sich kurz vor dem Sozialistengesetz der deutschen Sozialdemokratie angeschlossen, und stand ihr nun in der Not des Ausnahmegesetzes tatkräftig bei. Er unterstützte sie mit Geld, und veröffentlichte einige Zeitschriften, die der sozialistischen Propaganda dienen sollten. In Leipzig ließ er als Dr. Karl Seyfferth die Staatswirtschaftlichen Abhandlungen erscheinen, die nicht offen den Sozialismus vertreten, aber ökonomische Fragen im Sinne einer „Staatswirtschaft“ behandeln sollten. In Zürich förderte er das Erscheinen der politischen Wochenschrift Sozialdemokrat und gab er als Dr. Ludwig Richter das Jahrbuch für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik heraus.

Liebknechthatte ihn auf mich aufmerksam gemacht, ich schrieb im Laufe des Jahres 1879 einige Beiträge für ihn, er interessierte sich für mich, verschaffte mir die Möglichkeit, mein Buch erscheinen zu lassen und machte mir endlich, nach dessen Veröffentlichung, den Antrag, nach Zürich zu kommen und in seine Dienste als ständiger Mitarbeiter an seinen Publikationen zu treten. Freudig schlug ich ein. Endlich hatte ich gefunden, was ich gesucht. Nun gab es kein unsicheres Tasten und Abschweifen nach den verschiedensten Richtungen mehr. Von nun an lebte ich ausschließlich historischer und ökonomischer Forschung und der Anwendung ihrer Ergebnisse in der Politik. Diese Tätigkeit, die ich bis dahin ohne jegliches Entgelt geleistet, brachte mir nun auch die Mittel, zu existieren, freilich zeitweise recht kümmerliche.
 

IV.

Im Januar 1880 übersiedelte ich nach Zürich. Es war mir, als käme ich in eine neue Welt, als ich aus der dörflichen Enge, die das Wiener Parteileben jener Zeit bezeichnete, heraus in die damals schon bedeutende deutsche Sozialdemokratie hineinversetzt wurde, wenn auch zunächst nur durch das Mittelglied der Züricher Emigration. Mein Horizont wurde mit einem Schlage enorm erweitert, und zugleich gewann ich, was mir bis dahin für die Theorie gefehlt hatte, Lehrer und Führer.

Karl Höchberg, ebenso alt wie ich, konnte mir das allerdings nicht werden. Seine wissenschaftlichen Interessen waren vorwiegend philosophischer, namentlich ethischer, sowie musikhistorischer Art. An der Ökonomie interessierte ihn nur der praktische, nicht der theoretische Teil. Sein Sozialismus war ganz unmarxistisch und konnte mich nicht befriedigen, der ich mich, trotz aller Bedenken, allmählich immer mehr mit Marxismus infiziert hatte. Je mehr meine allgemeinen ökonomischen Kenntnisse wuchsen, desto mehr lernte ich das Marxsche Kapital begreifen und schätzen. Und meine Geschichtsauffassung hatte angefangen, sich umzubilden, seitdem ich mich mit Engels Antidühring vertraut gemacht hatte, was freilich nicht sofort nach dessen Erscheinen geschehen war. Engels hatte seine Kritik Dührings zuerst im Leipziger Vorwärts in Fortsetzungen veröffentlicht, die so weit auseinanderlagen, daß die Artikelserie von Januar 1877 bis in den Juli 1878 ging! Bei einer solchen Erscheinungweise ging jeder Eindruck verloren. Die Buchausgabe fiel bereits in die Anfänge des Sozialistengesetzes, in denen wir andere Sorgen hatten, als die der Theorie. Immerhin, die Schrift beschäftigte mich. Für mein ökonomisches und historisches Denken strebte ich nach Überwindung meines bisherigen Eklektizismus und nach einheitlichem Denken.

Dabei fand ich einen kraftvollen Führer in Eduard Bernstein, Höchbergs Sekretär. Fünf Jahre älter als ich, aufgewachsen in Berlin, unter den Anregungen des regsten sozialistischen Lebens, das die damalige Welt kannte, war er mir weit überlegen und brachte mir reiche Anregungen und Aufschlüsse. Seine zeitweiligen Dühringschen Neigungen hatte er überwunden und sich mit beiden Füßen auf den Boden des Marxismus gestellt.

Eifrig studierten wir vereint die marxistische Literatur und wurden dabei bald so sehr ein Herz und eine Seele, daß man uns als eine Art roter Orestes und Pylades betrachtete.

Gewaltige Förderung erfuhren wir bei unserem Studium, als wir mit den beiden Altmeistern in London bekannt wurden, worüber Bebel bereits in seinen Erinnerungen Mitteilung gemacht hat.

Da Marx und Engels Höchberg und seinen literarischen Unternehmungen höchst mißtrauisch gegenüberstanden, wurden im Herbst 1880 Bebel und Bernstein nach London geschickt, um einen modus vivendi herbeizuführen. Im März 1881 ward ich hingesandt, um die hergestellten guten Beziehungen fortzuführen. Ich blieb damals in London bis zum Juni. Zu Marx kam ich nur selten. Seine Frau war schon schwer krank, das fatale Ende bereits als unvermeidlich erkannt, da trug ich Bedenken, die Stille des Hauses durch öftere Besuche zu stören. Um so öfter kam ich mit Engels zusammen, unsere Bekanntschaft wurde zur Freundschaft und führte zu einem engen, teils mündlichen, teils schriftlichen Verkehr, der bis zum Tod meines großen Freundes währte, und dem ich unendlich viel verdanke.

Wurde mir 1880 durch die Berufung nach Zürich meine Lebensbahn als sozialdemokratischer Parteischriftsteller vorgeschrieben, so gab jene Zeit auch meiner wissenschaftlichen Arbeit den definitiven Stempel eines konsequenten, von allem eklektischen Beiwerk befreiten Marxismus. Meine ökonomischen wie meine historischen Arbeiten wurden von nun an streng nach marxistischer Methode betrieben.

Mein Wirken für die Höchbergschen Unternehmungen dauerte nicht lange. Im Frühjahr 1882 zwang eine finanzielle Katastrophe Höchberg, seine Ausgaben aufs äußerste einzuschränken. Seine Unternehmungen hörten auf, abgesehen vom Züricher Sozialdemokrat, der so weit war, sich ohne Subvention zu behaupten. Ich nahm meine Entlassung und ging wieder nach Wien. Nicht mehr der unschlüssige Sucher von früher. Ich wußte jetzt, was ich wollte. Ich hatte viel gelernt und war entschlossen, mir nun ein eigenes Organ zu schaffen.

Doch ging das nicht so schnell, und in der Zwischenpause riet mir Heinrich Braun, den ich damals mit H.E. Sax und Victor Adler in Wien kennen lernte, die freie Zeit zu benutzen, um doch noch meinen Doktor zu machen. Ich legte keinen großen Wert darauf, namentlich seit mir Engels erklärt, wenn ich nicht auf die akademische Laufbahn aspiriere, sei die Arbeit für das Rigorosum bloße Zeitverschwendung. Indes meinte Braun, die Sache brauche mich nicht viel Zeit zu kosten.

Eine Untersuchung, die als Doktordissertation gebraucht werden konnte, hatte ich eben fertig gestellt.

Noch war meine Idee der Universalgeschichte nicht ganz aufgegeben. Die Vorarbeiten dazu hatten mir gezeigt, daß ich ohne vorgeschichtliche Kenntnisse nicht auskam. So hatte ich mich daran gemacht, Prähistorie zu studieren. Der Zufall unterstützte mich dabei Höchberg hatte auch ethnologische Neigungen, schon wegen seiner ethischen Studien. Seine Bibliothek enthielt eine Reihe der wichtigsten Werke über Vorgeschichte und Ethnologie.

Als ich 1881 nach London kam, fand ich aber auch Marx und Engels mit vorgeschichtlichen Studien beschäftigt, deren Frucht dann 1884 in dem Büchlein über den Ursprung der Familie etc. das Engels, gestützt auf Marxsche Aufzeichnungen, herausgab. Während meines Londoner Aufenthalts studierte Marx eben Bancrofts Werk über die Indianer des westlichen Nordamerika (The native races of the Pacific states, 1875), während Engels mich auf Bachofens Mutterrecht aufmerksam machte. Merkwürdigerweise nannte mir weder der eine noch der andere Morgans Werk Ancient society, 1877 erschienen, das ich auch sonst nicht verzeichnet fand. Ich lernte damals nur dessen großes Werk Systems of consanguinity (1871) kennen.

Das Ergebnis meiner Arbeiten war eine Abhandlung über Die Entstehung der Ehe und Familie, die ich im Winter 1881/1882 fertigstellte. Ich kam dort stellenweise zu anderen Ergebnissen, als später Engels, doch darf ich mit Genugtuung verzeichnen, daß in den Punkten, in denen Engels eine gegenteilige Auffassung vertrat, die spätere Forschung mir recht gab. So verwarf ich bereits 1882 die Morgansche Annahme der Punaluaehe, und ich glaube, ich bin der erste gewesen, der die Verwandtschaftsbezeichnungen, auf die Morgan sich stützte, als Bezeichnungen von Generationsstufen, nicht von Abstammungsgraden auffaßte. Daß manches von dem, was ich vor vierzig Jahren annahm, durch die neuere Forschung überholt ist, gebe ich natürlich gerne zu.

Diese Arbeit sollte meine Doktordissertation werden. Braun riet mir, sie als anthropologische Untersuchung an Häckel zu senden und in Jena zu promovieren. Anfangs ging auch alles nach Wunsch. Häckel acceptierte die Dissertation und erklärte sich bereit, mich zu prüfen.

Sofort reiste ich nach Jena, um mich mit ihm in Verbindung zu setzen. Doch kam ich zu spät. Die Sommerferien hatten begonnen und Häckel hatte Jena verlassen. Dafür beschied mich der Dekan der philosophischen Fakultät (ich habe den Namen vergessen) zu sich, um mir zu eröffnen, es ginge nicht an, daß Häckel mich prüfe. Die Arbeit sei eine philologische, keine naturwissenschaftliche, und ich müsse als Philolog promovieren. Ich entgegnete darauf, daß ich das nicht könne, da ich seit dem Gymnasium nicht mehr Philologie getrieben. Und wenn ich auch gelegentlich Herodot und Tacitus und andere antike Autoren zitiere, so sei doch meine Arbeit rein ethnologisch und könne nur von einem Soziologen oder Anthropologen beurteilt werden. Unter den Jenenser Professoren sei Häckel jedenfalls derjenige, der dem Gegenstand am nächsten stehe.

Der Dekan ließ sich nicht überzeugen, wir schieden im Unfrieden voneinander.

Unter diesen Umständen in Jena promovieren zu wollen, erschien mir aussichtslos. Ich verzichtete definitiv auf den Doktortitel, um so eher, als inzwischen die Verhandlungen wegen Begründung meiner Zeitschrift zu einem günstigen Ergebnis geführt hatten. Engels, Liebknecht, Bebel interessierten sich für sie und in Dietz wurde ein trefflicher Verleger gefunden, der ihre Herausgabe unternahm. Die Vorbereitung meines Organs beschäftigte mich für den Rest des Jahres 1882 genugsam, um keine weiteren Doktorpläne aufkommen zu lassen. Die vorbeigeglückte Doktordissertation veröffentlichte ich noch im gleichen Jahr als Artikelserie im Stuttgarter Kosmos, einer seither eingegangenen, damals sehr angesehenen Darwinistischen Monatsschrift.
 

V.

Im Januar 1883, unmittelbar vor Marx’ Tod, erschien das erste Heft der Neuen Zeit, die ich von da an bis zum Herbst 1917 redigierte. Wie Bernstein gleichzeitig den Sozialdemokrat (in Zürich und später in London), so stellte ich meine Monatsschrift in Stuttgart in den Dienst des Marxismus. Die beiden Zeitschriften unterschieden sich dadurch, daß die Bernsteins mehr politisch und als Organ außerhalb des Bereichs des Sozialistengesetzes ganz rücksichtslos war, während die meine vorsichtiger gehalten sein mußte und mehr theoretischen Charakter annahm. Aber in der Tendenz stimmten beide völlig überein. Nach den Zeitschriften, die vor und unmittelbar nach der Revolution von 1848 Marx und Engels herausgegeben hatten, waren die unsrigen die ersten, die bewußt und systematisch der Propagierung und Fortentwicklung marxistischen Denkens und Forschens dienten. Erst von ihnen an kann man von einer marxistischen Schule sprechen.

Natürlich trachtete ich, die Eigenart der Marxschen Auffassungen der Ökonomie, der Geschichte, des Sozialismus gegenüber dem sozialistischen Eklektizismus, den ich vorfand, zur Geltung zu bringen. Dabei geriet ich früh in Polemiken mit manchen meiner Genossen. In die erste schon 1884, als ich auf die Verschiedenheiten hinwies, die Marx von Rodbertus trennten. Darob kam ich in Konflikt mit dem nach Marx und Engels damals angesehensten ökonomischen Theoretiker der deutschen Sozialdemokratie, C.A. Schramm. Die Zahl der Polemiken, in die ich seitdem um des Marxismus willen verwickelt wurde, ist Legion.

Daneben machte ich mich daran, nach der Methode, die ich mir nun angeeignet, auch systematisch zu arbeiten in Ökonomie und Geschichtsforschung, oder vielmehr, nach Marxscher Methode beide immer mehr gemeinsam zu betreiben, die Ökonomie historisch, die Historie ökonomisch. Diese Tätigkeit erhielt einen befruchtenden Anstoß, als es mir möglich wurde, meinen Wohnsitz nach London zu verlegen (1885), sobald die Redaktionsführung meiner Monatsschrift im Gange war. In stetem Verkehr mit Engels, inmitten der Schätze des britischen Museums, wurde es eine Lust, zu arbeiten.

Ich hatte erkannt, daß der Marxismus eine Vereinigung der bis zu seinem Auftreten getrennten beiden Strömungen des Sozialismus darstelle: auf der einen Seite der urwüchsigen Auflehnung der Proletarier gegen die sie bedrückenden Zustände, die vielfach auf einen primitiven Gleichheitskommunismus hinauslief. Auf der andern Seite die gedankenreiche ökonomische Kritik wissenschaftlich geschulter Menschenfreunde der höheren Klassen an der bürgerlichen Gesellschaft, eine Kritik, die, wo sie positiv wurde, auf einen utopistischen Sozialismus hinauslief.

Es reizte mich, die Verschiedenheit dieser beiden Quellen des modernen Sozialismus in ihren Anfängen aufzuzeigen, in der Person der ersten ihrer bedeutendsten Vertreter, Thomas Morus und Thomas Münzer.

Die Darstellung des ersteren erschien 1888. Ich konnte ihr nicht sofort die Münzers folgen lassen. Denn meine Studien zeigten mir bald, daß aus seiner Geschichte allein die Eigenart der Bewegung, die er repräsentierte, nicht genügend scharf zu erkennen sei. Ich mußte die Untersuchung fortführen über Münzer hinaus zu den Wiedertäufern — und hinter Münzer zurück zu einer Reihe kommunistischer Sekten vor ihm.

Ich hatte die Arbeit noch nicht abgeschlossen, da veranlaßte mich die Hundertjahrfeier des Beginns der großen französischen Revolution, diese marxistisch zu beleuchten, das heißt, die Klassengegensätze zu untersuchen, die in ihr zutage treten, und zu zeigen, daß eine Klasse keineswegs ein so einheitliches Gebilde ist, wie sie in der Theorie oft erscheint. Daß jede der Klassen von 1789 in eine Reihe von Unterabteilungen zerfiel, von denen jede besondere Interessen hatte, die mitunter in erheblichem Gegensatz zum Gesamtinteresse der Gesamtklasse standen, und daß ohne Berücksichtigung dieser Unterteilungen die Revolution nicht zu begreifen ist.

Die Arbeit erschien 1889 unter dem Titel: Die Klassengegensätze von 1789, in späteren Auflagen als: Die Klassengegensätze im Zeitalter der französischen Revolution.

Im gleichen Jahre 1889 wurde die zweite Internationale gegründet und die Maifeier beschlossen. Zu deren Propagierung gab ich ein Heftchen heraus: Der Arbeiterschutz, besonders die internationale Arbeiterschutzgesetzgebung und der Achtstundentag, 1890.

Es war meine letzte Schrift, die ich unter dem Sozialistengesetz herausgab. Dieses fiel im Oktober 1890. Nun mußte ich leider London verlassen.

Dietz meinte, die Umwandlung der Neuen Zeit in eine Wochenschrift sei jetzt geboten. Mir war das nicht erwünscht, denn ich fürchtete, sie würde nun mehr politisch und weniger wissenschaftlich werden. Aber Dietz sah in dieser Umwandlung die beste Möglichkeit, die Zahl unserer Leser und damit unsere Wirkungsmöglichkeit zu vergrößern, und diesem Argument konnte ich mich nicht verschließen. Sollte die Zeitschrift aktueller, lebendiger werden, dann wurde es aber notwendig, daß ich sie von Deutschland aus redigierte. So ging ich nach Stuttgart. Der Londoner Sozialdemokrat stellte sein Erscheinen ein und Bernstein wurde mein ständiger Londoner Mitarbeiter.

Die nach dem Sozialistengesetz neuorganisierte Partei mußte sich auch ein neues Programm geben. Der Parteivorstand legte den Entwurf eines solchen dem Erfurter Kongreß 1891 vor. Einen andern hatte ich ausgearbeitet (in seinem theoretischen Teil. Der praktische Teil des Entwurfs stammte von Bernstein). Engels und Bebel zogen meinen Vorschlag vor. Die Erfurter Programmkommission schloß sich ihnen an. Mein Entwurf wurde, mit einigen Einfügungen, die meist dem Vorschlag des Parteivorstandes entnommen waren, vom Parteitag zum Parteiprogramm erhoben.

Ich bekam den Auftrag, einen Kommentar dazu zu schreiben, der 1892 erschien unter dem Titel: Das Erfurter Programm.

Während des Sozialistengesetzes hatten sich die Beziehungen zwischen der deutschen Sozialdemokratie und der Schweizer Demokratie besonders eng gestaltet. Darauf ist es wohl zurückzuführen, daß nach dem Fall des Sozialistengesetzes in manchen Kreisen unserer Partei die Parole der Ersetzung des Parlamentarismus durch die direkte Gesetzgebung populär wurde, eine Parole, die in der Eigenart der Schweiz begründet war.

Gegen das Streben, diese Parole zu einer allgemeinen zu machen, trat ich 1893 auf in der Schrift: Der Parlamentarismus, die Volksgesetzgebung und die Sozialdemokratie (in späteren Auflagen kürzer betitelt: Parlamentarismus und Demokratie), in der ich die Unentbehrlichkeit des Parlamentarismus für den modernen Staat darlegte.

Zwischen diesen Arbeiten hatte ich meine Untersuchungen über Thomas Münzer, seine Vorgänger und Nachfolger zu Ende gebracht. Ich veröffentlichte ihr Ergebnis 1894 in dem Buche: Vorläufer des neueren Sozialismus.

Im allgemeinen war für mich das erste Jahrzehnt der Neuen Zeit das eines friedlichen Schaffens gewesen, trotz aller Polemiken, die es mit sich brachte. Sie waren nur gelegentlicher Natur gewesen und hatten nur individuellen Verschiedenheiten der Auffassungen gegolten. Das Zeitalter des Sozialistengesetzes ließ ein intensives Interesse für theoretische Diskussionen schwer aufkommen, so lebhaft uns damals auch taktische Probleme beschäftigten.

Das änderte sich, als uns nach dem Zusammenbruch des Ausnahmegesetzes größere Freiheit der Meinungsäußerung in Deutschland gegeben wurde und das rasche Anwachsen der Partei ihr eine Reihe neuer Elemente zuführte, was die Mannigfaltigkeit der Anschauungen in unseren Reihen erheblich vermehrte. Da tauchten bald starke, nicht bloß taktische, sondern auch grundsätzliche Differenzen unter uns auf, die weite Kreise erfaßten.

Da Engels 1895 starb und Bernstein bald darauf in Gegensatz zu mir geriet, sah ich mich damals gerade von denen verlassen, die bis dahin meine Vorbilder und meine besten Stützen gewesen. In der Krise des Revisionismus fiel die Hauptarbeit der Abwehr seiner Kritik nun mir zu.
 

VI.

Die revisionistische Bewegung wurde eingeleitet durch eine Diskussion über die Agrarfrage. Mit der raschen Ausdehnung der sozialdemokratischen Partei in den Städten seit dem Fall des Sozialistengesetzes kontrastierte ihr langsames Wachstum auf dem flachen Lande, was um so seltsamer erschien, als die Konkurrenz auswärtiger landwirtschaftlicher Produkte und das Sinken ihrer Preise in manchen Gegenden eine große Bedrängnis der Landwirtschaft herbeigeführt hatten. Wie sollte sich unsere Partei dazu stellen? Das wurde eine dringende Frage.

Die große Mehrheit der Sozialdemokratie war damals noch der Meinung, daß wie in der Industrie auch in der Landwirtschaft der Siegeszug des Großbetriebs unaufhaltsam sei. Aber die Konsequenzen, die man aus dieser Auffassung zog, waren keineswegs überall die gleichen.

Auf dem Frankfurter Parteitag 1894 brachten Vollmar und Schönlank zusammen eine Resolution ein, die nicht bloß Arbeiter-, sondern auch Bauernschutz verlangte. Gegen diese Auffassung wendete unter anderen auch ich mich. Wir mußten wohl für den Bauern als Staatsbürger eintreten, durften jedoch nicht den Kleinbetrieb künstlich stützen.

Daneben trat eine dritte Richtung auf, vornehmlich vertreten durch David, die in der bäuerlichen Familienwirtschaft die höchste Form der Landwirtschaft sah und auf Zerschlagung und Parzellierung der Großbetriebe hinarbeitete.

Auf dem Breslauer Parteitag 1895 stellte sich die Mehrheit auf meine Seite. Aber damit war die Sache für mich nicht abgetan. Das Problem der landwirtschaftlichen Entwicklung beschäftigte mich aufs intensivste und ließ mich lange nicht los.

Ich kam schließlich zu dem Ergebnis, daß David in einem Punkte recht hatte: Die Entwicklung geht in der Landwirtschaft nicht in der Richtung des Zurückdrängens des Kleinbetriebs durch den Großbetrieb vor sich. Das tritt nur unter bestimmten Umständen ein, unter anderen Umständen sehen wir den gegenteiligen Vorgang. Aber ich ging nicht so weit, wie David, in der bäuerlichen Familienwirtschaft das landwirtschaftliche Ideal zu erblicken. Im allgemeinen ändert sich das Verhältnis zwischen Groß- und Kleinbetrieb in der Landwirtschaft nur wenig. Dabei blieb ich nach wie vor der Überzeugung, und ich habe sie noch heute, daß der rationell, nach wissenschaftlichen Methoden geleitete, mit den modernsten Behelfen ausgestattete Großbetrieb bei gleichem Arbeitsaufwand höhere Erträge liefert, als der Kleinbetrieb, wenigstens in den Produktionszweigen, die der Massenproduktion dienen, vor allem dem Körnerbau.

Den Nachteil des Großbetriebs sah ich vor allem im Lohnsystem.

Ich blieb der Meinung, daß genossenschaftlicher Großbetrieb die besten Resultate geben werde und hielt es für die Pflicht eines sozialistischen Regimes, solche Betriebe zu fördern. Für die Gegenwart war ich aber auf jeden Fall der Überzeugung, daß die Zerschlagung des großen Grundbesitzes, seine völlige Aufteilung in Zwergbetriebe, die ohne Lohnarbeit, bloß mit den Arbeitskräften der Familie betrieben werden, eine schwere Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Produktion und eine bedenkliche Lähmung ihres technischen Fortschritts bedeute.

Zu diesem Ergebnis kam ich in der umfangreichsten ökonomischen Arbeit, die ich bisher produziert, betitelt, Die Agrarfrage, 1899. Die zweite Auflage (1902) ist längst vergriffen. Ich habe noch keine neue veranstaltet, nicht weil ich meinen Standpunkt geändert hätte, sondern weil eine Reihe von Voraussetzungen, von denen ich ausging, nicht mehr existieren, ja sich in ihr Gegenteil verwandelten. Ich schrieb in einer Zeit sinkender Lebensmittelpreise und Grundrenten. Aber bald nach dem Erscheinen meines Buchs kam diese Bewegung zum Stillstand und begann die gegensätzliche Bewegung des Steigens der Preise und Grundrenten. Damit hörte die Notlage der Masse der Bauern immer mehr auf, damit verschärfte sich aber auch der Gegensatz zwischen ihnen und den städtischen Schichten, vor allem den Industriearbeitern.

Eine Neuauflage hätte angesichts dieser neuen Situation in manchen Punkten eine vollständige Neubearbeitung sein müssen. Dazu fand ich zunächst nicht die Zeit, und je länger ich wartete, desto mehr häuften sich die neuen Tatsachen und Erfahrungen, die zu berücksichtigen war;en. Es scheint mir fraglich, ob ich jemals zu der Modernisierung meiner Agrarfrage kommen werde. Als vorläufigen Ersatz habe ich 1921 ein Büchlein über die Sozialisierung der Landwirtschaft herausgegeben.
 

VII.

Als mein Buch über die Agrarfrage erschien, hatte bereits die Diskussion über den Revisionismus mit aller Macht eingesetzt. Und ich mußte mich sofort Hals über Kopf in sie hineinstürzen. Ohne rechte Freude. Denn im Gegensatz zur Agrardebatte bot sie mir theoretisch nicht neue Anregungen und Einsichten. Ich hatte bloß zu verteidigen, was schon längst meine Überzeugung war, und was erneute, kritische Nachprüfung nicht zu erschüttern, nur zu befestigen vermochte.

In der revisionistischen Bewegung sind zwei Seiten zu unterscheiden: eine taktische und eine theoretische.

Die Taktik und die ihr entsprechende Propaganda der sozialdemokratischen Parteien in den Großstaaten des europäischen Festlands war eingestellt auf den Kampf gegen die Militärmonarchie. Sie fußten auf den Erinnerungen aus der Zeit der großen französischen Revolution sowie der Umwälzungen von 1848. Unser Denken, unsere Propaganda, unsere Taktik wurde völlig beherrscht von dem Gedanken einer politischen Revolution als unerläßlicher Vorbedingung des sozialistischen Aufstiegs.

Aber seit der Amnestierung der Kommuneflüchtlinge in Frankreich 1880, und seit dem Fall des Sozialistengesetzes in Deutschland 1890, waren doch schon demokratische Bedingungen der Propaganda und Organisation, wenn auch noch nicht gewaltloser Gewinnung der Staatsmacht gegeben. Das konnte schließlich nicht ohne Rückwirkung auf unsere Sprache und Taktik bleiben. Das wurde in weiten Parteikreisen anerkannt. Engels selbst wies darauf in seiner letzten Publikation hin, der bekannten Vorrede zu einer Neuauflage der Marxschen Klassenkämpfe in Frankreich.

Vorher schon hatte auch ich die Überzeugung gewonnen, daß die Demokratie manche Änderungen der Formen unserer Betätigung nach sich ziehe, und das ausgesprochen in einem Artikel der Neuen Zeit (XII, 1, S. 361 ff.). Als dann vom Herbst 1896 an Bernstein anfing, in einer Reihe von Artikeln unter dem Gesamttitel: Probleme des Sozialismus verschiedene unserer bisherigen Anschauungen einer Kritik zu unterziehen, war mir dies zunächst äußerst sympathisch. Ich sah darin eine Fortsetzung dessen, was Engels und ich begonnen. Aber je weiter diese Artikel im Laufe der Jahre 1897 und 1898 fortschritten, desto bedenklicher erschienen sie mir. Ich hoffte noch, diese Bedenken würden zerstreut, wenn Bernstein seine Anschauung in einem Buche systematisch zusammenfasse und begründe. Das Gegenteil war der Fall. Aus meinen Bedenken wurde nun leidenschaftliche Ablehnung.

Wohl hatte ich ebenfalls Kritik an manchen Einzelheiten unserer Taktik und Propaganda geübt und auch ich hatte gefunden, daß die Marxistische Prognose wenigstens für die Landwirtschaft nicht ganz zutreffe. Aber je länger ich die Dinge studiert hatte, desto stärker war in mir die Überzeugung geworden, daß der Marxistischen Lehre nur in Einzelergebnissen Irrtümer nachzuweisen seien. Das Gesamtgebäude dagegen erschien mir unerschütterlich. Immer mehr hatte ich durch meine Arbeit die Fruchtbarkeit der Marxschen Methode und ihrer Ausgangspunkte erprobt, der Werttheorie und der materialistischen Geschichtsauffassung; immer entschiedener hatte ich jeden Eklektizismus abgelehnt und — nicht in der praktischen Politik, wohl aber in der Theorie — jedes Kompromiß verwerfen gelernt.

Und nun kam Bernstein mit einer Kritik, die nicht den Marxismus verwarf, um ihn durch eine andere, höhere Auffassung zu ersetzen — gelänge das, ich würde dies Tun bewundernd anerkennen. Aber seine Kritik ging nach meiner Auffassung bloß darauf hinaus, die Grundlagen des Marxismus für unzulänglich zu erklären, um diesem Elemente einzuverleiben, die mir unvereinbar mit ihm erschienen.

Aufs leidenschaftlichste wendete ich mich gegen diese Revision des Marxismus, die ich als theoretisches Kompromisseln, als Rückfall in den glücklich überwundenen Eklektizismus betrachtete; um so leidenschaftlicher als es Eduard Bernstein war, von dem dieses „Revidieren“ ausging, der neben Engels am meisten dazu beigetragen, meine eklektische durch nur einheitliche, wissenschaftliche Auffassung zu verdrängen, und auf dessen Hilfe bei Verfechtung und Weiterentwicklung dieser Auffassung ich nach Engels Tod mehr denn je gerechnet hatte.

Außer in zahlreichen polemischen Artikeln wendete ich mich gegen Bernstein in dem Buche Bernstein und das sozialdemokratische Programm (1899), einer Entgegnung gegen dessen Schrift: Die Voraussetzungen des Sozialismus. Er hat sie jüngst in neuer Auflage erscheinen lassen. Mein Buch ist längst vergriffen, aber auf eine Neuauflage habe ich verzichtet. Nicht, weil ich das darin Gesagte für falsch erkannt hätte, sondern weil ich seitdem genügend Gelegenheiten hatte, meinen Standpunkt positiv zu entwickeln und dessen polemische Auseinandersetzung nur unnötigerweise alte Wunden aufreißen würde.

Wer Recht behalten hat, habe ich natürlich nicht zu entscheiden. Unsere taktischen Differenzen aus jener Zeit sind gegenstandlos geworden durch die Revolution, durch die eine ganz neue Situation geschaffen wurde, die den taktischen Problemen ein völlig geändertes Gesicht verleiht.

Über unsere theoretischen Differenzen aber läßt sich zum mindesten so viel sagen, daß der Zerfall des Marxismus ausgeblieben ist, den man von ihnen erwartete. Im Gegenteil, nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wissenschaft hat Marx an Gewicht gewaltig gewonnen. Es geht Marx bereits wie Kant: Die gegensätzlichsten Tendenzen berufen sich auf ihn, um die Autorität seines Namens für sich beanspruchen zu können. Nur zu oft kommt unsereiner heute in die Lage, das Wort zu wiederholen, da Marx einmal gegenüber Äußerungen eines seiner sehr eifrigen aber nicht ebenso verständnisvollen Jünger gebrauchte:

„Wenn das Marxismus ist, bin ich nicht Marxist.“

Die späteren Marx-Kritiker lieben es, das Wort in der Weise wiederzugeben, daß sie Marx sagen lassen:

„Ich bin nicht Marxist.“

Woraus sie schließen, daß jeder, der im Marxschen Geiste arbeiten will, damit anfangen muß, daß er aufhört Marxist zu sein.

So gefaßt, ist das Wort natürlich völlig sinnlos, so wie es sinnlos gewesen wäre, wenn Kant erklärt hätte, er sei kein Kantianer, und Darwin, er sei kein Darwinianer.
 

VIII.

So sehr mich der Revisionismus beschäftigte, ging ich auch in der Zeit des erregtesten Kampfes nicht in der Polemik gegen ihn auf. Im Jahre 1897 untersuchte ich die Bedeutung der Konsumvereine, wendete mich ebenso wie gegen ihre überschwengliche Überschätzung auch gegen ihre Unterschätzung, die seit Lassalle in der deutschen Sozialdemokratie eine Zeitlang sehr stark war. Das Ergebnis war das Schriftchen Konsumvereine und Arbeiterbewegung. Die Propagierung der Schutzzöllnerei in unseren Reihen, die namentlich Max Schippel betrieb, veranlaßte mich 1901 zu der Arbeit über Handelspolitik und Sozialdemokratie, der 1907 die Schrift über Sozialdemokratie und Kolonialpolitik folgte.

Ebenfalls im Zusammenhange mit der revisionistischen Bewegung und ebenso wie die letztgenannten Schriften in der Form unpolemisch war das Büchlein Ethik und materialistische Geschichtsauffassung, 1906, das sich gegen den Versuch wandte, die Kantsche Ethik dem Marxismus einzuverleiben.

Schon vorher aber war meine Aufmerksamkeit vor allem auf ein großes Ereignis konzentriert worden, die russische Revolution. Während die Revisionisten zumeist ein unmerkliches Hineinwachsen in den Sozialismus erwarteten, erfüllte mich immer mehr die Überzeugung, daß die Revolution in Rußland vor der Türe stehe, und daß sie auch eine politische Revolution in Österreich und Deutschland nach sich ziehen müsse.

In dieser Erwartung veröffentlichte ich 1902 mein Buch über Die soziale Revolution, den „Bädeker für den Zukunftsstaat“, wie Fürst Bülow es einmal im Reichstag nannte. Im Winter 1903/1904 führte ich in einer Artikelserie der Neuen Zeit aus, daß wir mit dem baldigen Ausbruch der Revolution in Rußland zu rechnen hätten, die vom Proletariat getragen sein werde, aber bei der Unreife der ökonomischen Verhältnisse noch keine sozialistische Produktion aufbauen könne.

Nicht lange währte es, und die erste russische Revolution war wirklich da.

Ich hatte sie richtig vorausgesehen, aber als sie da war, irrte ich doch in einem Punkte: ich überschätzte ihre Intensität und Dauer und daher die Rückwirkungen, die sie auf den Westen üben konnte. Rascher, als wir erwartet, brach sie zusammen, so daß sie auf Österreich und Deutschland weniger umwälzend wirkte, als wir gehofft. Immerhin brachte sie Österreich das allgemeine, gleiche Wahlrecht und verstärkte die Wucht des Wahlrechtskampfes in Preußen. Sie schuf zusammen mit dem Wettrüsten ein Stadium der Unsicherheit in Europa, das die überraschendsten Katastrophen zu bringen versprach. Dies führte ich 1909 aus in der Schrift: Der Weg zur Macht.

Der Kampf gegen den Revisionismus war in dieser Zeit völlig abgeflaut. Nun aber wurde ich in einen Kampf mit dem entgegengesetzten Lager verwickelt.

Ich erwartete wohl die Revolution, aber sie war nach meiner marxistischen Überzeugung ein Elementarereignis, dessen Kommen sich ebensowenig beschleunigen, wie hinausschieben ließ. Wenn ich auf ihr Kommen hinwies, geschah es, um daraus die Notwendigkeit abzuleiten, die Reihen des Proletariats zu organisieren und zu schulen, damit es der schweren Aufgabe gewachsen sei, die seiner harre.

Doch die russische Revolution hatte in leidenschaftlichen Kämpfern eine Ungeduld entfesselt, der diese Auffassung als Verurteilung zu tatlosem Warten erschien. Die neue Waffe des Massenstreiks, die 1905 in Rußland so starke Wirkungen erzielt hatte, erschien ihnen als das souveräne Mittel, die Revolution zu erzwingen. Diese Gruppe, repräsentiert vor allem durch Rosa Luxemburg und ihre Freunde Karl Liebknecht, Georg Ledebour und Paul Lensch, wendete sich gegen Bebel und mich. Mit Rosa Luxemburg und Paul Lensch hatte ich darob scharfe Polemiken auszufechten. Sie veranlaßten mich zu dem Buch über den „politischen Massenstreik“, Frühjahr 1914, in dem ich die Bedeutung, die Bedingungen und die Grenzen der Wirksamkeit dieser neuen Waffe des Proletariats untersuchte.

Neben diesen politischen, aktuellen Arbeiten brachte mir die Zeit leidenschaftlicher politischer Bewegung des Jahrzehnts vor dem Kriege auch rein theoretische Aufgaben. Nach Engels Tode hatte Marx’ Tochter Elenor beabsichtigt, den Nachlaß ihres Vaters mit meiner Hilfe herauszugeben. Als sie selbst vorzeitig starb, ersuchte mich die letzte damals noch lebende Tochter Marx’, Laura, diese Herausgabe zu bewerkstelligen. Ich riet ihr, zur Beschleunigung der Arbeit, jene Teile des Nachlasses, die mehr in das Gebiet der Parteigeschichte fielen, Mehring zu übergeben und übernahm den ökonomischen Teil. Einige ökonomische Abhandlungen aus dem Nachlaß veröffentlichte ich in der Neuen Zeit, eine besonders wichtige fügte ich einer Neuausgabe der Kritik der politischen Ökonomie als „Einleitung“ ein.

Die Hauptaufgabe aber bildete die Herausgabe der Theorien über den Mehrwert, deren erste Bände 1905, der letzte 1910 erschienen. Schon die Marxsche Handschrift allein machte neben der Unfertigkeit des Manuskriptes die Arbeit zu einer sehr mühsamen. Aber das Ergebnis schien mir sehr lohnend.

In diesem Zusammenhang sei auch noch der Briefe Marx’ an Kugelmann gedacht, die ich im 20. Jahrgange der Neuen Zeit (1902) herausgab.

An diese Veröffentlichungen schloß sich eine Volksausgabe des ersten Bandes des Kapital an, die ich 1913 fertig stellte.

Außer dieser Herausgebertätigkeit beschäftigten mich in dem Jahrzehnt vor dem Kriege auch noch zwei eigene größere Arbeiten nicht politischer Art.

Die Frage, ob der Ursprung des Christentums mit der Methode des historischen Materialismus aufzuhellen sei, war eine der ersten gewesen, die mich beschäftigt, nachdem ich diese Methode akzeptiert. Schon 1885 veröffentlichte ich, angeregt durch die Lektüre Bruno Bauers, in der Neuen Zeit eine Artikelserie über Die Entstehung des Christentums. Die Münzersche Bewegung und die Rolle, die in ihr die urchristlichen Traditionen gespielt, hatten mich erneut auf das Thema hingelenkt. Einige kurze Äußerungen über das Urchristentum in der Einleitung zu den Vorläufern hatten lebhaften Widerspruch herausgefordert. Als eine neue Auflage der Vorläufer notwendig wurde, veranlaßte mich das, meine bisherigen Studien über die Anfänge des Christentums weiter fortzuführen. Das Ergebnis war das Buch über den Ursprung des Christentums, das 1908 erschien.

Eine Arbeit anderer Art wurde dadurch notwendig, daß immer wieder Anfragen an mich kamen, ob ich in der Bevölkerungsfrage noch auf dem Standpunkt stehe, den ich in meinem Erstlingswerk eingenommen. Die Antwort ließ sich nicht mit zwei Worten geben, auch bedurfte sie der Begründung. Ich gab sie in dem Buche: Vermehrung und Entwicklung in Natur und Gesellschaft, 1910. Ich unterscheide dort zwischen den natürlichen Bevölkerungsgesetzen und denen der menschlichen Gesellschaften. In der Natur ist die Fruchtbarkeit jedes Organismus seinen Lebensbedingungen angepaßt. Er bringt in seiner Lebenszeit durchschnittlich so viel Junge hervor, als in diesem Zeitraum durchschnittlich wegsterben. Eine Art, die weniger Junge produziert, wird bald aussterben, eine Art, die mehr produziert, wird bald ihren Nahrungsspielraum erschöpfen. Beide Arten können sich nicht behaupten.

Dies ist das natürliche Bevölkerungsgesetz, das ich der Malthusschen arithmetischen und geometrischen Progression entgegensetze. Die Erde, der Nahrungsspielraum der Pflanzen, ist, sobald ihre dazu geeignete Fläche ganz von solchen Gewächsen besetzt ist, überhaupt nicht mehr der Ausdehnung fähig, also kann auch der Nahrungsspielraum der pflanzenfressenden Tiere nicht weiter zunehmen. Damit ist auch der der Fleischfresser unter bestimmten Bedingungen gegeben und keiner weiteren Ausdehnung fähig. Daher finden wir in der Natur nicht ständige Ausdehnung des Nahrungsspielraumes und noch rascheres Ausdehnungsstreben der von ihm lebenden Organismen, sondern ein ständiges Gleichgewicht aller Organismen untereinander.

Der Mensch mit seiner Technik stört dieses Gleichgewicht. Er schafft sich neue Lebensbedingungen, die seine Fruchtbarkeit entweder vermehren oder vermindern. Er vermag dabei durch seine Technik seinen Nahrungsspielraum zu erweitern, aber nicht jederzeit, sondern nur unter bestimmten Umständen.

Das kann die verschiedenartigsten Bevölkerungsgesetze ergeben. Unter bestimmten Bedingungen kann die Bevölkerung rascher wachsen, als der Nahrungsspielraum, was Elend, Auswanderung, Kriege hervorrufen kann. Unter anderen Bedingungen wird die Bevölkerung abnehmen, während ihre Produktionsweise eine Vermehrung erheischt. Da kann die Gesellschaft verkommen, das Gemeinwesen schließlich untergehen, die Rasse aussterben.

Jede Gesellschaftsform hat ihr eigenartiges Bevölkerungsgesetz. In den Anfängen der industriellen, kapitalistischen Gesellschaft überwiegt die Übervölkerungsfurcht, seit einigen Jahrzehnten macht sich die Entvölkerungsfurcht immer stärker geltend. Welches das Bevölkerungsgesetz der sozialistischen Gesellschaft sein wird, wissen wir nicht. Aber wir haben nicht den mindesten Anlaß, zu fürchten, daß sie an Übervölkerung zugrunde gehen werde. Hohe intellektuelle Kultur war bisher der Vermehrung nicht günstig, sei es, daß sie die natürliche Fruchtbarkeit verringerte oder die Anwendung künstlicher Verhinderung der Empfängnis förderte.

Diese Auffassung ist sicher eine andere, als jene, die ich 1878 gewonnen hatte. Von dem herkömmlichen teleologischen Antimalthusianismus ist aber mein jetziger Standpunkt ebensoweit entfernt wie mein ursprünglicher.

Das Buch behandelte ein Grenzgebiet zwischen Natur- und Gesellschaftswissenschaft. Dies Gebiet hatte mich von Beginn meines ökonomischen und sozialen Denkens an interessiert. Neben dem Bedürfnis, meine ursprüngliche Auffassung der Bevölkerungsfrage zu revidieren, führte mich auf das Grenzgebiet auch die Agitation der Rassentheoretiker, die das soziale Denken unserer Zeit so stark beeinflussen. Die Beschäftigung mit ihnen zeitigte die Schrift Rasse und Judentum (1914). Sie ging zunächst unter im Toben des Weltkrieges, in dessen Anfänge sie hineingeriet.
 

IX.

Dieser Krieg, der die ganze Welt erschütterte, Kronen in den Sand warf und Reiche zerschmetterte, brachte, wie jedem in Deutschland, auch mir eine fundamentale Umwälzung meiner Verhältnisse.

Die ganze Sozialdemokratie war einig gewesen in dem Streben, den Krieg zu verhindern. Als er aber trotz ihres Widerstrebens ausgebrochen war, spaltete sie sich wegen der schicksalsschweren Frage, ob sie sich im Kriege hinter die Regierung zu stellen habe, auch wenn sie deren Politik für verhängnisvoll hielt, oder nicht. Die große Mehrheit bewilligte die Kriegskredite, eine kleine Minderheit lehnte sie ab. Ich nahm eine Mittelstellung ein, entsprechend der, die Bebel und Liebknecht 1870 eingenommen hatten, wo sie sich weder auf die Seite des preußischen Königs noch auf die des französischen Kaisers stellen wollten und sich der Stimme enthielten.

Wenn es richtig war, was eingewendet wurde, daß für eine so große Partei, wie die deutsche Sozialdemokratie 1914 war, Stimmenthaltung nicht mehr möglich sei, dann forderte ich doch, man solle nicht bedingungslos ablehnen oder zustimmen. Die Sozialdemokratie dürfe Kriegskredite nur einer Regierung bewilligen, die sich feierlich vor aller Öffentlichkeit verpflichte, den Krieg nur zur Abwehr zu führen, mit dem Ziele, ihn raschest durch einen Frieden der Verständigung ohne Annexionen, Kontributionen, Vergewaltigungen zu enden.

In Zeiten, die so sehr leidenschaftlich erregt sind, wie im Kriege oder der Revolution, gilt nur ein hüben oder drüben. So blieb ich mit meiner Mittelstellung fast ganz allein. Und das änderte sich nicht während des ganzen Kriegs und weit über ihn hinaus.

Von Beginn meiner Parteilaufbahn bis zum Kriegsausbruch, vierzig Jahre lang, war ich mit der großen Mehrheit der Partei stets einig gewesen, während die Kritiker von rechts und links nur eine kleine Minderheit gebildet hatten. Jetzt dagegen geriet ich in Gegensatz zur großen Mehrheit der Partei, ohne der Minderheit zu genügen. Die von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht geführte äußerste Linke, im Kriege Spartakisten genannt, hatte mich schon vor dem Kriege bekämpft, sie tat dies jetzt mit verdoppelter Schärfe. Dies blieb nicht ohne Rückwirkung auch auf den maßvolleren Teil der Opposition. Er fuhr wohl fort, mich zu achten, jedoch nicht ohne mancherlei Bedenken.

Sehr eng berührte ich mich damals mit Bernstein. Im Kriege haben wir uns wiedergefunden. Jeder von uns bewahrte seine theoretische Eigenart, aber in unserem praktischen Tun waren wir nun fast immer einig. Und so ist es geblieben bis heute.

Meine literarische Tätigkeit im Kriege war naturgemäß durch die Kriegszensur stark unterbunden. Mein Hauptstreben ging dahin, einen vernünftigen Frieden vorzubereiten. Im Jahre 1915 veröffentlichte ich eine Schrift Nationalstaat, imperialistischer Staat, Staatenbund, in der ich die Notwendigkeit verfocht, beim Friedensschluß die Selbstbestimmung der Nationen zu achten und gegen die Anschauung zu Felde zog, die damals von rechts und links, von Cunow und Radek, eifrig verfochten wurde, als sei der imperialistische Eroberungsstaat durch die wirtschaftlichen Bedürfnisse notwendig gegeben, solange kapitalistisch gewirtschaftet werde.

Die Schrift wurde durch die Kriegszensur so drangsaliert, daß sie in der Öffentlichkeit keine Beachtung fand. Mehr Glück hatte ich mit den Schriften Die Vereinigten Staaten Mitteleuropas, 1916, Serbien und Belgien und Elsaß-Lothringen, beide 1917, sowie endlich Die Befreiung der Nationen, 1918.

Dagegen stieß ich unmittelbar vor Kriegsende wieder auf starken Widerstand bei der Militärzensur.

Sie fand den Nachweis bedenklich, daß die Kriegswirtschaft nichts weniger als den Anfang einer sozialistischen Wirtschaft bedeute. So mußte ich meine Arbeit über den Kriegsmarxismus in Wien erscheinen lassen (April 1918).

Schon früher war ich gelegentlich mit manchen meiner Arbeiten dorthin geflüchtet.

Je länger der Krieg dauerte, desto lebhafter hatte mich die Frage beschäftigt, wie die so ganz abnormen Verhältnisse der Kriegswirtschaft wieder ohne schwere Krisen zu normaler Friedenswirtschaft zurückgeführt werden könnten. Merkwürdigerweise wurde ich bei meinen Untersuchungen über dieses Thema durch die Zensur sehr gehindert. Einen Artikel über die „ökonomische Seite des Erschöpfungskrieges“ konnte ich in Deutschland nicht veröffentlichen, ich mußte damit nach Wien gehen, wo er anstandslos erschien (Kampf, September 1916).

Im März 1918 hatte ich dann eine Arbeit vollendet über die Übergangswirtschaft. Ich nahm an, der Friede müsse nun bald kommen, und hielt es für notwendig, daß wir, ehe er da sei und uns vor das Problem des Übergangs zur Friedenswirtschaft stelle, es bereits nach allen Seiten erwogen hätten. Dem sollte mein Buch dienen. Aber die Militärzensur schob seine Veröffentlichung immer wieder hinaus. Im Juli war es druckfertig, erst am 6. November aber konnte ich die Vorrede abfassen, die sein Erscheinen anzeigte. Dies fiel dann in die ersten Wochen der Revolution, wo ganz andere Probleme uns beschäftigten, als die in dem Buche behandelten. Manche der Kapitel des Buchs sind seitdem zwar erst recht aktuell geworden, wie z. B. das über das Geld, das ein Drittel der Schrift umfaßt. Aber wie harmlos erschien 1918 noch dieses Problem!

Meine Isolierung in der Partei hatte sich inzwischen noch vertieft. Der Gegensatz der Opposition innerhalb der Sozialdemokratie zur Mehrheit war so schroff geworden, daß es 1917 zur offenen Spaltung kam. Ich hielt sie für unheilvoll und widerstrebte ihr nach Kräften. Das verbesserte nicht meine Stellung zur Mehrheit der neuen „unabhängigen Sozialdemokratie“, die Spaltung selbst vertiefte aber gleichzeitig die Kluft zwischen der alten Partei und mir, so daß schließlich, im Oktober 1917 deren Parteivorstand mich aus der Redaktion der Neuen Zeit entfernte. Dietz und ich hatten sie als unser Privatorgan gegründet, wie das unter dem Sozialistengesetz nicht anders ging. Aber nach dessen Fall waren die Beziehungen zwischen der Neuen Zeit und der Partei immer enger geworden, so daß wir es für passend hielten, diese offiziell zur Eigentümerin des Organs zu machen (1901). Von da an war ich der Partei für meine Redaktionsführung verantwortlich. So konnte man mich 1917 absetzen. Diese erzwungene Trennung von der Stätte meines Wirkens, die ich geschaffen, in der ich ein Menschenalter hindurch meine Lebensarbeit konzentriert, in der und durch die ich mit den größten Geistern des zeitgenössischen Sozialismus zusammengewirkt und der ich ihren Charakter aufgeprägt hatte, traf mich um so schwerer, als sie zusammenfiel mit einem Zustand weitgehender Isolierung.

Diese Isolierung wurde verstärkt durch das Aufkommen des Bolschewismus. Die Angriffe des Spartakismus hatte ich möglichst ignoriert. Polemiken gegen oppositionelle Elemente unter dem Druck der Kriegszensur schienen mir nicht angebracht. Anders aber stand die Sache, als in Rußland die Bolschewiks die Staatsmacht ergriffen und, um sie nicht mit den anderen sozialistischen Parteien teilen zu müssen, die sozialistische Konstituante sprengten und ein System des Terrorismus gegen jeden Nichtkommunisten ins Werk setzten. Das alles in der Erwartung, sie vermöchten dadurch über Nacht mit einem Schlag ganz Rußland in ein völlig kommunistisches Gemeinwesen umzugestalten.

Sobald ich einigermaßen klar sehen konnte, was in Rußland seit der Oktoberrevolution 1917 vorging, hielt ich es für meine Pflicht dagegen aufzutreten, sowohl gegen den Glauben, ein so rückständiges Land, wie Rußland, könne auf der Bahn des Sozialismus dem industriellen Westen vorangehen; wie gegen den Wahn, der Sozialismus könne mit einigen wuchtigen Schlägen aufgebaut werden, und zwar von einer privilegierten Minderheit, im Gegensatz zur großen Volksmehrheit, die sie mit Waffengewalt und Terror im Zaume halten müsse.

Schon im Sommer 1918 veröffentlichte ich meine erste Schrift gegen den Bolschewismus, Die Diktatur des Proletariats, ihr folgte 1919 das Buch Terrorismus und Kommunismus und 1921 Von der Demokratie zur Staatssklaverei.

Daß mein entschiedenes Auftreten gegen den Bolschewismus die deutschen Spartakisten, die sich seit der Revolution Kommunisten nannten, gegen mich aufs äußerste erbitterte, ist selbstverständlich. Aber auch viele der unabhängigen Sozialdemokraten wandten sich gegen mich, und selbst solche, die zugaben, daß ich recht habe, meinten, in der damaligen Situation sei ein Angriff auf den Bolschewismus gleichbedeutend mit einer Schädigung der russischen Revolution, also zum mindesten unzeitgemäß.

Schon meine erste Publikation gegen den Bolschewismus erzeugte diese Bedenken gegen mich bei manchen meiner besten Freunde. Das wurde nicht besser seit der Revolution, die im November 1918 ausbrach.
 

X.

Mit dem Aufhören des Krieges hörte für mich auch jede tiefere Differenz zwischen Mehrheitssozialdemokratie und Unabhängigen auf. Und die Aufgaben der Revolution waren nur zu lösen bei vollster Geschlossenheit der Sozialisten. Ihre Einigung wurde in meinen Augen nun dringend notwendig.

Aber zu den Gegensätzen, die aus den verschiedenen Auffassungen der Kriegspolitik entsprangen und über den Krieg hinaus wirkten, hatten sich im Jahre 1918 noch die dem Bolschewismus entspringenden hinzugesellt. Anstelle der Einigkeit trat daher nach dem November 1918 vielmehr verstärkte Zwietracht, da jetzt in den Reihen der Sozialisten der Kampf der verschiedenen Organisationen um die Macht anhub, ausgehend von den Kommunisten, denen der bolschewistische Staatsstreich von 1917 als Muster vorschwebte.

So vermochte die Sozialdemokratie aus der Revolution nicht das herauszuholen, was in der damaligen Situation herauszuholen möglich gewesen wäre.

Mit Mühe und Not kam es nach dem 9. November zu einem Zusammenarbeiten zwischen Mehrheitlern und Unabhängigen. Die Volksbeauftragten betrauten mich mit dem Amt eines beigeordneten Staatssekretärs im Auswärtigen Amt. Der Staatssekretär Solf, dem ich beigeordnet wurde, war nur ein Provisorium. Bei seinem Nachfolger Brockdorff Rantzau traf ich volle Bereitwilligkeit zur Zusammenarbeit. Aber kaum war er im Amte, fanden die Unabhängigen, sie könnten nicht länger mehr mit den Mehrheitlern zusammenarbeiten. Sie gingen aus der Regierung und damit hatte auch meine Tätigkeit im Auswärtigen Amt ein Ende, ehe sie recht begonnen hatte.

Als Nachwirkung blieb bloß das Sammeln der Akten über den Kriegsausbruch, das ich mit Zustimmung der Volksbeauftragten begonnen hatte und mit Zustimmung der folgenden Regierungen zu Ende führte. Im Herbst 1919 bekamen Professor Schücking und Graf Montgelas den Auftrag, die Sammlung im Verein mit mir herauszugeben unter dem Titel: Die deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch (4 Bände).

Die Arbeit hatte mich zu einem Ausflug in das Gebiet der Diplomatie veranlaßt, zu einem Kommentar, betitelt: Wie der Weltkrieg entstand. Ich fügte bald einen Nachtrag hinzu, dessen Titel Delbrück und Wilhelm II. schon besagte, daß er sich gegen die Kritik des großen Kriegshistorikers wandte.

Die Revolution hatte mich indes nicht bloß ins Auswärtige Amt geschickt. Fast hätte sie mich an die Universität gebracht. Die unabhängigen Volksbeauftragten fragten mich an, ob ich nicht eine Professur an der Berliner Universität übernehmen wolle, ebenso wie Cunow und Lensch, die damals von den Volksbeauftragten der Mehrheitssozialisten zu Professoren befördert wurden. Sie hätten auch meine Professur acceptiert. Ich lehnte ab, weil mir zum Lehramt sicher die Neigung und vielleicht auch die Fähigkeiten fehlen. Aus demselben Grunde beschied ich Eisner abschlägig, der mich damals an Stelle des abgehenden Brentano nach München bringen wollte.

Einer andern Ernennung jedoch entzog ich mich nicht, der in die Sozialisierungskommission.

Als sozialistische Regierung fühlten sich die Volksbeauftragten natürlich verpflichtet, auch die Frage der Sozialisierung ins Auge zu fassen. Aber nicht nur die Mehrheitler, sondern auch die Unabhängigen waren keine Bolschewiks. Sie wußten wohl, daß planloses, überstürztes Sozialisieren nur verhängnisvoll wirken könne. Sie beriefen eine Sozialisierungskommission ein, in der nicht nur Sozialisten, sondern auch Vertreter anderer Anschauungen, Gelehrte wie Praktiker saßen. Die Kommission sollte untersuchen, welche Produktionszweige reif seien zur Sozialisierung und welche Methode der Sozialisierung jedes der betreffenden Zweige seiner Eigenart am besten entspreche. Die Kommission erwies mir die Ehre, mich zu ihrem Vorsitzenden zu erwählen.

Die Wahl erinnerte mich etwas an die Louis Blancs, der im Februar 1848 zum Vorsitzenden der im Luxembourg tagenden „Kommission für die Arbeiter“ von der revolutionären Regierung ernannt worden war. Ich fragte mich damals: Wird unsere Kommission auch ebenso ergebnislos enden, wie die des Luxembourg, um durch eine Junischlacht abgelöst zu werden?

So schlimm kam es diesmal nicht. Die deutsche Sozialdemokratie ist heute noch die stärkste Partei des Reichs. Aber die Januarwahlen hatten ihr nicht die Mehrheit verliehen und der Sozialismus kann nach meiner Überzeugung nicht kommen durch den Zwang einer Minderheit über eine Mehrheit. Nur die freudige und energische Mitarbeit der Mehrheit der Bevölkerung kann eine sozialistische Produktion schaffen, die der kapitalistischen überlegen ist.

Der Ausgang der Januarwahlen entzog der Sozialisierungskommission die Grundlage für eine eingreifende Wirksamkeit. Aber ihre Arbeit war keine vergebliche. Sie hat für eine Reihe wichtiger Produktionszweige, vor allem für die Kohlengewinnung nach eingehenden Enqueten äußerst sorgfältige praktische Vorschläge der Sozialisierung ausgearbeitet, die Lebenskraft bekommen werden, sobald den Wahlurnen des Reichs eine sozialistische Mehrheit entsteigt.

Der Mißerfolg des Januar war nicht zum wenigsten dem Aufruhr zuzuschreiben, der anfangs Januar in Berlin gegen die sozialdemokratische Regierung ausgebrochen war. Die schlimmsten Folgen waren zu befürchten, sowohl wenn er siegte, wie wenn er blutig niedergeschlagen wurde. So gehörte ich damals zu denen, die zwischen Regierung und Aufrührern zu vermitteln suchten. Auch damals waren die Bedingungen für eine vermittelnde Rolle nicht gegeben. Unser Bestreben blieb erfolglos. Es kam zur blutigen Niederschlagung und damit zur befürchteten verhängnisvollen Folge, zur tiefsten Zerreißung der deutschen Arbeiterbewegung.

Es erschien mir unmöglich, zum Sieger, der Mehrheitssozialdemokratie, überzugehen. Auf der andern Seite näherte sich nach den Unruhen des Januar und März ein wachsender Teil der Unabhängigen den Kommunisten. Die Partei trat aus der zweiten Internationale aus auf dem Leipziger Parteitag November 1919. Ihr Anschluß an die dritte Internationale wurde erwogen.

Damals erreichte meine Isolierung in der Partei wohl ihren Höhepunkt. Ich erwog es, der deutschen Sozialdemokratie den Rücken zu kehren und nach Wien zu übersiedeln, wo ich eine geeinigte Partei vorfand. Dort ließ ich 1920 meine Schrift über Vergangenheit und Zukunft der Internationale erscheinen, in der ich zu dem Schlusse kam, daß, wenn es gelänge, die zweite Internationale zu zerstören, die neue, die an ihre Stelle träte, schließlich nicht anders aussehen würde, als die bisherige.

Ehe ich nach Wien übersiedeln konnte, folgte ich (August 1920) noch einer Einladung der Regierung Georgiens, dieses Land zu besuchen. Es reizte mich, dieses eigenartige staatliche Gebilde kennen zu lernen, in dem auf überwiegend agrarischer Grundlage eine rein sozialdemokratische Regierung mit demokratischen Methoden, unter Zustimmung der großen Mehrheit der Bevölkerung ersprießlich regierte, ohne ihren sozialistischen Grundsätzen etwas zu vergeben. Das war eine ganz paradoxe Erscheinung, die sicher näheres Studium lohnte. Das Ergebnis meines dreimonatlichen Aufenthalts in Georgien war die Schrift: Georgien, eine sozialdemokratische Bauernrepublik (Wien 1921).

Die georgische Methode erschien mir als vorbildlich für solche Gebiete des Ostens, in denen ein modernes, großstädtisches, wohlorganisiertes und gebildetes Proletariat unter den politisch und ökonomisch geschulten Schichten im Staate die stärkste Macht darstellt, so daß eine Proletarierherrschaft unvermeidlich, indes gleichzeitig bei der Rückständigkeit der Industrie und der Überzahl der bäuerlichen Kleinbetriebe ein allseitiger Sozialismus unmöglich ist.

Leider hat der Einfall der Bolschewisten, der sechs Wochen nach meiner Abreise von Tiflis erfolgte, diese vielversprechende Blüte roh geknickt, ehe sie imstande war, Früchte zu bringen.

Als ich von Georgien zurückkam, fand ich in der deutschen Sozialdemokratie eine ganz veränderte Situation vor. Auf dem Kongreß zu Halle im Oktober 1920 war es zur Spaltung der unabhängigen Sozialdemokratie gekommen. Der eine Flügel hatte sich den Kommunisten angeschlossen, der andere hatte den Anschluß abgelehnt und war damit in einen Gegensatz zu ihnen gelangt, der sich nun immer schärfer zuspitzte. Gleichzeitig hatten die politischen Verhältnisse in Deutschland sich so sehr geklärt, daß die Marschroute für jeden denkenden Sozialisten eindeutig gegeben war. Selbst die einzige Frage, die noch strittig blieb, die der Beteiligung an einer Koalitionsregierung, verlor immer mehr ihre trennende Kraft. Die beiden großen Ströme der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung Deutschlands flossen immer mehr in gleicher Richtung parallel nebeneinander, und es war nur noch eine Frage der Zeit, wann sie wieder im gleichen Bette strömen würden.

Nun waren die Bedingungen gegeben, den Kampf um die sozialistische Einigung erfolgreich aufzunehmen. Da schwanden alle Absichten, Deutschland zu verlassen. Mit aller Macht beteiligte ich mich an der Einigungsbewegung. Ich hoffte sie am besten zu fördern, wenn ich das Fazit der Revolution zog. Ich untersuchte, inwieweit ihre Lehren im Verein mit den Erfahrungen der letzten zwei Jahrzehnte vor dem Kriege das Bild, das wir uns ehedem von dem Übergang zum Sozialismus gemacht, in manchen Punkten veränderten, in andern zur Ergänzung veranlaßten. In der Grundlegung eines neuen Programms, das unseren neuen Einsichten entsprach, hoffte ich einen Boden zu schaffen, der beiden sozialdemokratischen Parteien gemeinsam sei.

So entstand mein jüngstes Buch: Die proletarische Revolution und ihr Programm.

Kaum war es erschienen, im Juni 1922, da ertönten die unseligen Schüsse, die Walter Rathenau dahinrafften. Wohl war er kein Sozialdemokrat gewesen, trotzdem wurde sein Blut der Kitt, der die beiden Teile der Sozialdemokratie wieder zusammenkittete. Wenige Monate später war die Einigung vollendet.

Daß sie nicht bloß organisatorischer, sondern auch ideeller Natur war, daß sie auf völliger Übereinstimmung des Denkens der Massen hüben wie drüben in allen Grundfragen beruhte, dafür sah ich einen Beleg darin, daß mein Buch von der gesamten Parteipresse beider Richtungen in seinen wesentlichen Teilen zustimmend aufgenommen wurde. Nur ein Parteiorgan machte eine Ausnahme, nur eines stand mir in der vereinigten Partei feindselig gegenüber: ihr wissenschaftliches Zentralorgan, die Neue Zeit, die bis 1917 nicht den geringsten Teil meiner Lebensarbeit verkörpert hatte. Eine seltsame Ironie der Geschichte, die aber durchaus nicht tragisch wirkt angesichts des ungeheuren Wandels in meiner Situation, die sich binnen einem Jahr aus der größten Isolierung in das gerade Gegenteil verwandelt hatte. Die Achtung, die Sympathie, das Vertrauen meiner Parteifreunde hatte ich auch zur Zeit unserer schärfsten Differenzen nie verloren. Aber nun hatte ich endlich wieder einmal auch ihre allgemeine Zustimmung gewonnen, vielleicht in höherem Ausmaße, als ich sie vor dem Kriege besessen.

So verspricht nach allen Irrungen und Wirrungen seit dem August 1914 mein Lebensabend in einem klaren und heiteren Sonnenuntergang seinen versöhnenden Abschluß finden zu wollen, es sei denn, daß die Ruhrkatastrophe in ihren Konsequenzen durch diese wie durch so manche andere Rechnung einen dicken Strich macht.

Ob meine Lebensarbeit dem gesellschaftlichen Fortschritt gedient hat, ob sie in der richtigen Richtung vor sich gegangen ist, darüber steht die Entscheidung mir nicht zu. Wohl aber darf ich sagen, daß ich seit einem halben Jahrhundert, seitdem ich eine bestimmte Richtung eingeschlagen, nie wieder an ihr irre geworden bin. Ich hatte manche Illusion zu begraben, manchen Irrtum zu erkennen und richtig zu stellen, meine Auffassungen hatten bis in die jüngste Zeit manche Entwicklung durchzumachen. Aber jede neue Einsicht diente nur dazu, meine Überzeugung von der Richtigkeit der Richtung, die ich eingeschlagen, und der Methode, die ich angewandt, zu vertiefen.

So werde ich sterben, wie ich gelebt, als unverbesserlicher Marxist.

Charlottenburg, Mai 1923.


Literaturverzeichnis

Liste meiner Bücher und Broschüren:

Der Einfluß der Volksvermehrung auf den Fortschritt der Gesellschaft, Wien 1880, VIII, 195 S.

Irland, Leipzig 1880, 48 S.

Die überseeische Lebensmittelkonkurrenz, Leipzig 1880.

Internationale Arbeiterschutzgesetzgebung, Leipzig 1880.

Die Entstehung der Ehe und Familie, Stuttgart 1882 (im Kosmos),

Karl Marx ökonomische Lehren, Stuttgart 1887, XX, 208 S., Dietz.

Thomas More und seine Utopie, Stuttgart 1888, V, 343 S., Dietz, vergriffen, wird neu aufgelegt.

Die Klassengegensätze von 1789, Stuttgart 1889. (Spätere Auflagen führen den Titel: Die Klassengegensätze im Zeitalter der französischen Revolution, 80 S.)

Der Arbeiterschutz, besonders die internationale Arbeiterschutzgesetzgebung und der Achtstundentag, Nürnberg 1890, 60 S.

Das Erfurter Programm, Stuttgart 1892, XX, 252 S., Dietz.

Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie (mit Schönlank), Berlin 1892, 63 S., Vorwärts.

Der Parlamentarismus, die Volksgesetzgebung und die Sozialdemokratie, Stuttgart 1893, (Spätere Auflagen führen den Titel: Parlamentarismus und Demokratie, 140 S.), Dietz.

Vorläufer des neueren Sozialismus, Stuttgart 1894, XIV, 436 S., Dietz.

Konsumvereine und Arbeiterbewegung, Wien 1897, 31 S., Volksbuchhandlung.

Die Agrarfrage, Stuttgart 1899, VIII, 451 S., Dietz, vergriffen, wird neu aufgelegt.

Bernstein und das sozialdemokratische Programm, Stuttgart 1899, VIII, 195 S., Dietz.

Die soziale Revolution, Berlin 1902, 56 und 48 S., Vorwärts.

Die Sozialdemokratie und die katholische Kirche, Berlin 1902, Vorwärts.

Handelspolitik und Sozialdemokratie, Berlin 1901. Vorwärts.

Die Vernichtung der Sozialdemokratie, Berlin 1903, 48 S., Vorwärts.

Ethik und materialistische Geschichtsauffassung, Stuttgart 1906, VIII, 144 S., Dietz.

Sozialdemokratie und Kolonialpolitik, Berlin 1907, 80 S., Vorwärts.

Ursprung des Christentums, Stuttgart 1908, XVI, 508 S., Dietz.

Die historische Leistung von Karl Marx, Berlin 1908, 48 S., Vorwärts.

Der Weg zur Macht, Berlin 1909, 104 S., Vorwärts.

Vermehrung und Entwicklung in Natur und Gesellschaft, Stuttgart 1910, VIII, 208 S., Dietz.

Der politische Massenstreik, Berlin 1914. 302 S., Vorwärts.

Rasse und Judentum, Stuttgart 1914, Dietz.

Nationalstaat, imperialistischer Staat, Staatenbund, Nürnberg 1915, 80 S., Fränk. Tagespost.

Die Internationalität und der Krieg, Berlin 1915, 40 S., Vorwärts.

Die Vereinigten Staaten Mitteleuropas, Stuttgart 1916, Dietz.

Ueberzeugung und Partei, Leipzig 1916, 47 S., Parteiverlag.

Die Herbeiführung des Friedens, Geheim gedruckt 1916, 32 S.

Serbien und Belgien, Stuttgart 1917, 96 S., Dietz.

Elsaß-Lothringen, Stuttgart 1917, 86 S.

Die Befreiung der Nationen, Stuttgart 1918, 56 S., Dietz.

Kriegsmarxismus, Wien 1918, 86 S., Volksbuchhandlung.

Sozialdemokratische Betrachtungen zur Uebergangswirtschaft, Leipzig 1918, VIII, 166 S., Parteiobmann.

Die Diktatur des Proletariats, Wien 1918, 63 S., Volksbuchhandlung.

Richtlinien für ein sozialistisches Aktionsprogramm, Berlin, 16 S., Freiheit.

Habsburgs Glück und Ende, Berlin 1919, Cassirer.

Terrorismus und Kommunismus, Berlin 1919, 154 S. Vergriffen, wird bei Dietz neu aufgelegt.

Die Sozialisierung und die Arbeiterräte, Wien 1919, 16 S.

Das Weitertreiben der Revolution, Berlin 1919, 16 S. Vergriffen.

Die Sozialisierung der Landwirtschaft, Berlin 1919, 133 S., Cassirer.

Die Wurzeln der Politik Wilsons, Berlin 1919, 40 S., Neues Vaterland.

Wie der Weltkrieg entstand, Berlin 1919, 182 S., Cassirer.

Delbrück und Wilhelm II., Berlin 1920, 55 S., Neues Vaterland.

Vergangenheit und Zukunft der Internationale, Wien 1920, 88 S., Volksbuchhandlung.

Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Leo Jogiches, Berlin, 20 S., Freiheit.

Georgien, eine sozialdemokratische Bauernrepublik, Wien 1921, 72 S., Volksbuchhandlung.

Von der Demokratie zur Staatssklaverei, Berlin 1921, 128 S., Freiheit.

Irland, Berlin 1922, 31 S., Freiheit.

Mein Verhältnis zur USP, Berlin 1922.

Die proletarische Revolution und ihr Programm, Berlin 1922, VIII, 338 S., Dietz.

Die Marxsche Staatsauffassung im Spiegelbild eines Marxisten, Jena 1923, Thür. Verlagsanstalt und Druckerei.



Unter den Artikeln, die ich in der Neuen Zeit veröffentlichte, hebe ich folgende hervor:

Die sozialen Triebe in der Tierwelt, I, S. 20, 67.

Die Chinesen in Amerika, 1, S. 332.

Auswanderung und Kolonisation. Eine Entgegnung, I, S. 365, 393.

Ein materialistischer Historiker, I, S. 537

Die sozialen Triebe in der Menschenwelt, II, S. 13, 49, 118.

Das Recht auf Arbeit, II, S. 299.

Das Kapital, von Rodbertus, II, S. 337, 385.

Eine Replik (auf Schramm, II, 481), II, S. 494.

Die Indianerfrage, III, S. 17, 63, 107.

Schlußwort (in der Polemik mit Schramm), III, S. 224.

Die Entstehung des Christentums, III, S. 481, 529.

Die Quintessenz des Sozialismus, III, S. 515.

Das Elend der Philosophie und Das Kapital, IV, S. 7, 49, 117, 157.

Die chinesischen Eisenbahnen und das europäische Proletariat, IV, S. 515, 529.

Statistische Schönfärberei, IV, S. 28.

Die Kapitalisierung von Kunst und Wissenschaft, VI, S. 463.

Die Verschwendung in der kapitalistischen Produktionsweise, VII, S. 25.

Der jüngste Zukunftsroman, VII, S. 268.

Die Bergarbeiter und der Bauernkrieg, vornehmlich in Thüringen, VII, S. 289, 337, 410, 443, 507.

Die Arbeiterbewegung in Oesterreich, VIII, S. 49, 97, 154.

Deutsche und amerikanische Zollpolitik, IX, S. 161, 201, 313.

Der Entwurf des neuen Parteiprogramms, IX/2, S. 723, 749, 780.

Medizinisches (W. Schallmeyer, Die drohende körperliche Entartung der Kulturmenschheit und die Verstaatlichung des ärztlichen Standes), X/l, S. 644.

Vollmar und der Staatssozialismus, X/2, S. 705.

Der Parteitag und der Staatssozialismus, X/l, S. 210.

Zukunftsstaaten der Vergangenheit, X/l, S. 653, 684.

Eine Naturgeschichte des politischen Verbrechers, XI/2, S. 69.

Ein sozialdemokratischer Katechismus (von Knorr), XII/1, S. 361,402.

Der Kapitalismus fin de sciècle, XII/1, S. 457, 517, 589.

Nochmals Knorrs Katechismus, XII/1, S. 504.

Marx und Engels, das Anarchistenpaar, XIII/1, S. 754.

Die Intelligenz und die Sozialdemokratie, XIII/2, S. 10, 43, 74.

Unser neuestes Agrarprogramm, XIII/2, S. 557, 586, 610.

Noch einige Bemerkungen zum Agrarprogramm, XIII/2, S. 806.

Heine an Marx, XIV/1, S. 14.

Die materialistische Geschichtsauffassung und der psychologische Antrieb, XIV/2, S. 652.

Was will und kann die materialistische Geschichtsauffassung leisten?, XI/1, S. 213, 228, 260.

Utopistischer und materialistischer Marxismus, XV/1, S. 716.

Der Kampf der Nationalitäten und das Staatsrecht in Oesterreich, XVI/1, S. 516, 557.

Nochmals der Kampf der Nationalitäten in Oesterreich, XVI/1, S. 723.

Aeltere und neuere Kolonialpolitik, XVI/1, S. 769, 801.

Kiautschou, XVI/2, S. 14.

Das böhmische Staatsrecht und die Sozialdemokratie, XVII/1, S.292.

Friedrich Engels und das Milizsystem, XVII/1, S. 335.

Partei und Gewerkschaft, XVII/1, S. 420.

Schippel und der Militarismus, XVII/1, S. 618, 644, 686.

Siegfried der Harmlose (Polemik gegen Schippel), XVII/1, S. 787.

Bernstein und die materialistische Geschichtsauffassung, XVII/2, S. 4.

Bernstein und die Dialektik, XVII/2, S. 36.

Bernstein über die Werttheorie und die Klassen, XVII/2, S. 68.

Zwei Kritiker meiner Agrarfrage (F. O. Hertz und Eduard David), XVIII/1, S. 292, 338, 363, 428, 470.

Schippel, Brentano und die Flottenvorlage, XVIII/1, S. 740, 772, 804.

Die Neutralisierung der Gewerkschaften, XVIII/2, S. 388, 429, 457,492.

Die sozialistischen Kongresse und der sozialistische Minister, XIX/1, S. 36.

Der Kohlenwucher und die Verstaatlichung des Kohlenbergbaus, XIX/1, S. 173.

Die Verstaatlichung der Kohlenbergwerke, XIX/1, S. 301.

Grundzüge der Handelspolitik, XX/1, S. 332, 364, 396.

Sozialismus und Landwirtschaft, XXI/1, S. 677, 731, 745, 781, 804.

Drei Krisen des Marxismus, XXI/1, S. 723.

Sozialismus und Landwirtschaft, XXI/1, S. 731.

Klasseninteresse — Sonderinteresse — Gemeininteresse, XXI/2, S. 240, 261.

Das Massaker von Kischenew und die Judenfrage, XXI/2, S. 303.

Allerhand Revolutionäres, XXII/1, S. 588, 620, 652, 685, 732.

Brentanos Preisrätsel für Marxisten, XXIII/1, S. 714.

Die Differenzen unter den russischen Sozialisten, XXIII/2, S. 68.

Der heilige Franz von Assissi. Ein Revisionist des mittelalterlichen Kommunismus, XXII/2, S. 261.

Republik und Sozialdemokratie in Frankreich, XXIII/1, S. 26 300, 332, 363, 397, 436, 467.

Die Rebellionen in Schillers Dramen, XXIII/2, S. 133.

Patriotismus, Krieg und Sozialdemokratie, XXIII/2, S. 343, 364.

Die Folgen des japanischen Sieges und die Sozialdemokratie, XXIII/2, S. 460, 492, 529.

Der amerikanische Arbeiter, XXIV/1, S. 676, 717, 740, 773.

Das Kommunistische Manifest ein Plagiat (Tscherkesoff, Arturo Labriola und Pierre Ramus, Die Urheberschaft des Kommunistischen Manifests), XXIV/2, S. 693.

Partei und Gewerkschaft, XXIV/2, S. 716, 749.

Der Ursprung der Moral, XXV/1, S. 213, 252.

Triebkräfte und Aussichten der russischen Revolution, XXV/1, S. 284, 324.

Die Situation des Reiches, XXV/1, S. 420, 453, 484.

Einige Feststellungen über Marx und Engels, XXVI/1, S. 1.

Methoden der Kolonialverwaltung (Graf von Pfeil, zur Erwerbung von Deutschostafrika.) XXVI/1, S. 614.

Wie geht man an das Studium des Sozialismus?, XXVI/1, S. 708.

Marx als Verfechter der Sklaverei, XXVI/1, S. 842.

Nochmals Marx und die Sklaverei, XXVI/2, S. 26.

Verelendung und Zusammenbruch (Dr. M. Tugan-Baranowsky, Der moderne Sozialismus), XXVI/2, S. 540, 569.

Nationalität und Internationalität, Ergänzungsheft Nr. 1 (18. Januar 1908), S. 36.

Maurenbrecher und das Budget, XXVII/1, S. 44.

Reform und Revolution. Eine Antwort, XXVII/1, S. 180, 220, 252.

Oesterreich und Serbien, XXVII/1, S. 860.

Sekte oder Klassenpartei, XXVII/2, S. 4.

Sozialistische Kolonialpolitik, XXVII/2, S. 33.

Eine neue Strategie, XXVIII/2, S. 332, 364, 412.

Was nun?, XXVIII/2, S. 33, 68.

Der Aufstand in Baden, XXVIII/2, S. 612.

Zwischen Baden und Luxemburg, XXVIII/2, S. 652.

Schlußwort, (Zur Richtigstellung der Genossin Luxemburg), XXVIII/2, S. 760.

Preise und Löhne, XXIX/1, S. 921.

Fleischteuerung und Kleinbetrieb, XXIX/2, S. 4.

Bodenfrage, XXIX/2, S. 209, 258.

Der Kleinbetrieb in der Landwirtschaft, XXIX/2, S. 348, 408.

Die Aktion der Masse, XXX/1, S. 43, 77, 106.

Schutzzoll und Teuerung, XXX/1, S. 354.

Konsumenten und Produzenten, XXX/1, S. 452

Gold, Papier und Ware, XXX/1, S. 837, 886.

Oekonomie und Wehrhaftigkeit, XXX/2, S. 261, 319, 342.

Lassalles historische Leistung, XXXI/2, S. 233.

Lassalle und Marx, XXXI/2, S. 476.

Die Wandlungen der Goldproduktion und der wechselnde Charakter der Teuerung, Ergänzungsheft Nr. 16 (24. Jan. 1913), H. Dietz, XXXII/1, S. 1.

Peukerts Erinnerungen, XXXII/1, S. 924.

Die Sozialdemokratie im Kriege, XXXIII/1, S. 1.

Kriegssitten, XXXIII/1, S. 65, 97.

Zwei Schriften zum Umlernen (Gegen Cunow und Lensch), XXXIII/2, S. 33, 71, 107, 138.

Oekonomische Wirkungen der Staatsschulden, XXXIII/2, S. 1.

Sozialdemokratische Steuerpolitik, XXXIV/1, S. 737.

Wie englische Arbeiter deutsche Sozialdemokraten von einem Kongreß ausschließen, XXXIV/2.

Das neue Polen, XXV/1, S. 153, 177.

Sozialdemokratische Anschauungen über den Krieg vor dem jetzigen Krieg, XXXV/1, S. 297.

Neue sozialdemokratische Anschauungen vom Krieg, XXXV/1, S. 321.

Imperialismus und reaktionäre Masse, XXXV/2, S. 102.

Die Landesverteidigung, XXXV/2, S. 121.


Zuletzt aktualisiert am 7.1.2012