MIA > Deutsch > Geschichte > International > Zweite Internationale > Protokoll des Ersten Kongresses
Den anderen Morgen – den 21. Juli – versügten sich die Delegirten nach dem Père Lachaise, wo die Communarden in der blutigen Maienwoche 1871 ihre letzte feste Position gehabt hatten, und wo die „heilige Schaar“, die dort kämpfte, auch den Tod gefunden hat. Der Riesenkranz, den die deutschen Delegirten am Sonntag auf das auf dem Friedhofe Père Lachaise befindliche Massengrab der 1871 gefallenen Communards niederlegten, bestand aus Immortellen; er hatte den Umfang eines großen Mühlrades und wurde abwechselnd von je 16 Mann getragen. Auf einer großen schwarzen Atlasschleife stand in goldenen Lettern die Inschrift. „Congrès international ouvrier socialiste de Paris 21. Juillet 1889 (Internationaler Arbeitercongreß von Paris, 21. Juli 1889.“) In einer langen Reihe von Ansprachen von Vertretern aller Nationen (u. A. Vaillant, Cipriani, Longuet, Liebknecht – letzterer deutsch und französisch) wurde das Andenken der „für die Sache des Proletariats Gefallenen“ gefeiert. Der Grundgedanke all’ dieser Reden war: „Die Kommune ist todt, es lebe die Kommune.“
Liebknecht hatte vorher am Grabe Ludwig Börne’s eine kurze Ansprache gehalten, in welcher er das Andenken „dieses Märtyrers der Freiheit und des Kosmopolitismus“ feierte. Alsdann wurde von den deutschen Delegirten ein prächtiger Kranz auf das Grab Börne’s —128— niedergelegt. Nachdem die Delegirten noch dag Grab Blanqui’s ausgesucht hatten, begab sich ein Theil derselben nach dem Friedhofe Montmartre. Hoffmann (Halle a. S.) legte hier im Namen der deutschen Socialdemokraten einen schönen großen Kranz aus das Grab Heinrich Heine’s nieder. Der Kranz trug auf einer weißen Atlasschleife mit goldenen Lettern die Inschrift: „Henri Heine les socialistes Allemandes, 21. Juillet 1889“ (Heinrich Heine die deutschen Socialisten, 21. Juli 1889.) Hoffmann wies auf die Verdienste hin, die sich Heine um die Sache des Proletariats erworben habe.
Auf dem am Sonntag Abend in der Rue St. Mandé abgehaltenen Verbrüderung Bankett toastete Vaillant (Paris) auf die „Neue Internationale“, Liebknecht (Deutschland) auf die Verbrüderung der Völker durch den Socialismus und auf die Vereinigten Staaten der Welt und Palmgreen (Dänemark) aus die unverbrüchliche Solidarität aller Proletarier, ein Delegirter auf Südfrankreich auf die hilfsbereite Brüderlichkeit der Arbeiter aller Länder, die sich bei den verunglückten Bergarbeitern in St. Etienne so herrlich bewährt habe.
Nachdem noch gemeinschaftlich die Marseillaise gesungen worden, begann der Tanz, der die Anwesenden in fröhlichster Stimmung bis in die späte Nacht beisammen hielt. Der Morgen des 22. Juli war längst angebrochen, als die Delegirten unter Hochrufen auf die Kommune und die Socialdemokratie den Heimweg antraten.
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Zuletzt aktualisiert am 26. Dezember 2022