(/7. Abgeschmackte Leugnung der Ueberproduktion von Waren bei gleichzeitiger Anerkennung des Ueberflusses an Kapital/)

Ric(/ardo/) ist immer, soweit er selbst weiss, konsequent. Bei ihm ist also der Satz, dass keine Ueberproduktion (von Waren) moeglich, identisch mit dem Satz, dass keine plethora62 oder superabundance of capital63 moeglich.*

"Es kann also nicht sein, dass in einem Land eine Summe Kapital akkumuliert worden ist, die nicht produktiv angelegt werden kann, solange nicht die Loehne infolge der Erhoehung der notwendigen Konsumartikel so hoch steigen und daher so wenig fuer den Kapitalprofit uebrigbleibt, dass der Anreiz zur Akkumulation aufhoert." (l.c. p. 340). "Daraus ergibt sich ..., dass es keine Grenze der Nachfrage gibt und keine Schranke fuer die Verwendung von Kapital, solange es einen Profit abwirft, und dass es keinen anderen hinreichenden Grund fuer einen Fall des Profits als eine Erhoehung der Loehne gibt, gleichgueltig, wie reichlich auch immer Kapital vorhanden sein mag. Man kann weiter hinzufuegen, dass die allein wirksame und dauernde Ursache fuer die Erhoehung der Loehne in der wachsenden Schwierigkeit besteht, Nahrungsmittel und lebenswichtige Konsumartikel //707/ fuer die steigende Zahl der Arbeiter zu beschaffen." (l.c. p. 347, 348.)

Was wuerde Ric(/ardo/) dann gesagt haben zu der Stupiditaet seiner Nachfolger, die die Ueberproduktion in einer Form (als general glut of commodities in the market64) leugnen und sie in der andren Form als surproduction of capital65, plethora of capital, superabundance of capital nicht nur zugeben, sondern zu einem wesentlichen Punkt ihrer Doktrinen machen? Kein einziger zurechnungsfaehiger Oekonom der nachricardoschen Periode leugnet die plethora of capital. Alle erklaeren vielmehr die Krisen daraus (soweit nicht aus Kreditgeschichten). Also alle geben die Ueberproduktion in einer Form zu, leugnen sie aber in der andren. Es bleibt also nur die Frage, wie sich die beiden Formen der Ueberproduktion zueinander verhalten, die Form, worin sie geleugnet wird, zu der Form, worin sie versichert wird?

Ric(/ardo/) selbst kannte eigentlich von Krisen nichts, von allgemeinen, aus dem Produktionsprozess selbst hervorgehenden Weltmarktskrisen. Die Krisen von 1800--1815 konnte er erklaeren aus Getreideteurung infolge des Misswachses von Ernten, aus Depreziation des Papiergelds, aus Depreziation der Kolonialwaren etc., weil infolge der Kontinentalsperre der Markt gewaltsam, aus politischen, nicht oekonomischen Gruenden, kontrahiert war. Die Krisen nach 1815 konnte er sich ebenfalls erklaeren, teils aus einem Missjahr, von Getreidenot, teils aus dem Fall der Kornpreise, weil die Ursachen aufgehoert hatten zu wirken, die nach seiner eignen Theorie waehrend des Kriegs und der Absperrung Englands vom Kontinent die Getreidepreise in die Hoehe treiben mussten, teils aus dem Uebergang vom Krieg zum Frieden und den daher entspringenden "sudden changes in the channels of trade66". (Siehe in seinen "Principles", ch. XIX: "On sudden Changes in the Channels of Trade".)

Die spaetren historischen Phaenomene, speziell die fast regelmaessige Periodizitaet der Weltmarktkrisen erlaubte den Nachfolgern Ricardos nicht mehr, die Tatsachen zu leugnen oder sie als zufaellige facts zu interpretieren. Statt dessen erfanden sie -- abgesehn von denen, die alles aus dem Kredit erklaeren, um dann zu erklaeren, sie selbst werden die superabundance of capital voraussetzen muessen -- den schoenen Unterschied zwischen plethora of capital und overproduction. Gegen die letztere hielten sie die Phrasen und guten Gruende von Ric(/ardo/) und Smith bei, waehrend sie aus der ersteren ihnen sonst unerklaerliche Phaenomene zu deduzieren suchen. Einzelne Krisen erklaert Wilson z.B. aus der plethora von fixem Kapital, andre aus der plethora von zirkulierendem Kapital. Die plethora des Kapitals selbst wird von den besten Oekonomen (wie Fullarton) behauptet und ist schon so stehendes Vorurteil geworden, dass die Phrase sich selbst in dem Kompendium des gelehrten Herrn Roscher67 als selbstverstaendlich wiederfindet.

Es fragt sich also, was ist plethora of capital, und wodurch unterscheidet sich dieses Ding von overproduction?

(Allerdings erheischt die Gerechtigkeit, zu bemerken, dass andre Oekonomen, wie Ure, Corbet etc. die overproduction fuer den regulaeren Zustand der grossen Industrie erklaeren, soweit das Inland in Betracht kommt. Also nur zu Krisen fuehrt under certain circumstances68, wo sich auch der auswaertige Markt kontrahiert.)

Nach denselben Oekonomen ist Kapital = Geld oder Waren. Ueberproduktion vom Kapital also = Ueberproduktion von Geld oder Waren. Und doch sollen beide Phaenomene nichts miteinander gemein haben. Sogar nicht einmal Ueberproduktion von Geld, da dies bei ihnen Ware ist, so dass sich das ganze Phaenomen in Ueberproduktion von Waren aufloest, die sie unter einer Benennung zugeben und unter der andren leugnen. Wird ferner gesagt, es sei fixes Kapital ueberproduziert oder zirkulierendes, so liegt das zugrunde, dass die Waren nicht mehr in dieser einfachen Bestimmung, sondern in ihrer Bestimmung als Kapital hier in Betracht kommen. Damit ist aber andrerseits wieder zugegeben, dass bei der kapitalistischen //708/ Produktion und ihren Phaenomenen -- f.i. overproduction -- es sich nicht nur um das einfache Verhaeltnis handelt, worin das Produkt als Ware erscheint, bestimmt ist, sondern um gesellschaftliche Bestimmungen desselben, wodurch es mehr und noch etwas andres als Ware ist.

Ueberhaupt: Soweit in der Phrase plethora of capital statt Ueberproduktion von Waren nicht bloss eine ausfluechtige Redensart liegt oder die gewissenlose Gedankenlosigkeit, die dasselbe Phaenomen als vorhanden und notwendig zugibt, sobald es a heisst, es aber leugnet, sobald es b genannt wird, in der Tat also nur Skrupel und Bedenken ueber die Namengebung des Phaenomens, nicht ueber das Phaenomen selbst hat oder auch dieser Schwierigkeit, das Phaenomen zu erklaeren, dadurch ausweichen will, dass man es in einer Form (Namen) leugnet, worin es ihren Vorurteilen widerspricht, und nur in einer Form zugibt, wobei nichts gedacht wird -- von diesen Seiten abgesehn, liegt in dem Uebergang von der Phrase "Ueberproduktion von Waren" zu der Phrase "plethora of capital" in der Tat ein Fortschritt. Worin besteht der? Darin, dass die Produzenten sich nicht als blosse Warenbesitzer, sondern als Kapitalisten gegenueberstehn.

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