Geschrieben: September 1943
Übersetzung: Wolfram Klein
HTML : Maarten Vanheuverswyn
Der Konflikt zwischen der Sowjetunion und den alliierten Imperialisten verschärft sind. Die Kapitalisten erkennen, dass die Völker revoltieren werden wenn die Rote Armee die Grenze der Balkanstaaten erreicht, egal ob Stalin das will oder nicht. Daher versuchen die Alliierten, ihre Truppen vor der Roten Armee dahin zu kriegen. Sie haben zwar genügend Überlegenheit an Kriegsmaterialien, um eine zweite Front zu errichten, aber ihre Aufmerksamkeit ist darauf konzentriert, wo ihre Klasseninteressen gefährdet sind.
Die beispiellosen Siege der Roten Armee stellen einen Faktor von welterschütternder Bedeutung dar. Es kann mit den Siegen von Napoleon in den Kriegen gegen das feudale Europa verglichen werden. Die Erfolge der Roten Armee können nur verstanden werden, wenn man berücksichtigt, dass Russland mehr Territorium als jeder andere Kriegsteilnehmer verloren hat.
"Reynolds News" vom 30. August 1943 schreibt:
"Seine (Russlands) Verluste sind kolossal: eine Drittel seiner Bevölkerung weg; ein Drittel seines Eisenbahnnetzwerks und weit mehr als ein Drittel einer Kohle, Eisen und Stahl."
Aber trotz dieser schrecklichen Niederlagen und Leiden hat sich die Rote Armee wieder gesammelt, wie es keine andere Armee in der Welt angesichts solcher Niederlagen gekonnt hätte.
Einer der Faktoren, die zu dieser geänderten Stellung geführt haben, war natürlich, dass Stalin gezwungen war, die Nullen und Lakaien ohne militärische Verdienste, die er einzig wegen ihrer Ergebenheit ihm gegenüber an die Spitze der Armee gestellt hatte, zu entfernen. Timoschenko, Woroschilow und Budjonny wurde auf unwichtige Posten im Hinterland versetzt, während neue Generäle in den Vordergrund geschoben wurden – Rokossowski, Schukow, Malinowski und andere, und sie haben die Siege errungen. Aber letztlich können diese Siege nur auf die ungeheuren materiellen und psychologischen Vorteile durch die Oktoberrevolution zurückgeführt werden. Die verstaatlichte Wirtschaft hat nicht nur in Friedenszeiten, sondern auch auf dem Schlachtfeld trotz der bürokratischen Führung ihre Überlegenheit über den Kapitalismus gezeigt. Hier hat der Weltimperialismus völlig falsch kalkuliert. Hitler und die ganze Welt haben gedacht, dass Deutschland, besonders mit den Ressourcen der ganzen Welt zu seiner Verfügung, die Sowjetunion besiegen würde, wenn es auch harte Kämpfe erfordern würde.
Die herrschende Klasse Britanniens hat in ihrer Vorkriegsdiplomatie ständig manövriert, um sicherzustellen, dass Hitler die Sowjetunion angreifen solle und war überglücklich, als sich Hitler in dieses Abenteuer stürzte. Sie hofften, die Niederlage der Sowjetunion zu erreichen und gleichzeitig ihren deutschen Konkurrenten zu schwächen, so dass sie seine Macht ohne zu große Anstrengungen zerstören könnten. Das war das Programm, das Moore-Brabazon und seine amerikanischen Gegenstücke unvorsichtig ausplauderten.
Ein Artikel der russischen Zeitung "Krieg und die Arbeiterklasse", der jetzt offen die Differenzen enthüllt, die sich zwischen Russland und seinen Alliierten entwickelt haben, zeigt, dass die Imperialisten dieses Programm umzusetzen versuchten.
Die Siege der Sowjetunion haben Stalin gezwungen, etwas kühner zu werden und die Wahrheit auszuplaudern. Die "Times" vom 3. September bemerkt beim Kommentieren eines Artikels in "Krieg und die Arbeiterklasse":
"Ein amerikanischer Kommentator, sagt die Zeitung, war für einen langgezogenen Ermattungskrieg. Sie erklärt, das erinnere zu sehr an die 'Philosophie' jener, die nichts Schlechtes in diesem gigantischen Konflikt sahen, in dem nicht nur Deutschland erschöpft werde, sondern auch die Sowjetunion."
Aber trotz der Erschöpfung der Sowjetunion gingen die Kalkulationen der Imperialisten wieder nicht auf. Die sowjetischen Armeen rücken in einer Reihe brillanter Siege vor und stellen die Imperialisten vor neue Probleme. Die Sowjetunion jetzt anzugreifen wäre riskant wegen den Auswirkungen, die es unter den Massen in Britannien und Amerika hätte und wegen der komplizierten Stellung der Imperialisten in Europa und Asien. Fürs erste betrachten de Imperialisten das Vorhandensein der Sowjetunion weiterhin als unerledigte Aufgabe, der man sich in der Zukunft zuwendet. Im "Daily Worker" vom 7. September erschien als Notiz folgendes:
"Ein Freund, der in einer staatlichen Forschungseinrichtung arbeitet, in dem es eine Abteilung für die Forschung mit Metallen und ihrer Anwendung in der Produktion gibt, schreibt mir:
'Von Zeit zu Zeit kommen hohe Armeeoffiziere vorbei, um Fortschritte zu diskutieren und bestimmte Bereiche der Forschungsarbeit zu arrangieren. Kürzlich kamen wieder ein paar Armeeoffiziere und drängten, dass eine bestimmte Forschungsreihe durchgeführt werde die 10 bis 15 Jahre dauern würde.
Als darauf hingewiesen wurde, das das im gegenwärtigen Krieg nicht so viel nützen würde, sagte ein Armeeoffizier ziemlich ernsthaft: »Ihr wisst, wir müssen uns nach diesem Krieg um die Russen kümmern«.'"
Wie zu erwarten, kommentieren diese Abtrünnigen des Sozialismus das nicht und ziehen keine politischen Schlussfolgerungen. Aber es ist klar, dass die Imperialisten alarmiert und bestürzt die beispiellose Stärke sehen, die die Sowjetunion gezeigt hat. Wenn die Sowjetunion eine wirkliche revolutionäre Führung hätte, wäre die Stellung des Weltkapitalismus hoffnungslos. Der Vormarsch der Roten Armee würde den Weg für die sozialistische Revolution in Deutschland und Europa bereiten, und ihre Rückwirkungen würden in jedem Land auf dem Erdball gefühlt. Hier bietet der konterrevolutionäre Charakter des Stalinismus den Imperialisten unschätzbare Hilfe. Stalin hat Todesangst vor der sozialistischen Revolution in irgend einem Land, weil er die Folgen fürchtet, die das auf die russischen Massen hätte. Wenn die russischen ArbeiterInnen und BäuerInnen ein solches Vorbild hätten, würden sie schnell die Arbeiterdemokratie von Lenin und Trotzki wiederherstellen.
In der "Daily Mail" vom 14. Juli sagt ein Artikel:
"Es ist auch nicht nur vergeblich, sondern geradezu verderblich, sich die Vereinten Nationen als eine große glückliche Familie vorzustellen, die genau die selben Kriege für genau die selben Ziele führt."
Dieser Interessenkonflikt und grundlegende Gegensatz zur Sowjetunion diktiert die Politik der herrschenden Klasse in Britannien und Amerika. Dieser Gegensatz bestimmt die Strategie der Alliierten und bestätigt erneut den leninistischen Grundsatz, dass Krieg nur die Fortsetzung der Politik mit gewaltsamen Mitteln ist. Es ist offensichtlich, dass die Alliierten jetzt ein ausreichendes Übergewicht an Waffen gegenüber Deutschland haben, um, wenn auch mit großen Verlusten, eine zweite Front in Westeuropa zu errichten, wenn ihr Hautziel die Hilfe für den sowjetischen "Alliierten" wäre. Aber ihre Aufmerksamkeit ist anderswo konzentriert. Sie sorgen sich um die Interessenaufteilung in Osteuropa und auf dem Balkan. Sie schauen mit Sorge auf dieses Gebiet, während die russischen Armeen auf den Dnjepr vorrücken.
Die herrschende Klasse aller Länder erkennt, dass die Rote Armee unausweichlich einen Aufstand unter den Balkanvölkern hervorrufen muss, wenn sie die Grenze der Balkanstaaten erreicht, egal ob Stalin das wünscht oder nicht und trotz der Bemühungen der russischen Bürokratie, das zu verhindern. Daher ersehnen die "Alliierten", dass ihre Truppen dieses Gebiet vor denen der Roten Armee erreichen. Die reaktionären Gangster, die Ungarn, Rumänien und Bulgarien kontrollieren, warten nur auf eine passende Gelegenheit, um einen Darlan oder Badoglio [Faschistenführer in Französisch-Nordafrika und Italien, die auf die Seite des anglo-amerikanischen Imperialismus übergelaufen waren] zu machen, sich selbst in "Demokraten" zu verwandeln und ein Abkommen mit dem anglo-amerikanischen Imperialismus zu schließen. Sie würden das als Schutz gegen ihre eigenen Massen und gegen die Sowjetunion betrachten.
Aber die russische Bürokratie ersehnt zwar keine Revolution in Europa, sie ersehnt aber auch keine anglo-amerikanische Vorherrschaft in Osteuropa, die sich einfach in einen eisernen Ring um die Grenzen Russlands als Vorbereitung auf einen künftigen Zusammenstoß verwandeln müsste. Die stalinistische Bürokratie besteht darauf, dass Osteuropa eine sowjetische Einflusssphäre wird. Die neue herausragende Rolle, die der orthodoxen Kirche in Russland aus einem außenpolitischen Blickwinkel gegeben wird, soll nicht nur dem amerikanischen Imperialismus versichern, dass der Stalinismus jetzt völlig reaktionär ist, sondern dient auch als Mittel der Einflussnahme auf die reaktionären Elemente unter den slawischen Völkern in Osteuropa, während sie gleichzeitig der herrschenden Klasse in diesem Gebiet versichert, dass Stalin eine Vereinbarung mit ihnen herbeisehnt. Die russische Presse wiederholt ständig, dass sie keine Revolution ersehnen, und enthüllt genauso beharrlich, dass sie den westlichen Imperialismus in der Zukunft fürchten.
Stalin besteht darauf, dass die westlichen Imperialisten ihre Opposition gegen die Eigliederung der baltischen Staaten, der früheren polnischen Ukraine, Bessarabiens und der Bukowina � und der in Finnland erlangten Positionen � in die Sowjetunion aufgeben. Nicht nur das, sondern dass sie aufhören sollen, Komplotte und Programme zur Organisierung Osteuropas als anglo-amerikanischer Einflusssphäre zu schmieden, die direkt als Sprungbrett gegen die Sowjetunion gerichtet wäre.
In einer Periode, in der die sowjetischen Truppen hart bedrängt waren und es schien, dass die deutsche Armee erfolgreich nach Baku durchbrechen werde, appellierte die russische Regierung anscheinend an ihre Alliierten um militärische Unterstützung. Aber die Briten schlugen, statt solche Unterstützung zu gewähren, vor, ihre Truppen in der Ölregion von Baku und Tiflis zu stationieren.
So berichtet der "Daily Worker" die Lage in einem Zitat aus "Krieg und die Arbeiterklasse":
"Trotz der wiederholten Vorschläge von sowjetischer Seite, drückten die Alliierten zu keiner Zeit die Sehnsucht aus, ihre Truppen Seite an Seite mit unserer Armee und Luftwaffe an der sowjetisch-deutschen Front zu haben.
Letzten Herbst wurde ein Vorschlag gemacht, alliierte Luftwaffe in Baku und Tiflis zu stationieren, wo es keine Front gab und keine Schlachten gegen die Deutschen geschlagen werden konnten.
Ist es nicht klar, dass es besser gewesen wäre, sie etwas näher an der Front zu stationieren, wo sie in der Situation gewesen wären, unseren Truppen zu helfen?
"Ebenso", schloss der Artikel, "könnte ein Vorschlag, sowjetische Truppen aus dem Transkaukasus an die sowjetisch-deutsche Front zu verlegen, so dass nichtsowjetische Truppen in dieses Gebiet gebracht werden könnten, als Sehnsucht betrachtet werden, Seite an Seite mit der Roten Armee zu kämpfen?"
Daily Worker, 3. September
Die vorgeschlagenen Stationierung "alliierter" Truppen wurde nicht von den Notwendigkeiten der Hilfe für die Sowjetunion diktiert, sondern durch die Sehnsucht der britischen herrschenden Klasse, sich die reichen Ölgebiete Russlands für den Fall unter den Nagel zu reißen, dass Russland besiegt wird.
Der Zusammenstoß der Interessen, die geheimen Intrigen und Abkommen kommen mit der plötzlichen Ankündigung der polnischen Regierung in London wieder an die Oberfläche, dass "ihr" Gebiet, dass heißt die Gebiete, die sie 1920 brutal Russland weggenommen haben, unter der Herrschaft der polnischen Großgrundbesitzer und Kapitalisten bleiben müssen. Diese Erklärung muss nach vorheriger Zustimmung oder Absprache mit dem anglo-amerikanischen Imperialismus gemacht worden sein.
Es gibt auch den langgezogenen Aufenthalt von Mr. Churchill in Washington, in dem unaufhörliche militärische und politische Diskussionen stattgefunden haben. Die kapitalistische Presse hat offen erklärt, dass die Beziehungen zu Russland eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Thema auf der Konferenz war. Und es ist sehr offensichtlich, dass diese Frage in der kommenden Periode als die Schlüsselfrage in den Köpfen der Imperialisten Vorrang hat. Vor diesem Hintergrund hat die "Times" Auszüge aus der russischen Zeitung "Krieg und die Arbeiterklasse" gebracht, einem neuen inoffiziellen Organ, in dem die stalinistische Diplomatie ihre Ziele und Bestrebungen ausdrückt:
"Angriffe (in Amerika) auf Mr. Churchill, weil er 'das britische Kolonialreich nicht beendet' und auf die Sowjetunion, die 'Mitteleuropa bolschewisieren will', werden als Beispiele für unzeitgemäßen Utopismus angeführt."
Hinter kriechenden Angeboten der Zusammenarbeit und Ausdruck von "Begierde der Sowjetregierung auf Zusammenarbeit mit ihren Hauptverbündeten in der Nachkriegsära" steckt die Furcht vor den wirklichen Plänen der Imperialisten:
"Pläne für die Errichtung einer Osteuropäischen Föderation, die feindlich gegenüber der Sowjetunion ist, können entworfen werden, aber nur durch die Aufkündigung der notwendigen Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen der UdSSR und den Alliierten in der Nachkriegsperiode, nur wenn man die Aufkündigung des anglo-sowjetischen Vertrages erwägt.
Keines der Probleme der Nachkriegsorganisation kann oder darf ohne die direkte und aktive Beteiligung der Sowjetunion geregelt werden."
Die innere Reaktion in Russland, die Pläne des Weltimperialismus, sie alle zeigen, dass die Sowjetunion für den Sozialismus nicht allein durch die ruhmreichen Siege der Roten Armee gerettete werden kann. Es ist möglich, dass Stalin irgend ein Abkommen mit Roosevelt und Churchill zusammenschustert oder aus Verzweiflung ein Abkommen mit dem deutschen Imperialismus versucht, aber solche Abkommen können nicht lange halten. Der Hitler-Stalin-Pakt hielt nicht einmal zwei Jahre. Der anglo-russische Pakt steht schon auf der Kippe.
Weder die Sicherheit der Sowjetunion noch der Friede für den Rest der Welt können gesichert werden, wenn der Weltimperialismus weiter besteht. Nur der Sieg der sozialistischen Revolution in Europa kann die Sowjetunion für den Sozialismus retten und Frieden und Wohlstand für die gepeinigten Völker Europas und der Welt sichern.