(/12. Say ueber "immaterielle Produkte". Rechtfertigung eines unaufhaltsamen Anwachsens der unproduktiven Arbeit/)

Nach Garnier erschien des faden J.-B. Say, "Traite d'economie politique". Was er dem Smith vorwirft, dass er

"fuer die Resultate dieser Taetigkeiten den Namen von Produkten ablehnt. Er gibt der Arbeit, der sie sich widmen, den Namen unproduktiv" (3e ed., t. I, p. 117).

Smith leugnet durchaus nicht, dass ces industries334 ein "Resultat" produzieren, ein "produit" quelconque335. Er erwaehnt sogar ausdruecklich

"die Sicherheit, die Ruhe, den Schutz des Staates" als "Resultat der Jahresarbeit" (der serviteurs de l'etat336) (Smith, t. II, l. II, ch. III, p. 313 ed. G(/arnier/)).

Say seinerseits haelt sich an die Nebenbestimmung Smiths, dass diese "services" und ihr

"Produkt sich in der Regel in dem Moment verfluechtigen, in dem sie geleistet werden, in dem Moment, in dem sie produziert werden" (Smith l.c.).

Herr Say nennt diese konsumierten "services" oder deren ouvrages, resultats337 -- kurz ihren Gebrauchswert

"immaterielle Produkte oder Werte, die im Moment ihrer Produktion konsumiert werden". (/l.c. p. 116./)

Statt sie "improductifs"338 zu nennen, nennt er sie "productifs des produits immateriels"339. Er gibt einen andren Namen. Dann aber erklaert er weiter,

"dass sie nicht dazu dienen, das Kapital der Nation zu vermehren" (t. I, p. 119). "Eine Nation, in der man eine Menge Musiker, Priester, Beamte findet, kann sehr angenehm unterhalten, gut unterrichtet und ausgezeichnet verwaltet sein. Das waere aber auch alles. Ihr Kapital erhielte von der ganzen Arbeit dieser betriebsamen Laute keinen direkten Zuwachs, da ihre Produkte in dem Masse, wie sie geschaffen, konsumiert werden." (l.c. p. 119.)

Also Herr Say erklaert diese travaux fuer improductifs340 im borniertesten Sinn Smiths. Aber er will sich zugleich Garniers "Fortschritt" aneignen. Er erfindet also einen neuen Namen fuer die travaux improductifs. Dies ist seine Art Originalitaet, Produktivitaet und Manier der Entdeckung. Dabei, mit seiner gewoehnlichen Logik, hebt er sich selbst wieder auf. Er sagt:

"Es ist unmoeglich, mit der Ansicht des Herrn Garnier einverstanden zu sein, der aus dem, dass die Arbeit der Aerzte, Juristen und anderer derartiger Personen produktiv ist, den Schluss zieht, es sei fuer eine Nation ebenso vorteilhaft, sie zu vermehren wie jede andere Art Arbeit." (l.c. p. 120.)

Und warum nicht, wenn die eine Arbeit so produktiv ist wie die andre und die Vermehrung der produktiven Arbeit ueberhaupt "avantageux a une nation"341 ist? Warum ist es nicht ebenso vorteilhaft, diese Art Arbeit zu vermehren, wie jede andre? Weil -- antwortet Say mit seinem charakteristischen Tiefsinn --, weil es ueberhaupt nicht vorteilhaft ist, produktive Arbeit irgendeiner Art ueber das Beduerfnis dieser Arbeit hinaus zu vermehren. Aber dann hat ja Garnier recht. Dann ist es ebenso vorteilhaft -- d.h., ebenso unvorteilhaft --, die eine dieser Art Arbeiten wie die andre ueber ein gewisses Mass hinaus zu vermehren.

"Es verhaelt sich damit", faehrt Say fort, "wie mit der Handarbeit, die man auf ein Produkt ueber das Mass dessen anwenden wuerde, was zu seiner Herstellung noetig ist."

(Um einen Tisch zu machen, soll nicht mehr Tischlerarbeit verwandt werden, als zur Produktion des Tisches noetig ist. So zum Flicken eines kranken Koerpers nicht mehr, als noetig ist, um ihn herzustellen. Also lawyers342 und Aerzte sollen nur die noetige Arbeit zur Hervorbringung ihres produit immateriel343 anwenden.)

"Die produktive Arbeit, die immaterielle Produkte produziert, ist, wie jede andere Arbeit, nur solange produktiv, wie sie die Nuetzlichkeit und daher den Wert" (i.e. den Gebrauchswert, aber Say verwechselt die utilite344 mit dem Tauschwert) "eines Produkts vermehrt; darueber hinaus ist sie eine voellig unproduktive Arbeit." (l.c. p. 120.)

Die Logik Says also diese:

Es ist fuer die Nation nicht so nuetzlich, die "Produzenten des produits immateriels" zu vermehren, als die Produzenten materieller Produkte. Beweis: Es ist absolut unnuetz, die Produzenten irgendeines Produkts, sei es materiell oder immateriell, ueber den Bedarf hinaus zu vermehren. Also ist es nuetzlicher, die unnuetzen Produzenten materieller als die immaterieller Produkte zu vermehren. Es folgt in beiden Faellen nicht, dass es unnuetz, diese Produzenten zu vermehren, sondern nur die Produzenten eines bestimmten genre in ihrem respektiven genre.

Materielle Produkte koennen //400/ (/nach Say/) nie zuviel produziert werden, ebensowenig immaterielle. Aber variatio delectat345. Daher muss man verschiedne genres in beiden Faechern produzieren. Ausserdem lehrt ja Herr Say:

"Die Stockung im Absatz mancher Produkte ruehrt von der Seltenheit mancher anderen her." (/l.c. p. 438./)

Es koennen also nie zuviel Tische produziert werden, sondern hoechstens etwa zuwenig Schuesseln, um sie auf den Tisch zu stellen. Werden die Aerzte zuviel vermehrt, so liegt der Fehler nicht darin, dass ihre services im Ueberfluss vorhanden sind, sondern vielleicht, dass die services andrer Produzenten von immateriellen Produkten, z.B. Kurtisanen (sieh l.c. p. 123, wo die industrie des portefaix, des courtisanes346 etc, zusammengestellt wird und wo Say die Behauptung wagt, dass die "apprentissage" fuer une courtisane "se reduise a rien"347) zu wenig vorhanden sind.

Endlich neigt sich hiernach die Balance auf seiten der "unproduktiven Arbeiter". Man weiss genau, unter gegebnen Produktionsbedingungen, wieviel Arbeiter noetig sind, um einen Tisch zu machen, wie gross das Quantum einer bestimmten Art Arbeit sein muss, um ein bestimmtes Produkt hervorzubringen. Bei vielen "immateriellen Produkten" dies nicht der Fall. Das erheischte Arbeitsquantum, um ein bestimmtes Resultat zu erreichen, ebenso konjektural wie das Resultat selbst. Zwanzig Geistliche vereint bringen vielleicht die Bekehrung hervor, die einem misslingt; 6 Aerzte, die zusammen konsultieren, finden vielleicht das Heilungsmittel, das einer allein nicht findet. In einem Richterkollegium wird vielleicht mehr Gerechtigkeit produziert als von einem einzelnen, nur sich selbst kontrollierenden Richter. Die Masse der Soldaten, die erheischt ist, um das Land zu schuetzen, der Polizisten, um es in Ordnung zu halten, der Beamten, um es gut "zu regieren" usw., alle diese Dinge sind problematisch und werden z.B. sehr oft in englischen Parlamenten diskutiert; obgleich man in England sehr genau weiss, wieviel Spinnerarbeit noetig ist, um 1000 lbs. Twist zu spinnen. Andre "produktive" Arbeiter dieser Art schliessen in ihren Begriff ein, dass die Nuetzlichkeit, die sie hervorbringen, grade bloss von ihrer Zahl abhaengt, in ihrer Anzahl selbst besteht. Z.B. Lakaien, die Zeugen von dem Reichtum und der Vornehmheit ihrer masters348 sein sollen. Je groesser ihr Quantum, um so groesser der Effekt, den sie "produzieren" sollen. Es bleibt also bei Herrn Say dabei: "Improduktive Arbeiter" koennen nie genug vermehrt werden. /400//

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