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Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten zu Essen vom 15. bis 21. Sept. 1907, Berlin 1907, S. 249 f.
Clara Zetkin Zur Theorie und Taktik der kommunistischen Bewegung, Leipzig 1974, S. 2266ndash;227.
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[...] Die scharfe Betonung unserer grundsätzlichen Auffassung aber, das ist es, was wir in der Rede Noskes vermißt haben. Sie hat stark, allzu stark die nationale Solidarität betont. Sie hat dagegen mit keinem Worte ausgesprochen, daß es eine proletarische Klassenpartei gibt, die nicht vor den Grenzpfählen haltmacht. Wir wollen nichts verheimlichen, wir wollen keine Zweifel darüber lassen, daß zwischen unserem Patriotismus und dem Patriotismus der herrschenden Klassen nicht ein Unterschied des Grades, sondern ein Unterschied des Wesens besteht. Der Patriotismus der herrschenden Klassen ist konservativ, ist reaktionär; er hat nur ein Ziel: diesen Klassen das Vaterland als Domäne der Klassenausbeutung und Klassenherrschaft zu erhalten und diese Klassenausbeutung über die Landesgrenze hinaus auf das Proletariat anderer Länder auszudehnen. Der Patriotismus des Proletariats ist dagegen revolutionär. Er geht von der Auffassung aus, daß das Vaterland erst im Kampfe gegen den inneren Feind, die bürgerliche Klassenherrschaft, erobert werden, daß es umgewälzt werden muß, um ein Vaterland für alle zu sein. Schauen wir dem ins Gesicht, was die bürgerliche Auffassung Vaterland nennt. Es ist der moderne bürgerliche Nationalstaat. Wir verkennen absolut nicht die wichtige historische Bedeutung, welche der moderne Nationalstaat auch für die Führung des proletarischen Klassenkampfes hat. Wir wissen ganz gut, daß der moderne Nationalstaat der Boden ist, auf dem das Proletariat seinen Klassenkampf führen muß. Wir vergessen aber auch nicht, daß der gegenwärtige Nationalstaat der kapitalistische Klassenstaat ist, der seine Vorteile und Segnungen in erster Linie den ausbeutenden, herrschenden Klassen vorbehält. Das Proletariat partizipiert an den materiellen und kulturellen Segnungen des nationalen Staates nicht, wie es ihm zukommt, aber sicherlich in steigendem Maße. Nur dürfen wir dabei das eine nicht übersehen: Das Proletariat erobert Zoll für Zoll, Schritt für Schritt das Vaterland im proletarischen Klassenkampfe. Es empfängt die nationalen Segnungen nicht kraft der mystischen Natur des Vaterlandes selbst und dank der vaterländischen Gesinnung der herrschenden Klassen, die ihre nationale Verwandtschaft mit dem Bruder Arbeiter entdecken, wenn sie seiner bedürfen. Nein, in dem Kampfe für das Vaterland, für den proletarischen Patriotismus gelten die Worte des alten Hildebrandliedes: Mit dem Speer soll, muß das Proletariat die Gaben des Vaterlandes empfahen, Spitze gegen Spitze. Nur im Klassenkampfe allein wird ihm das Vaterland zuteil, das auch ihm teuer ist. Von dieser Auffassung durchdrungen, bewerten wir auch die internationalen Krisen ganz anders als die bürgerlichen Klassen. Wir können gar nicht so blindlings als selbstverständlich die Versicherung abgeben, daß wir für den bürgerlichen Nationalstaat, für die Interessen der ausbeutenden Klassen die Flinte auf den Buckel nehmen und was wir im Falle eines Krieges unternehmen werden. Was wir tun und lassen, wird von den vorliegenden geschichtlichen Verhältnissen abhängen müssen. Der wichtigste Faktor aber, der für uns dabei ausschlaggebend ist, das ist die Kraft, die Reife des klassenbewußten, organisierten Proletariats. Sie werden wir mit aller Energie zur Geltung bringen, nicht wie es den Interessen der herrschenden Klassen angenehm und nützlich ist, nein, lediglich wie es den proletarischen Klasseninteressen dient. [...]
Zuletzt aktualisiert am 19. Dezember 2023