Johann Most

 

Kapital und Arbeit

Die Teilung der Arbeit

Wird der volle Wert der Arbeitskraft gezahlt und nichts davon abgezwackt, wie die Kapitalisten stets tun, sooft es angeht, so bleibt, bei gegebener Größe des Arbeitstags, über den zum Ersatz dieses Werts verwandten Zeitabschnitt hinaus nur eine festbestimmte Stundenzahl übrig, worin Mehrwert produziert werden kann. Um unter solchen Umständen dennoch die Mehrarbeit, also den Mehrwert, zu vergrößern, muß die zur Erhaltung der Arbeitskraft notwendige Arbeitszeit verkürzt werden, was nur dadurch erreichbar ist, daß die Produktivität der Arbeit erhöht, der Arbeiter also befähigt wird, dieselbe Summe von Lebensmitteln in weniger Zeit zu erzeugen.

In solchen Geschäftszweigen, welche notwendige Lebensmittel oder auch zu deren Herstellung erforderliche Produktionsmittel erzeugen, vermindert die gesteigerte Produktivität der Arbeit nicht nur die Werte der gelieferten Artikel, sondern zugleich den Wert der Arbeitskraft, da dieser durch jene geregelt wird. In allen anderen Geschäftszweigen sinkt der Preis der Arbeitskraft, wenigstens relativ, d. h. verglichen mit dem Preis der durch sie erzeugten Waren, und zwar während des ganzen Zeitraums, den die Konkurrenz braucht, um diese Waren nach und nach auf ihren neuen, durch gesteigerte Produktivität der Arbeit erniedrigten Wert herabzusetzen. Es ist daher der unwiderstehliche Trieb und die beständige Tendenz des Kapitals, die Produktivkraft der Arbeit zu steigern, um die Ware und durch die Verwohlfeilerung der Ware den Arbeiter selbst zu verwohlfeilern.

(Um Irrungen vorzubeugen, schalte ich hier ein, daß man sich hiebei nicht an die Geldausdrücke zu halten hat. Es ist gegenwärtig fast jede Ware billiger als je, besonders die Ware Arbeitskraft, die Warenpreise aber erscheinen in Geld ausgedrückt, umgekehrt, so hoch wie noch nie. Erscheinen! Denn es ist dies eben nur Schein, weil der Wert des Geldes ebenfalls ungemein gesunken ist.)

Die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit innerhalb der kapitalistischen Produktion bezweckt den Teil des Arbeitstages, innerhalb welchem der Arbeiter für sich selbst arbeiten muß, zu verkürzen, um gerade dadurch den andern Teil des Arbeitstages, innerhalb welchem er für den Kapitalisten umsonst arbeiten kann, zu verlängern.

Wir gehen jetzt zur Betrachtung der besonderen Produktionsmethoden über, wodurch dies Resultat erreicht wird.

Eine solche Produktionsmethode ist zunächst die Kooperation. Sie setzt voraus, daß mehr oder minder beträchtliche Kapitalien bereits in den Händen industrieller Unternehmer vorhanden sind, und entwickelt sich von selbst aus der Beschäftigung vieler Lohnarbeiter durch einen Meister.

Die Produktivkraft der Zusammenarbeitenden wird durch die räumliche Konzentrierung und gleichzeitige Wirksamkeit ihrer Einzelkräfte gesteigert, und die Produktionsmittel werden billiger. (Eine Arbeitslokalität für 100 Arbeiter kostet bedeutend weniger als 50 Werkstätten für je 2 Arbeiter. Ebenso verhält es sich mit Lager- und sonstigen Räumen wie auch hinsichtlich verschiedener Werkzeuge.)

Die Kooperation überträgt dem Kapitalisten die Rolle des Dirigierens, die in seiner Hand einen despotischen Charakter annimmt, der um so entschiedener hervortritt, je großartiger die Kooperation zur Anwendung kommt.

Aus der einfachen Kooperation entspringt die Teilung der Arbeit innerhalb der Werkstatt, welche die Manufakturperiode kennzeichnet.

Entweder vereinigte man in einem Arbeitslokal Handwerker von verschiedenen Gewerben, z. B. Stellmacher, Schmiede, Schlosser, Sattler, Lackierer etc. etc., um ein Gesamtprodukt, sage eine Kutsche, zu machen. Die früher mannigfach ausgeführte Arbeitsart jedes dieser selbständigen Handwerke ward so schließlich in eine nur zur Kutschenmanufaktur gehörige Teilarbeit verwandelt. Oder man ließ viele Handwerker desselben Gewerbes, z. B. Nadelmacher, in demselben Arbeitslokal nebeneinander gleichzeitig ihre Arbeit verrichten, wobei dann bald einzelne Partien von Arbeitern nur noch einzelne Teile des betreffenden Produkts fertigten und „Hand in Hand“ gearbeitet ward. Diese Arbeitsmethode hat bekanntlich in einigen Produktionszweigen zu hundertfältigen Zerlegungen der Gesamtarbeit geführt und dadurch deren Produktivität großartig erhöht.

Bei solcher Arbeitsteilung wird nicht allein ungemein viel Zeit erspart, die sonst jeder Übergang von einer Teiloperation zu andern erheischte, sondern auch durch die fortwährende Gleichheit der Arbeit eine unglaubliche Gewandtheit und Geschwindigkeit des Arbeiters erzielt.

Ebenso führt eine derartige Produktionsmethode dahin, daß anstelle solcher Werkzeuge, die beim Handwerk zu verschiedenen Arbeiten benützt werden, solche treten, die nur zu ganz speziellen Verrichtungen dienen und deshalb weit tauglicher sind und die Arbeit erleichtern resp. deren Produktivität erhöhen. Zugleich wurden auf diesem Wege die materiellen Bedingungen der Maschinerie geschaffen, die aus einer Verbindung einfacher Instrumente besteht.

Da in der Manufaktur die verschiedenen Bestandteile einer Ware von ebenso vielen verschiedenen Sorten von Arbeitern angefertigt werden, jeder Teil aber nicht gleichviel Arbeit erheischt, so müssen natürlich zur Herstellung des einen Teiles mehr, zu der des anderen weniger Arbeiter verwendet werden. Je mehr Arbeiter in einem Geschäfte vereinigt sind, desto leichter kann in dieser Hinsicht das richtige Verhältnis getroffen werden. Dies ist einer der vielen Gründe für die möglichst großartige Konzentration des Kapitals.

Einige einfache Maschinen, namentlich für solche Verrichtungen, die große Kraftanstrengung erfordern, kommen bereits in der Manufakturperiode vor, wie z. B. in der Papierbereitung das Zermalmen der Lumpen in Papiermühlen, allein die spezifische Maschinerie der Manufakturperiode bleibt der aus vielen Teilarbeitern kombinierte Gesamtarbeiter.

Von den einzelnen Arbeitern haben da einige mehr Kraft, andere mehr Gewandtheit, noch andere mehr geistige Aufmerksamkeit zu entwickeln, Fähigkeiten, zu denen die einzelnen spezifisch ausgebildet werden. Der Gesamtarbeiter hingegen besitzt alle Eigenschaften, die zu den verschiedenen Teilarbeiten erforderlich sind, und führt jede derselben durch ein ausschließlich für sie bestimmtes Organ aus.

Bei allen Manufakturarbeitern sind die Kosten ihrer Ausbildung geringer als bei den Handwerkern. Sonach sinkt bei der Manufaktur dem Handwerk gegenüber der Wert der Arbeitskraft, und die Verwertung des Kapitals erhöht sich.

Der Vollständigkeit halber sei hier noch das Verhältnis zwischen der manufakturmäßigen und der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit angedeutet Im Hinblick auf die Arbeit selbst kann man die Einteilung der Produktion in Gattungen, wie Ackerbau, Industrie etc., als Teilung der Arbeit im allgemeinen, die Unterteilungen dieser Gattungen in die verschiedenen Geschäftszweige als Teilung der Arbeit im besonderen und die Arbeitsteilung innerhalb einer Werkstatt als Teilung der Arbeit im einzelnen bezeichnen. Die Grundlage aller entwickelten und durch Warenaustausch vermittelten Teilung der Arbeit ist die Scheidung von Stadt und Land.

Manufakturmäßige Teilung der Arbeit setzt das Vorhandensein einer schon entwickelten gesellschaftlichen Teilung der Arbeit voraus. Andererseits wird die gesellschaftliche Arbeitsteilung durch die manufakturmäßige weiterentwickelt.

Der Unterschied zwischen diesen beiden Arten von Arbeitsteilung besteht hauptsächlich darin, daß jeder selbständige Geschäftszweig Waren produziert, während die Teilarbeiter der Manufaktur keine Waren erzeugen; nur die Produkte ihrer gemeinsamen Arbeit verwandeln sich in Ware. Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit unterstellt die unbedingte Autorität des Kapitalisten über Menschen, die bloße Glieder eines ihm gehörigen Gesamtmechanismus bilden; die gesellschaftliche Teilung der Arbeit stellt unabhängige Warenproduzenten einander gegenüber, die keine andere Autorität anerkennen als die der Konkurrenz, den Zwang, den der Druck ihrer wechselseitigen Interessen auf sie ausübt. Es ist sehr charakteristisch, daß die begeistertsten Verteidiger des Fabriksystems nichts Ärgeres gegen die allgemeine Organisation der gesellschaftlichen Arbeit zu sagen wissen, als daß eine solche die ganze Gesellschaft in eine Fabrik verwandeln würde.

Unter den Zunftgesetzen, wo die Zahl der Gesellen, die ein Meister höchstens anstellen durfte, genau bestimmt war, wie auch die ganze Tätigkeit der einzelnen Zünfte, konnte eine manufakturmäßige Teilung der Arbeit nicht eintreten, diese ist vielmehr eine ganz spezifische Schöpfung der kapitalistischen Produktionsweise.

Je weiter sich die manufakturmäßige Teilung der Arbeit entwickelt, desto einseitiger muß sich auch die Arbeitskraft der einzelnen Arbeiter ausbilden, so daß dieselbe eigentlich erst produktiv wird, wenn sie der Kapitalist gekauft und an ihre bestimmte Stelle eingesetzt hat. Der einzelne Arbeiter wird unfähig, etwas zu erzeugen, und sinkt zum Zubehör der Werkstatt des Kapitalisten herab. Wie dem auserwählten Volke auf der Stirne geschrieben stand, daß es das Eigentum Jehovas, so drückt die Teilung der Arbeit dem Manufakturarbeiter einen Stempel auf, der ihn zum Eigentum des Kapitalisten brandmarkt. Ferner bewirkt diese Arbeitsmethode mehr oder weniger eine geistige oder körperliche Verkrüppelung der Arbeiter. Letztere zeigt sich in einer ganzen Reihe von Berufskrankheiten. Erstere in allgemeiner geistiger Schlaffheit, Energielosigkeit, ja selbst völliger Stupidität.

Die Manufaktur, deren technische Grundlage das Handwerksgeschick, wie auch immer vereinseitigt, bleibt, liefert aber selbst die Maschinen, vermittelst deren die Produktionsweise von Grund aus umgewälzt und die große Industrie geschaffen wird.

 


Zuletzt aktualisiert am 9.11.2008