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Dem Gottgläubigen ist das Wesentliche und Wichtigste an „Gott“ die menschenähnliche Persönlichkeit, menschenähnlich zwar nicht morphologisch (der Gestalt nach), aber psychologisch, in Denken, Fühlen, Wollen. Gott denkt, wünscht, befiehlt, liebt und haßt, zürnt und straft. Nur ein solcher Gott hat für ihn Wert als Lenker des Schicksals, der sich durch das Wohlverhalten der Menschen, Gebet, Gehorsam, Spenden, zu ihren Gunsten beeinflussen läßt. Kurz gesagt: der Gott der Gläubigen ist persönlicher Gott.
In der vulgären Gott-Vorstellung steckt aber noch anderes: Gott ist ewig (ohne Anfang und Ende) und allmächtig, der Schöpfer und Regent der Welt und alles was darin, der sie erhält und regiert, kurz: die Endursache der gesamten Erscheinungswelt.
Dieses ist aber auch in dem Begriff „Natur“ nach atheistischer Auffassung enthalten. Sie ist ewig, der Inbegriff aller Erscheinungen und Kräfte, die Gesamtheit des Seins, Werdens und Vergehens.
Ist aber in „Natur“ das Ewige noch mit dem Zeitlichen vermengt, so ist die spinozistische „Substanz“ die begrifflich einheitliche Zusammenfassung des Ewigen in allem Zeitlichen, des Unzerstörbaren in allem Wechsel der Erscheinung; es ist die Abstraktion des Urgrunds alles Existierenden, Urquells aller schaffenden Kräfte. Neuere Philosophen nennen dasselbe das „Absolute“ oder „Ding an sich“.
Diese für das philosophische Denken so wichtige Scheidung zwischen dem Ewigen und Vergänglichen, zwischen der im beständigen Fluß (das „panta rhei“, „Alles fließt“ Heraklits) befindlichen Weltsubstanz und ihren mannigfaltigsten Metamorphosen (Wandlungen), findet ihren schönsten poetischen Ausdruck im Faust:
In Lebensfluten, im Tatensturm |
Man sieht, auch der Dichter nennt das Ewigseiende mit seinen ewigen Kräften „Gottheit“ und die bunten Daseinsweisen, worin sich das Ewige darstellt, ihr Kleid.
Der Spinozismus also ist trotz häufiger Operation mit dem Begriff „Gott“ durchaus atheistisch, indem er alle Vorstellungen von Persönlichkeit von ihm ausschaltet. „Wenn wir philosophisch reden“, schreibt Spinoza an einen Freund (Briefwechsel, Reclam-Ausgabe, S. 122), „dürfen wir uns der Phrasen der Theologen nicht bedienen. Theologen, weil sie Gott wie einen vollkommenen Menschen vorstellen, paßt es zu sagen, Gott wünsche etwas, Gott empfinde Abscheu vor den Taten der Schlechten und Freude an denen der Rechtschaffenen. Die Philosophie dagegen läßt uns klar begreifen, daß wir solche Attribute Gott ebensowenig ernsthaft beilegen und zuschreiben dürfen, als dem Menschen, was den Elefanten vollkommen macht. Philosophisch geredet kann man daher nicht sagen, daß Gott von jemand etwas verlangt, auch nicht, daß ihm etwas zuwider oder angenehm sei. Das alles sind menschliche Attribute, die auf Gott nicht anwendbar sind.“ – Kann man da noch an dem atheistischen Charakter des Spinozismus zweifeln?
Zuletzt aktualisiert am 9.8.2008