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Ich besuchte den Kreml, unmittelbar nachdem er beschossen worden war, und überzeugte mich selbst von den Schäden. Der kleine Nikolaipalast, ein nicht besonders wichtiges Gebäude, in dem eine der Großfürstinnen hin und wieder einen Empfang abhielt, war von den Offiziersschülern als Kaserne benutzt worden. Er war nicht nur beschädigt, sondern ziemlich zusammengeschossen. Glücklicherweise war nichts daran von besonderem historischem Wert.
Die Uspenski-Kathedrale hatte ein Granatloch in einer der Kuppeln, aber außer ein paar Meter Mosaik an der Decke war alles andere unbeschädigt. Die Fresken in der Vorhalle der Blagoweschtschenski-Kathedrale wurden von einer Granate schwer beschädigt. Eine andere Granate traf eine Ecke des Iwan Weliki. Das Tschudowski-Kloster erhielt etwa dreißig Treffer, aber nur einer drang durch ein Fenster in das Innere, alle anderen zerbrachen nur Simse an den Fenstern und am Dach.
Die Uhr über dem Spasski-Tor wurde zerschmettert. Das Troizki-Tor wurde beschädigt, ist aber leicht zu reparieren. Einer der kleineren Türme hat sein Ziegeldach verloren.
Die Basilius-Kathedrale ist unberührt, desgleichen der große Zarenpalast mit den Schätzen aus Moskau und Petrograd im Keller und den Kronjuwelen in der Schatzkammer. Niemand ist hier eingedrungen.
Genossen!
... Ihr seid die jungen Herren des Landes, und obwohl ihr jetzt vieles zu bedenken und für vieles zu sorgen habt, werdet ihr auch eure Kunstwerke und euer wissenschaftliches Gut zu schützen wissen.
Genossen! über Moskau ist ein furchtbares, nicht wiedergutzumachendes Unheil hereingebrochen. Der Bürgerkrieg hat zur Beschießung vieler Stadtteile geführt. Feuersbrünste sind ausgebrochen. Es gab große Zerstörungen. Es ist unsagbar schwer, in solchen Tagen des rasenden, erbarmungslosen, vernichtenden Kriegs und der elementaren Zerstörung Kommissar für das Bildungswesen zu sein. In diesen schweren Tagen bietet nur die Hoffnung auf den Sieg des Sozialismus, der Quelle einer neuen, höheren Kultur, die uns für alles entschädigt, Tröstung. Doch auf mir liegt die Verantwortung für die Wahrung und den Schutz des künstlerischen Gutes des Volkes ...
Es ist nicht möglich, auf seinem Posten zu bleiben, wenn man ohnmächtig ist. Darum habe ich meinen Rücktritt eingereicht. [1]
Doch ich bitte euch flehentlich, Genossen, unterstützt mich, helft mir. Behütet für euch und eure Nachkommen die Schönheiten unseres Landes. Seid treue Wächter des Volksgutes.
Bald werden auch die unwissendsten Menschen, die durch die Unterdrückung solange in Finsternis gehalten wurden, aufgeklärt sein und verstehen, welche Quelle der Freude, der Kraft, der Weisheit die Kunstwerke sind.
Russisches werktätiges Volk, sei ein fürsorglicher, treusorgender Herr!
Bürger, alle, alle Bürger, hütet unseren gemeinsamen Reichtum!
16. (3.) November 1917
Der Volkskommissar für Bildungswesen
A. Lunatscharski
Kraft der mir vom Revolutionären Militärkomitee bei den Moskauer Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten übertragenen Vollmachten ordne ich an:
Der Bevollmächtigte Kommissar des Revolutionären Militärkomitees
S. Schewerdin-Maximenko
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1. A.W. Lunatscharski blieb auf seinem Posten als Volkskommissar.
2. Nach der Fotokopie eines Dokuments, das bei John Reed angeführt ist. Reed weist dabei darauf hin, daß auf Befehl des Moskauer Revolutionären Militärkomitees die der Bourgeoisie abgenommenen Vorräte gesammelt und an die ärmsten Arbeiter und Soldaten verteilt wurden.
Zuletzt aktualisiert am 15.7.2008