Ricardo geht aus von der Bestimmung of the relative values (oder exchangeable values) of commodities by "the quantity of labour"18. (Wir koennen am Schluss den verschiednen Sinn, worin R(/icardo/) value19 gebraucht, durchgehn. Darauf beruht die Kritik des Bailey, zugleich die Mangelhaftigkeit bei Ricardo.) Der Charakter dieser "labour"20 wird nicht weiter untersucht. Wenn zwei Waren Aequivalente sind -- oder in bestimmter Proportion Aquivalente sind oder, was dasselbe, ungleich gross sind je nach der //524/ Quantitaet "Arbeit", die sie enthalten -- so ist es aber auch klar, dass sie der Substanz nach, soweit sie Tauschwerte sind, gleich sind. Ihre Substanz ist Arbeit. Darum sind sie "Wert". Ihre Groesse ist verschieden, je nachdem sie mehr oder weniger von dieser Substanz enthalten. Die Gestalt nun -- die besondere Bestimmung der Arbeit als Tauschwert schaffend oder in Tauschwerten sich darstellend -- , den Charakter dieser Arbeit untersucht Ric(/ardo/) nicht. Er begreift daher nicht den Zusammenhang dieser Arbeitmit dem Geld oder, dass sie sich als Geld darstellen muss. Er begreift daher durchaus nicht den Zusammenhang zwischen der Bestimmung des Tauschwerts der Ware durch Arbeitszeit und der Notwendigkeit der Waren zur Geldbildung fortzugehn. Daher seine falsche Geldtheorie. Es handelt sich bei ihm von vornherein nur um die Wertgroesse. D.h., dass die Groessen der Warenwerte sich verhalten wie die Arbeitsquantitaeten, die zu ihrer Produktion erheischt sind. Davon geht Ric(/ardo/) aus. Er bezeichnet A. Smith ausdruecklich als seinen Ausgangspunkt (ch.I, sectio I).
Die Methode Ric(/ardo/)s besteht nun darin: Er geht aus von der Bestimmung der Wertgroesse der Ware durch die Arbeitszeit und untersucht dann, ob die uebrigen oekonomischen Verhaeltnisse, Kategorien, dieser Bestimmung des Wertes widersprechen oder wie weit sie dieselbe modifizieren. Man sieht auf den ersten Blick sowohl die historische Berechtigung dieser Verfahrungsart, ihre wissenschaftliche Notwendigkeit in der Geschichte der Oekonomie, aber zugleich auch ihre wissenschaftliche Unzulaenglichkeit, eine Unzulaenglichkeit, die sich nicht nur in der Darstellungsart (formell) zeigt, sondern zu irrigen Resultaten fuehrt, weil sie notwendige Mittelglieder ueberspringt und in unmittelbarer Weise die Kongruenz der oekonomischen Kategorien untereinander nachzuweisen sucht.
Historisch war diese Untersuchungsweise berechtigt und notwendig. Die politische Oekonomie hatte in A. Smith sich zu einer gewissen Totalitaet entwickelt, gewissermassen das Terrain, das sie umfasst, abgeschlossen, so dass Say sie in einem Schulbuch flach systematisch zusammenfassen konnte. Es kommen zwischen Smith und Ricardo nur noch Detailuntersuchungen vor ueber produktive und unproduktive Arbeit, Geldwesen, Populationstheorie, Grundeigentum und Steuern. Smith selbst bewegt sich mit grosser Naivitaet in einem fortwaehrenden Widerspruch. Auf der einen Seite verfolgt er den innren Zusammenhang der oekonomischen Kategorien oder den verborgnen Bau des buergerlichen oekonomischen Systems. Auf der andren stellt er daneben den Zusammenhang, wie er scheinbar in den Erscheinungen der Konkurrenz gegeben ist und sich also dem unwissenschaftlichen Beobachter darstellt, ganz ebensogut wie dem in dem Prozess der buergerlichen Produktion praktisch Befangenen und Interessierten. Diese beiden Auffassungsweisen -- wovon die eine in den innren Zusammenhang, sozusagen in die Physiologie des buergerlichen Systems eindringt, die andre nur beschreibt, katalogisiert, erzaehlt und unter schematisierende Begriffsbestimmungen bringt, was sich in dem Lebensprozess aeusserlich zeigt, so wie es sich zeigt und erscheint -- laufen bei Smith nicht nur unbefangen nebeneinander, sondern durcheinander und widersprechen sich fortwaehrend. Bei ihm ist dies gerechtfertigt (mit Ausnahme einzelner Detailuntersuchungen, (/wie/) von dem Geld), da sein Geschaeft in der Tat ein doppeltes war. Einerseits der Versuch, in die innre Physiologie der buergerlichen Gesellschaft einzudringen, anderseits aber zum Teil erst ihre aeusserlich erscheinenden Lebensformen zu beschreiben, ihren aeusserlich erscheinenden Zusammenhang darzustellen und zum Teil noch fuer diese Erscheinungen Nomenklatur zu finden und entsprechende Verstandesbegriffe, sie also zum Teil erst in der Sprache und (/im/) Denkprozess zu reproduzieren. Die eine Arbeit interessiert ihn so sehr wie die andre, und da beide unabhaengig voneinander vorgehn, kommt hier eine ganz widersprechende Vorstellungsweise heraus, die eine, die den innren Zusammenhang mehr oder minder richtig ausspricht, die andre, die mit derselben Berechtigung und ohne irgendein innres Verhaeltnis -- ohne allen Zusammenhang mit der andren Auffassungsweise -- den erscheinenden Zusammenhang ausspricht. Die Nachfolger A. Smiths21 nun, soweit sie nicht die Reaktion aelterer, ueberwundner Auffassungsweisen gegen ihn darstellen, koennen in ihren Detailuntersuchungen und Betrachtungen ungestoert fortgehn und stets A. Smith als ihre Unterlage betrachten, sei es nun, dass sie an den esoterischen oder exoterischen Teil seines Werks anknuepfen oder, was fast immer der Fall, beides durcheinander werfen. Ricardo aber tritt endlich dazwischen und ruft der Wissenschaft: Halt! zu. Die Grundlage, der Ausgangspunkt der Physiologie des buergerlichen Systems -- des Begreifens seines innren organischen Zusammenhangs und Lebensprozesses ist die Bestimmung des Werts durch die Arbeitszeit. Davon geht Ricardo aus und zwingt nun die Wissenschaft, ihren bisherigen Schlendrian zu verlassen und sich Rechenschaft darueber abzulegen, wieweit die uebrigen von ihr entwickelten, dargestellten Kategorien -- Produktions- und Verkehrsverhaeltnisse -- , Formen dieser Grundlage, dem Ausgangspunkt entsprechen oder widersprechen, wieweit ueberhaupt die bloss die Erscheinungsformen des Prozesses wiedergebende, reproduzierende Wissenschaft (also auch diese Erscheinungen selbst) der Grundlage entsprechen, auf der der innre Zusammenhang, die wirkliche Physiologie der buergerlichen Gesellschaft beruht oder die ihren Ausgangspunkt bildet, wie es sich ueberhaupt mit diesem Widerspruch zwischen der scheinbaren und wirklichen Bewegung des Systems verhaelt. Dies ist also die grosse //525/ historische Bedeutung Ricardos fuer die Wissenschaft, weswegen der fade Say, dem er den Boden unter den Fuessen weggezogen hatte, seinem Aerger Luft machte in der Phrase, que "sous pretexte de l'etendre" (la science), "on l'a poussee dans la vide"22.23 Mit diesem wissenschaftlichen Verdienst haengt eng zusammen, dass Ricardo den oekonomischen Gegensatz der Klassen -- wie ihn der innre Zusammenhang zeigt -- aufdeckt, ausspricht und daher in der Oekonomie der geschichtliche Kampf und Entwicklungsprozess in seiner Wurzel aufgefasst wird, entdeckt wird. Carey (sieh spaeter die Stelle) denunziert ihn daher als Vater des Kommunismus.
"Ricardos System ist ein System der Zwietracht ... es laeuft hinaus auf die Erzeugung der Feindschaft zwischen Klassen und Nationen ... Seine Schrift ist das wahre Handbuch des Demagogen, der die Macht anstrebt vermittelst der Landteilung, des Kriegs und der Pluenderung." (p.74, 75. H. (/C./) Carey, "The Past, the Present, and the Future", Philadelphia 1848.)
Ergibt sich so einerseits die wissenschaftliche Berechtigun und der grosse geschichtliche Wert der Ric(/ardo/)schen Untersuchungsweise, so liegt auf der Hand andrerseits die wissenschaftliche Mangelhaftigkeit seines Verfahrens, die sich durch das spaeter Folgende im einzelnen zeigen wird.
Daher auch die ausserordentlich sonderbare und notwendig verkehrte Architektonik seines Werks. Das ganze Werk besteht (in der dritten Ausgabe) aus 32 Kapiteln. Davon handeln 14 Kapitel ueber Steuern, enthalten also nur Anwendung der theoretischen Prinzipien.24 Das 20. Kapitel "Value and Riches, their Distinctive Properties" ist nichts als Untersuchung ueber den Unterschied von Gebrauchswert und Tauschwert, also eine Ergaenzung zum ersten Kapitel "On Value". Das 24. Kapitel "Doctrine of A. Smith concerning the Rent of Land", ebenso das 28. Kapitel "On the comparative value of gold, corn and labour etc." und das 32. Kapitel "Mr. Malthus's Opinions on Rent" sind blosse Ergaenzungen und zum Teil Verteidigung von Ricardos Grundrenttheorie, also blosser Anhang zu Kapitel II und III, die von der Rente handeln. Das 30. Kapitel "On the Influence of demand and supply on Prices" ist ein blosser Anhang zum 4. Kapitel "On natural and market price". Einen zweiten Anhang zu diesem Kapitel bildet das 19. Kapitel "On sudden changes in the channels of trade". Das 31. Kapitel "On Machinery" ist blosser Anhang zum 5. und 6. Kapitel "On Wages" und "On Profits". Das 7. Kapitel "On Foreign Trade" und das 25. "On Colonial Trade" sind blosse Anwendung -- wie die Kapitel ueber Steuern -- der frueher aufgestellten Prinzipien. Das 21. Kapitel "Effects of Accumulation on Profits and Interest" ist ein Anhang zu den Kapiteln ueber die Grundrente Profite und Arbeitslohn. Das 26. Kapitel "On Gross and Net Revenue" ist ein Anhang zu den Kapiteln ueber Arbeitslohn, Profite und Rente. Endlich das 27. Kapitel "On Currency and Banks" steht ganz isoliert in dem Werk und bloss weitere Ausfuehrung, z.T. Modifikation der in seinen fruehren Schriften ueber das Geld aufgestellten Ansichten.
Die Ricardosche Theorie ist also ausschliesslich enthalten in den ersten 6 Kapiteln des Werks. Wenn ich von dessen fehlerhafter Architektonik spreche, so geschieht es mit Bezug auf diesen Teil. Der andre Teil besteht aus Anwendungen, Erlaeuterungen und Zusaetzen (den Abschnitt ueber das Geld ausgenommen), die der Natur der Sache nach durcheinandergewuerfelt sind und keinen Anspruch auf Architektonik machen. Die fehlerhafte Architektonik in dem theoretischen Teil (den 6 ersten Kapiteln) ist aber nicht zufaellig, sondern gegeben durch die Untersuchungsweise Ricardos selbst und die bestimmte Aufgabe, die er seiner Forschung gestellt hatte. Sie drueckt das wissenschaftlich Ungenuegende dieser Untersuchungsweise selbst aus.
Ch. I handelt "On Value". Es zerfaellt wieder in 7 Sektionen. In der ersten Sektion wird eigentlich untersucht: Widerspricht der Arbeitslohn der Bestimmung der Warenwerte durch die in ihnen enthaltne Arbeitszeit? In der dritten Sektion wird nachgewiesen, dass das Eingehn von dem, was ich konstantes Kapital nenne, in den Wert der Ware der Wertbestimmung nicht widerspricht und dass Steigen oder Fallen des Arbeitslohns ebensowenig die Warenwerte affiziert. In der 4. Sektion wird untersucht, wieweit die Anwendung von Maschinerie und andrem fixen und dauerhaften Kapital, soweit es in verschiednen Produktionssphaeren in verschiednem Verhaeltnis in das Gesamtkapital eingeht, die Bestimmung der exchangeable values25 durch Arbeitszeit alteriert. In der 5. Sektion wird untersucht, wieweit Steigen oder Fallen der wages26 die Bestimmung der Werte durch Arbeitszeit modifiziert, wenn in verschiednen Produktionssphaeren Kapitale von ungleicher Dauerhaftigkeit und verschiedner Umschlagszeit angewandt werden. Man sieht also, in diesem ersten Kapitel sind nicht nur Waren unterstellt -- und weiter ist nichts zu unterstellen, wenn der Wert als solcher betrachtet wird --, sondern Arbeitslohn, Kapital, Profit, allgemeine Profitrate selbst, wie wir sehen werden, die verschiednen Formen des Kapitals, wie sie aus dem Zirkulationsprozess hervorgehn und ebenso der Unterschied von "natural and market price"27, welcher letztre sogar bei den folgenden Kapiteln, ch. II und III: "On Rent" und "On Rent of Mines", eine entscheidende Rolle spielt. Dies zweite Kapitel "On Rent" //526/ -- das dritte "On Rent of Mines" ist blosse Ergaenzung dazu -- wird dem Gang seiner Untersuchungsweise gemaess richtig wieder mit der Frage eroeffnet: Widerspricht das Grundeigentum und die Grundrente der Bestimmung der Warenwerte durch die Arbeitszeit?
"Es bleibt jedoch", so eroeffnet er das 2. Kapitel "On Rent", "zu ueberlegen, ob die Aneignung von Boden und die daraus folgende Entstehung von Rente im relativen Wert der Waren irgendeine Veraenderung verursachen wird, unabhaengig von der zu ihrer Produktion erforderlichen Quantitaet Arbeit." (p. 53. "Princ. of Pol. Ec.", 3dedit., Lond. 1821.)
Um nun diese Untersuchung zu fuehren, fuehrt er nicht nur en passant das Verhaeltnis von "market price" and "real price" (monetary expression of value28) ein, sondern unterstellt die ganze kapitalistische Produktion und seine ganze Auffassung von dem Verhaeltnis zwischen Arbeitslohn und Profit. Das 4. Kapitel "On Natural and Market price", das 5. "On Wages" und das 6. "On Profits" sind daher nicht nur unterstellt, sondern voellig entwickelt in den beiden ersten Kapiteln "On Value" und "On Rent" und ch. III als Appendix zu II. In den spaetren 3 Kapiteln werden nur hier und da, soweit sie theoretisch Neues bringen, Luecken ausgefuellt, naehere Bestimmungen nachgeholt, die meist von Rechts wegen schon in I und II ihren Platz finden muessten.
Das ganze Ricardosche Werk ist also enthalten in seinen ersten zwei Kapiteln. In diesen werden die entwickelten buergerlichen Produktionsverh auml;ltnisse, also auch die entwickelten Kategorien der politischen Oekonomie, konfrontiert mit ihrem Prinzip, der Wertbestimmung, und zur Rechenschaft gezogen, wieweit sie ihm direkt entsprechen oder wie es sich mit den scheinbaren Abweichungen verhaelt, die sie in das Wertverhaeltnis der Waren hereinbringen. Sie enthalten seine ganze Kritik der bisherigen politischen Oekonomie, das kategorische Abbrechen mit dem durchgehenden Widerspruch A. Smiths in der esoterischen und exoterischen Betrachtungsweise, und liefern durch diese Kritik zugleich einige ganz neue und ueberraschende Resultate. Daher der hohe theoretische Genuss, den diese zwei ersten Kapitel gewaehren, da sie in gedraengter Kuerze die Kritik des in die Breite ausgelaufenen und verlaufnen Alten geben und das ganze buergerliche System der Oekonomie als einem Grundgesetz unterworfen darstellen, aus der Zerstreuung und der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen die Quintessenz herauskonzentrierend. Aber diese theoretische Befriedigung, welche because of their originality29, Einheit der Grundanschauung, simpleness30, Konzentriertheit, Tiefe, Neuheit und comprehensiveness31 diese zwei ersten Kapital gewaehren, verliert sich notwendig im Fortgang des Werks. Auch hier werden wir stellenweis durch Originalitaet einzelner Entwicklungen gefesselt. Aber das Ganze erregt Abspannung und Langeweile. Der Fortgang ist keine Fortentwicklung mehr. Wo er nicht aus eintoeniger, formeller Anwendung derselben Prinzipien auf verschiednes, aeusserlich hereingeholtes Material besteht oder aus polemischer Geltendmachung dieser Prinzipien, wird nur entweder wiederholt oder nachgeholt, hoechstens, in den letzten Teilen, hier und da eine frappante Schlussfolgerung gezogen.
In der Kritik Ricardos muessen wir nun unterscheiden, was er selbst nicht unterschieden hat. (/Erstens/) seine Theorie des Mehrwerts, die natuerlich bei ihm existiert, obgleich er den Mehrwert nicht in seinem Unterschied von seinen besondren Formen, Profit, Rente, Zins fixiert. Zweitens seine Theorie des Profits. Wir werden mit der letztren beginnen, obgleich sie nicht in diesen Abschnitt, sondern in den historischen Anhang zum Abschnitt III gehoert.