Bismarck u. Lassalle: Briefwechsel

 

Lassalle an Zitelmann

(Abschrift von der Hand der Gräfin Hatzfeldt) [1]

 

Berlin, 9. Februar 1864.

Geehrter Herr!

Um Ihrem Wunsche entgegen zu kommen, sende ich Ihnen die ersten fünf Aushängebogen – das Vorwort fehlt noch – die ich soeben bekommen. bogen vierzehn ist schon gesetzt, gedruckt sind aber erst diese fünf. Dieser Tage werden, während das Werk, [das] siebzehn Bogen beträgt, gleichzeitig zu Ende gesetzt wird, die anderen Bogen alle auf einmal abgezogen. Sie werden somit wahrscheinlich fast alle anderen auf einmal erhalten. Da also dann nur noch drei Tage etwa zwischen der Übersendung der Aushängebogen an Sie und der buchhändlerischen Emittierung verfließen werden, so ist es jedenfalls sehr vorteilhaft, wenn Sie diese fünf Bogen gleich lebt zuvor lesen. So wenig es auch darauf ankäme, da die durch die Presse verübten Vergehen politische sind und ihre Verfolgung oder Nichtverfolgung also vor allem politische Frage ist, widrigenfalls auch das Anklagemonopol der Regierung gar keinen Sinn hätte, so werden Sie doch schon aus diesen ersten fünf Bogen den rein wissenschaftlichen Charakter des Werkes hinreichend ersehen. Tragweite, Bedeutung und Wirkung desselben wird sich Ihnen freilich erst aus dem Verfolg ergeben können. Denn ich bin schrittweise und terrassenförmig zu Werke gegangen> uni der Wirkung um so sicherer zu sein.

Aber trotz des rein wissenschaftlichen Charakters würde nichts das Werk – denn alle oder fast alle Polizisten, Staatsanwälte und Richter sind, oft sich selber unbewußt, leidenschaftliche Fortschrittler und das Werk löst in seinem Verlauf den ganzen Fortschrittsstandpunkt ex fundamento auf und zerbricht von innen heraus die Macht welche diese Leute noch über viele Volkskreise haben – so würde, sage ich, nichts das Werk gegen Beschlagnahme sichern, wenn es nicht ein positiver Befehl des Justizministers an den Staatsanwalt ist, unter keinen Umständen zu einer Verfolgung zu schreiten. Herr von B[ismarck] stellte mir, als wir im Oktober über die Beschlagnahme der Rheinischen Rede sprachen, sogar ein Zirkular an die Staatsanwälte der Monarchie zu Gebot, meine Schriften unverfolgt zu lassen, falls ich nicht fände, daß mir dies – denn natürlich würden davon Gerüchte ins Publikum dringen – in der Öffentlichkeit Schaden tun könne. Ich lehnte dies ab und bin auch jetzt nur einer mündlichen Einschärfung an den hiesigen Staatsanwalt bedürftig. Und zu dieser kann sich der Justizminister noch viel leichter verstehen, als zu dem mir von Herrn von B[ismarck] offerierten Zirkular.

Ich wiederhole also, daß ich diesmal auf die begehrte positive Ordre des Justizministers an den hiesigen Staatsanwalt bestehen muß. Überdies wird Ihnen der ganze Verlauf des Buches zeigen, daß Herr von Bismarck dabei seinerseits ebenso viel gewinnt wie meine Partei ihrerseits.

Mit besonderer Hochachtung [2]

 

Anmerkungen

1. Das Original liegt nicht vor. Die Interpunktion wurde dem Sinne nach vorgenommen, da die Gräfin Hatzfeldt keine Interpunktionszeichen setzte.

2. Die Abschrift trägt keine Unterschrift.

 


Zuletzt aktualisiert am 16.10.2004