Noch einige Saetze des Ricardo:
"Man wird ... verleitet anzunehmen, dass Adam Smith glaubt, wir stehen unter irgendeinem Zwang" (das ist in der Tat der Fall), "einen Ueberschuss an Getreide, Woll- und Eisenwaren zu erzeugen und dass das Kapital, welches sie produzierte, nicht anders angelegt werden kann. Es ist aber immer eine Sache des Beliebens, wie ein Kapital angelegt werden soll, und es kann daher niemals fuer einen laengeren Zeitraum ein Ueberschuss an irgendeiner Ware existieren. Wenn es ihn gaebe, so wuerde sie unter ihren natuerlichen Preis sinken und Kapital wuerde in eine andere profitablere Anlage ueberfuehrt." (p. 341, 342, Note.)
"Produkte werden stets gekauft durch Produkte oder durch Dienste; Geld ist nur das Medium, wodurch der Austausch bewirkt wird."
(D.h., Geld ist blosses Zirkulationsmittel, und der Tauschwert selbst ist bloss verschwindende Form des Austauschs von products gegen product -- was falsch ist.)
"Es kann zuviel von einer bestimmten Ware produziert werden, von der dann ein solches Ueberangebot auf dem Markt vorhanden sein mag, dass das aufgewendete Kapital nicht zurueckerstattet wird. Das kann jedoch nicht in bezug auf alle Waren der Fall sein." (l.c. p. 341, 342.) "Ob diese erhoehte Produktion und die daraus entstehende Nachfrage den Profit senken werden oder nicht, haengt ausschliesslich von der Erhoehung der Loehne ab, und die Erhoehung der Loehne, ausgenommen fuer kurze Zeit, von der Leichtigkeit der Produktion der Nahrungsmittel und notwendigen Konsumartikel des Arbeiters." (l.c. p. 343.) "Wenn Kaufleute ihr Kapital im auswaertigen Handel oder im Zwischenhandel anlegen, so geschieht dies immer aus freien Stuecken und niemals aus Zwang. Es geschieht, weil in diesen Zweigen ihr Profit um einiges groesser als im Binnenhandel sein wird." (p. 344.)
Was die Krisen angeht, so haben mit Recht alle Schriftsteller, die die wirkliche Bewegung der Preise darstellen, oder alle Praktiker, die in gegebnen Momenten der Krise schreiben, die angeblich theoretische Salbaderei ignoriert und sich damit begnuegt, dass das in der abstrakten Theorie -- naemlich dass keine gluts of market69 etc. moeglich -- wahr, in der Praxis aber falsch sei. Die regelmaessige Wiederholung der Krisen hat in der Tat das Saysche etc. Gekohl zu einer Phraseologie herabgesetzt, die nur noch in times of prosperity is used, but is thrown to the winds in times of crisis70.
//709/ In den Weltmarktkrisen bringen es die Widersprueche und Gegensaetze der buergerlichen Produktion zum Eklat. Statt nun zu untersuchen, worin die widerstreitenden Elemente bestehn, die in der Katastrophe eklatieren, begnuegen sich die Apologeten damit, die Katastrophe selbst zu leugnen und ihrer gesetzmaessigen Periodizitaet gegenueber darauf zu beharren, dass die Produktion, wenn sie sich nach den Schulbuechern richtete, es nie zur Krise bringen wuerde. Die Apologetik besteht dann in der Faelschung der einfachsten oekonomischen Verhaeltnisse und speziell darin, dem Gegensatz gegenueber die Einheit festzuhalten.
Wenn z.B. Kauf und Verkauf -- oder die Bewegung der Metamorphose der Ware -- die Einheit zweier Prozesse oder vielmehr den Verlauf eines Prozesses durch zwei entgegengesetzte Phasen darstellt, also wesentlich die Einheit beider Phasen ist, so ist sie ebenso wesentlich die Trennung derselben und ihre Verselbstaendigung gegeneinander. Da sie nun doch zusammengehoeren, so kann die Verselbstaendigung der zusammengehoerigen Momente nur gewaltsam erscheinen, als zerstoerender Prozess. Es ist grade die Krise, worin ihre Einheit sich betaetigt, die Einheit der Unterschiedenen. Die Selbstaendigkeit, die die zueinander gehoerigen und sich ergaenzenden Momente gegeneinander annehmen, wird gewaltsam vernichtet. Die Krise manifestiert also die Einheit der gegeneinander verselbstaendigten Momente. Es faende keine Krise statt ohne diese innere Einheit der scheinbar gegeneinander Gleichgueltigen. Aber nein, sagt der apologetische Oekonomist. Weil die Einheit stattfindet, kann keine Krise stattfinden. Was wieder nichts heisst, als dass die Einheit Entgegengesetzter den Gegensatz ausschliesst.
Um nachzuweisen, dass die kapitalistische Produktion nicht zu allgemeinen Krisen fuehren kann, werden alle Bedingungen und Formbestimmungen, alle Prinzipien und differentiae specificae71, kurz, die kapitalistische Produktion selbst geleugnet, und wird in der Tat nachgewiesen, dass, wenn die kapitalistische Produktionsweise, statt eine spezifisch entwickelte, eigentuemliche Form der gesellschaftlichen Produktion zu sein, eine hinter ihren rohsten Anfaengen liegende Produktionsweise waere, die ihr eigentuemlichen Gegensaetze, Widersprueche und daher auch deren Eklat in den Krisen nicht existieren wuerden.
"Produkte", heisst es bei Ric(/ardo/) nach Say, "werden stets gekauft durch Produkte oder durch Dienste; Geld ist nur das Medium, wodurch der Austausch bewirkt wird."
Hier wird also erstens Ware, in der der Gegensatz von Tauschwert und Gebrauchswert existiert, in blosses Produkt (Gebrauchswert) und daher der Austausch von Waren in blossen Tauschhandel von Produkten, blossen Gebrauchswerten, verwandelt. Es wird nicht nur hinter die kapitalistische Produktion, sondern sogar hinter die blosse Warenproduktion zurueckgegangen, und das verwickeltste Phaenomen der kapitalistischen Produktion -- die Weltmarktkrise -- dadurch weggeleugnet, dass die erste Bedingung der kapitalistischen Produktion, naemlich dass das Produkt Ware sein, sich daher als Geld darstellen und den Prozess der Metamorphose durchmachen muss, weggeleugnet wird. Statt von Lohnarbeit zu sprechen, wird von "services" gesprochen, ein Wort, worin die spezifische Bestimmtheit der Lohnarbeit und ihres Gebrauchs -- naemlich den Wert der Waren, wogegen sie ausgetauscht wird, zu vergroessern, Surpluswert zu erzeugen -- wieder weggelassen wird und dadurch das spezifische Verhaeltnis, wodurch sich Geld und Ware in Kapital verwandeln. "Service" ist die Arbeit bloss als Gebrauchswert gefasst (eine Nebensache in der kapitalistischen Produktion), ganz wie in dem Wort "Produkt" das Wesen der Ware und der in ihr liegende Widerspruch unterdrueckt wird. Geld wird dann auch konsequent als blosser Vermittler des Produktenaustauschs gefasst, nicht als eine wesentliche und notwendige Existenzform der Ware, die sich als Tauschwert -- allgemeine gesellschaftliche Arbeit -- darstellen muss. Indem durch die Verwandlung der Ware in blossen Gebrauchswert (Produkt) das Wesen des //710/ Tauschwerts weggestrichen wird, kann ebenso leicht das Geld als eine wesentliche und im Prozess der Metamorphose gegen die urspruengliche Form der Ware selbstaendige Gestalt derselben geleugnet werden oder muss vielmehr geleugnet werden.
Hier werden also die Krisen dadurch wegraesoniert, dass die ersten Voraussetzungen der kapitalistischen Produktion, das Dasein des Produkts als Ware, die Verdopplung der Ware in Ware und Geld, die daraus hervorgehenden Momente der Trennung im Warenaustausch, endlich die Beziehung zwischen Geld oder Ware zur Lohnarbeit vergessen oder geleugnet werden.
Nicht besser sind uebrigens die Oekonomen (wie J. St. Mill z.B.), die die Krisen aus diesen einfachen, in der Metamorphose der Waren enthaltnen Moeglichkeiten der Krise -- wie der Trennung von Kauf und Verkauf -- erklaeren wollen. Diese Bestimmungen, die die Moeglichkeit der Krise erklaeren, erklaeren noch lange nicht ihre Wirklichkeit, noch nicht, warum die Phasen des Prozesses in solchen Konflikt treten, dass nur durch eine Krise, durch einen gewaltsamen Prozess, ihre innre Einheit sich geltend machen kann. Diese Trennung erscheint in der Krise; es ist die Elementarform derselben. Die Krise aus dieser ihrer Elementarform erklaeren heisst die Existenz der Krise dadurch erklaeren, dass man ihr Dasein in seiner abstraktesten Form ausspricht, also die Krise durch die Krise erklaeren.
"Kein Mann", sagt Ric(/ardo/)72, "produziert, ausser in der Absicht zu konsumieren oder zu verkaufen und er verkauft niemals, ausser mit der Absicht, irgendeine andre Ware zu kaufen, die unmittelbar nuetzlich fuer ihn sein mag oder zu kuenftiger Produktion beitragen mag. Indem er produziert, wird er also notwendig entweder der Konsument seiner eignen Gueter" (goods) "oder der Kaeufer und Konsument der Waren irgendeiner andren Person. Man kann nicht unterstellen, dass er fuer laengre Zeit nicht unterrichtet sein wird ueber die Waren, die er am vorteilhaftesten produzieren kann, um den von ihm verfolgten Zweck zu erreichen, naemlich den Besitz anderer Gueter, und daher ist es nicht wahrscheinlich, dass er fortwaehrend" (continually) "eine Ware produzieren wird, fuer die keine Nachfrage vorhanden ist." l.c. p. 339/340.
Es ist dies kindisches Geschwaetz eines Say, aber nicht Ric(/ardo/)s wuerdig. Zunaechst produziert kein Kapitalist, um sein Produkt zu konsumieren. Und wenn wir von der kapitalistischen Produktion sprechen, heisst es mit Recht: "Kein Mann produziert in der Absicht, sein Produkt zu konsumieren", selbst wenn er Teile seines Produkts wieder zur industriellen Konsumtion verwendet. Aber hier handelt es sich um die Privatkonsumtion. Vorhin wurde vergessen, dass das Produkt Ware ist. Jetzt wird sogar die gesellschaftliche Teilung der Arbeit vergessen. In Zustaenden, wo Maenner fuer sich selbst produzieren, gibt es in der Tat keine Krisen, aber auch keine kapitalistische Produktion. Wir haben auch nie gehoert, dass die Alten mit ihrer Sklavenproduktion jemals Krisen kannten, obgleich einzelne Produzenten, auch unter den Alten, bankrutt machten. Der erste Teil der Alternative ist Unsinn. Ebenso der zweite. Ein Mann, der produziert hat, hat nicht die Wahl, ob er verkaufen will oder nicht. Er muss verkaufen. In den Krisen tritt nun grade der Umstand ein, dass er nicht verkaufen kann oder nur unter dem Kostenpreis oder gar mit positivem Verlust verkaufen muss. Was nuetzt es ihm und uns also, dass er produziert hat, um zu verkaufen. Es handelt sich grade darum zu wissen, was diese seine gute Absicht durchkreuzt.
Ferner:
"Es verkauft niemand, ausser mit der Absicht, irgendeine andre Ware zu kaufen, die unmittelbar nuetzlich fuer ihn sein mag oder zu kuenftiger Produktion beitragen mag."
Welche gemuetliche Verkuendung der buergerlichen Verhaeltnisse! Ric(/ardo/) vergisst sogar, dass jemand verkaufen kann, um zu zahlen, und dass diese Zwangsverkaeufe eine sehr bedeutende Rolle in den Krisen spielen. Die naechste Absicht des Kapitalisten beim Verkaufen ist, seine Ware oder vielmehr sein Warenkapital wieder in Geldkapital zu verwandeln und seinen Gewinn damit zu realisieren. Der Konsum -- die Revenue -- ist dabei durchaus nicht Leitpunkt fuer diesen Prozess, was sie allerdings fuer den ist, der bloss Waren verkauft, um sie in Lebensmittel zu verwandeln. Dies ist aber nicht die kapitalistische Produktion, bei der die Revenue als Resultat, nicht als bestimmender Zweck erscheint. Es verkauft jedermann zunaechst, um zu verkaufen, d.h. um Ware in Geld zu verwandeln.
//711/ Waehrend der Krise mag der Mann sehr zufrieden sein, wenn er verkauft hat, ohne ans Kaufen zunaechst zu denken. Allerdings, soll der realisierte Wert nun wieder als Kapital wirken, so muss er den Prozess der Reproduktion durchmachen, also wieder gegen Arbeit und Waren sich austauschen. Aber die Krise ist grade der Moment der Stoerung und Unterbrechung des Reproduktionsprozesses. Und diese Stoerung kann nicht dadurch erklaert werden, dass sie in Zeiten, wo keine Krise herrscht, nicht stattfindet. Es unterliegt keinem Zweifel, dass niemand "will continually produce a commodity for which there is no demand73" (p. 339, 340), aber von so abgeschmackter Hypothese spricht auch niemand. Auch hat sie ueberhaupt nichts mit der Sache zu tun. "The possession of other goods"74 ist zunaechst nicht der Zweck der kapitalistischen Produktion, sondern die Appropriation of value, of money, of abstract wealth75.
Bei Ric(/ardo/) liegt hier auch der frueher von mir beleuchtete James Millsche Satz76 von dem "metaphysischen Gleichgewicht der Kaeufe und Verkaeufe" zugrunde -- ein Gleichgewicht, das nur die Einheit, aber nicht die Trennung in den Prozessen des Kaufs und Verkaufs sieht. Daher auch Ric(/ardo/)s Behauptung (nach James Mill):
"Es kann zuviel von einer bestimmten Ware produziert werden, von der dann ein solches Ueberangebot auf dem Markt vorhanden sein mag, dass das aufgewendete Kapital nicht zurueckerstattet wird. Das kann jedoch nicht in bezug auf alle Waren der Fall sein." (p. 341, 342.)
Das Geld ist nicht nur "the medium by which the exchange is effected"77 (p. 341), sondern zugleich the medium by which the exchange of produce with produce becomes dissolved into two acts, independent of each other, and distant from each other, in time and space78. Diese falsche Auffassung des Geldes beruht aber bei Ric(/ardo/) darauf, dass er ueberhaupt nur die quantitative Bestimmung des Tauschwerts im Auge hat, naemlich dass er = bestimmtem Quantum Arbeitszeit, dagegen die qualitative Bestimmung vergisst, dass die individuelle Arbeit nur durch ihre Entaeusserung (alienation) als abstrakt allgemeine gesellschaftliche Arbeit sich darstellen muss.**
Dass nur besondre, nicht alle Arten Waren "a glut in the market"79 bilden koennen, die Ueberproduktion daher immer nur partiell sein kann, ist ein armseliger Ausweg. Zunaechst, wenn bloss die Natur der Ware betrachtet wird, steht dem nichts entgegen, dass alle Waren im Ueberfluss auf dem Markt vorhanden sind und daher alle unter ihren Preis fallen. Es handelt sich hier eben nur um das Moment der Krise. Naemlich alle Waren, ausser dem Geld, (/koennen im Ueberfluss da sein/). Die Notwendigkeit existiert fuer die Ware, sich als Geld darzustellen, heisst nur: die Notwendigkeit existiert fuer alle Waren. Und so gut die Schwierigkeit fuer eine einzelne Ware existiert, diese Metamorphose durchzumachen, kann sie fuer alle existieren. Die allgemeine Natur der Metamorphose der Waren -- die das Auseinanderfallen von Kauf und Verkauf ebenso einschliesst wie ihre Einheit, statt die Moeglichkeit eines general glut80 auszuschliessen -- ist vielmehr die Moeglichkeit eines general glut.
Weiter liegt nun allerdings im Hintergrund des R(/icardo/)schen und aehnlichen Raesonnements nicht nur das Verhaeltnis von Kauf und Verkauf, sondern von Nachfrage und Zufuhr, das wir erst zu entwickeln haben bei Betrachtung der Konkurrenz der Kapitalien. Wie Mill sagt, ist Kauf Verkauf etc., so ist Nachfrage Zufuhr und Zufuhr Nachfrage, aber ebenso fallen sie auseinander und koennen sich gegeneinander verselbstaendigen. Die Zufuhr von allen Waren kann im gegebnen Augenblick groesser sein als die Nachfrage von allen Waren, indem die Nachfrage nach der allgemeinen Ware, dem Geld, dem Tauschwert, groesser ist als die Nachfrage nach allen besondren Waren oder indem das Moment, die Ware als Geld darzustellen, ihren Tauschwert zu realisieren, ueberwiegt ueber das Moment, die Ware in Gebrauchswert rueckzuverwandeln.
Wird das Verhaeltnis von Nachfrage und Zufuhr weiter und konkreter gefasst, so koemmt das von Produktion und Konsumtion hinein. Es muesste hier wieder die an sich seiende und sich eben in der Krise gewaltsam durchsetzende Einheit dieser beiden Momente festgehalten werden gegen die ebenso existierende und die buergerliche Produktion sogar charakterisierende Trennung und Gegensatz derselben.
Was den Gegensatz partieller und universeller Ueberproduktion angeht, soweit es sich naemlich bloss darum handelt, die erstere zu behaupten, um der letztren zu entfliehn, so ist darueber folgendes zu bemerken:
Erstens: Geht den Krisen meist eine allgemeine inflation of prices81 vorher in allen der kapitalistischen Produktion angehoerigen Artikeln. Sie nehmen daher alle an dem nachfolgenden crash teil und sind alle zu den Preisen, die sie vor dem crash82 hatten, overburdening the market83. Der Markt kann eine Warenmasse absorbieren zu fallenden, unter ihren Kostenpreisen gefallnen Preisen, die er zu ihren frueheren Marktpreisen nicht absorbieren koennte. Die Uebermasse der Waren ist immer relativ; d.h. Uebermasse bei gewissen Preisen. Die Preise, zu denen die Waren dann absorbiert werden, ruinierend fuer den Produzenten oder Kaufmann.
//712/ Zweitens:
Damit eine Krise (also auch die Ueberproduktion) allgemein sei, genuegt es, dass sie die leitenden Handelsartikel ergreife.