MIA > Deutsch > Marxisten > Kautsky > Soz. d. Landwirtschaft
Die Landwirtschaft hat in vielen Punkten ihre eigenen, von denen der Industrie verschiedenen ökonomischen Gesetze. Das wird auch in der Uebergangswirtschaft zutage treten. Sie erzeugt den größten Teil ihres Rohmaterials selbst, Saatgut, Vieh, Dünger. Ihr wichtigster Arbeitsgegenstand ist gleichzeitig auch ihr wichtigstes Arbeitsmittel, die Erde. Diese wird weder im Arbeitsprozeß verbraucht, wie Rohstoffe, noch abgenutzt, wie Maschinen. Andererseits ist der kulturfähige, wie der in Kultur genommene Boden, nicht beliebig, in alten Kulturländern überhaupt nicht mehr nennenswert vermehrbar. Doch nimmt er auch selten ab. Der Krieg hat die Rohstoffe und Arbeitsmittel vieler Industrien auf ein Minimum reduziert, auch in Gegenden, die fern von den Kriegsschauplätzen lagen. Dagegen hat er selbst dort, wo er am verwüstendsten wirkte, in den Gebieten des Stellungskrieges, die Erdoberfläche nicht verringere. Er hat sie dort nur vielfach auf die Stufe des jungfräulichen Bodens zurückgebracht, der, so wie er ist, nicht in Anbau genommen werden kann, sondern erst wieder urbar gemacht werden muß. Solcher Boden ist nicht sofort Arbeitsmittel, wohl aber Arbeitsgegenstand. Er ist das Rohmaterial, aus dem Kulturboden zu schaffen ist.
Abgesehen aber von den umgewühlten Lokalitäten des Stellungskrieges hat die Ackerfläche auch auf den Kriegsschauplätzen nicht aufgehört, Kulturboden zu sein. Freilich, als Arbeitsmittel hat er sich überall verschlechtert und seine Produktivität hat abgenommen, denn er wurde wegen Mangels an Arbeitern, Geräten und Zugvieh schlechter bestellt und die Düngermassen nahmen ab, die ihm zugeführt wurden.
Durch alles das wurde jedoch die Arbeitsgelegenheit auf dem Lande nicht vermindert, eher vermehrt. Schon vor dem Kriege unterschied sich die Landwirtschaft von der Industrie dadurch, daß jene keine Arbeitslosigkeit kannte, vielmehr an Arbeitskräften Mangel litt. Dieser Unterschied wird nach dem Kriege in noch erhöhtem Maße wieder eintreten. Sie wird ebensoviel Arbeiter brauchen wie vorher. Sie hat aber viele verloren, die teils vor dem Feinde gefallen, teils Verwundungen oder Erkrankungen erlegen sind, teils so verstümmelt oder in ihrer Gesundheit geschwächt wurden, daß sie zur landwirtschaftlichen Arbeit untauglich wurden, die robuste Menschen erheischt, deren Sinne und Muskeln alle intakt sind.
Man könnte meinen, die Arbeitslosigkeit in den Städten werde viele ihrer Arbeiter wieder der Landwirtschaft zuführen, aber das ist nicht zu erwarten. Die Arbeiternot auf dem Lande rührt hauptsächlich daher, weil dort die Einförmigkeit des Daseins und die Abhängigkeit der Lebensführung auch außerhalb der Arbeitszeit in immer drückenderen Gegensatz zu den städtischen Lebensbedingungen gerät. Solange dieser Gegensatz nicht überwunden ist, wird auch weitgehende Arbeitslosigkeit in den Städten die Landflucht nicht in eine Flucht aus der Stadt umkehren, sondern höchstens die Abwanderung vom fiachen Lande zeitweise zum Stillstand bringen können. Ganz abgesehen davon, daß diejenigen kräftigen Leute in der Stadt, die zur Landwirtschaft taugen würden, am ehesten in der Stadt Arbeit finden. Die Alten und Schwachen, die die ersten Opfer der Arbeitslosigkeit sind, eignen sich nicht für die Landarbeit, namentlich dann nicht, wenn sie ihrer schon längere Zeit entwöhnt waren. Und wer nicht von Jugend auf landwirtschaftliche Arbeit betrieb, findet sich später überhaupt nicht mehr hinein.
Von den Städten hat also die Landwirtschaft keinen Zuzug zu erwarten. Darf sie auf das Ausland rechnen? Es gab Gebiete, namentlich in Ostund Südeuropa, vor dem Kriege, die einen Ueberschuß an ländlichen Arbeitskräften produzierten und dabei eine so langsame Entwicklung der Industrie aufwiesen, daß diese nicht imstande war, den ganzen Ueberschuß aufzusaugen. Ein erheblicher Teil davon zog in Länder, die an ländlichen Arbeitskräften Mangel litten, sei es, weil ihre Industrie stark wuchs, sei es, weil ihre Landwirtschaft sich rasch ausdehnte, wie in manchen Gebieten Amerikas. Zu den Ländern ersterer Art zählte Deutschland. Im Jahre 1912/13 wurden im Deutschen Reiche an 767.000 ausländische Wanderarbeiter Legitimationskarten ausgefertigt, darunter 421.000 für die Landwirtschaft. Von diesen ausländischen Wanderarbeitern kamen 317.000 aus Rußland, 281.000 aus Oesterreich.
Nach dem Kriege ist dieser Zuzug nicht mehr zu erwarten. Jene agrarischen Gebiete haben selbst große Menschenverluste erlitten und zunächst keinen Ueberschuß abzugeben. Es ist fraglich, ob sie je wieder einen solchen zur Wanderarbeit ins Ausland entsenden werden. Denn ihre politischen Verhältnisse haben sich im Kriege gründlich gewandelt, ihre industrielle Entwicklung dürfte im Frieden ein rasches Tempo einschlagen. Der Druck, der dort auf den arbeitenden Klassen in Stadt und Land lastete, ist gewichen, die Verhältnisse bei ihren Nachbarn dürften eher abschreckend wie anziehend auf sie wirken. Die deutsche Landwirtschaft hat weder auf polnische, noch auf sonstige Landarbeiter aus dem Osten zu rechnen. Sie muß sogar, wenn der benachbarte polnische Staat gedeiht, auf eine Massenabwanderung landloser Polen gefaßt sein, eine Lösung der preußischen Polenfrage, die unseren Hakatisten die unerwünschteste sein dürfte, obwohl sie ihrem Ideal der möglichsten Verminderung der polnisch redenden Elemente in Deutschland am nächsten käme.
Der Mangel an Arbeitskräften wird also in vielen Industriesiaaten eine große Gefahr für die Landwirtschaft und damit auch für die Bevölkerung überhaupt werden. Wohl wäre es lächerlich, irgendeinem der großen Arbeitszweige den Vorzug vor allen anderen zusprechen zu wollen. In der modernen Arbeitsteilung sind sie alle gleich wichtig, keiner zu entbehren. Aber manche können doch vorübergehend aussetzen, ohne daß wir gleich zugrunde gehen, andere nicht. Zu den Arbeitszweigen, die unter den gegebenen Produktionsverhältnissen nicht stillgesetzt werden können, ohne sofort das ganze menscliche Leben in ihr zu gefährden, gehört neben dem Kohlenbergbau und den Eisenbahnen die Landwirtschaft.
Das ist freilich anders zu verstehen, als die Agrarier meinen, die unter den Interessen der Landwirtschaft die ihres Grundbesitzes und ihrer Grundrente verstehen. Unentbehrlich ist die landwirtschaftliche Arbeit, nicht der landwirtschaftliche Besitz. Eine Form des Grundbesitzes, die die Arbeiter von der Landwirtschaft abstößt, ist für diese direkt verderblich, und das hohe Interesse der gesamten Gesellschaft an der landwirtschaftlichen Produktion gebietet nicht die Erhaltung, sondern die Abschaffung eines derartigen Grundbesitzes.
Das soll kein Plädoyer für Zerschlagung des großen Grundbesitzes in kleine Gütchen sein. Gewiß haften dem kleinen Grundbesitz nicht die Nachteile des großen an, vor allem nicht die der Lohnarbeit, die in der Landwirtschaft größere Hemmnisse der Produktivität der Produktionsmittel entwickelt, als in der Industrie. Aber der kleine Grundbesitz entwickelt andere, noch größere Hemmnisse der Produktivität der Produktionsmittel und verurteilt überdies seine Arbeitskräfte noch mehr zu Ueberarbeit und geistiger Verödung als der Großbetrieb. Er wirkt daher nicht minder abstoßend auf sie wie dieser.
Im Deutschen Reiche haben alle Staaten und Provinzen in der Zeit von 1895 bis 1907 einen nicht bloß relativen, sondern sogar absoluten Rückgang in der Zahl der Berufszugehörigen der Landwirtschaft zu verzeichnen, mit nur zwei größeren Ausnahmen: Südbayern, wo die Zahl der Berufszugehörigen von 1.201.496 auf 1.233.045, also um 31.549 stieg, – auch noch ein relativer Rückgang bei einer Zunahme der Gesamtbevölkerung des Gebietes um 318.649, und Posen, wo die landwirtschaftliche Bevölkerung 1895 1.053.351 Personen zählte und 1907 1.062.147, eine Zunahme um ganze 8.796 bei einer Zunahme der entsprechenden Gesamtbevölkerung um 190.760. Ein sehr mageres Ergebnis der mit Hunderten von Millionen geförderten Ansiedlungspolitik. Badens landwirtschaftliche Bevölkerung, 729.187, verminderte sich um 56.242, Württemberg verlor 51.155 von 933.576, Elsaß-Lothringen 47.917 von 616.074, Hessen 30.020, fast ein Zehntel seiner landwirtschaftlichen Bevölkerung von 371.919! So Gebiete überwiegenden Kleinbetriebes. Dagegen verlor von den Gebieten des Großbetriebes Pommern von 790.983 nur 27.678, Westpreußen 9.313 von 822.666, Mecklenburg-Schwerin 9.634 von 295.299, Ostpreußen allerdings 105.289 von 1.171.300, Brandenburg 76.900 von 962.789.
Es ist ganz unmöglich zu sagen, welche Betriebsart in der Landwirtschaft auf ihre Arbeitskräfte mehr abstoßend wirkt, der Großbetrieb oder der Kleinbetrieb. Und es will mich schier bedünken, daß in dieser Beziehung beide stinken.
Die künstliche Schaffung kleinbäuerlicher Stellen hilft nicht, der Landwirtschaft ihre Arbeitskräfte zu erhalten. Will man gar den Zug in die Stadt in einen Rückstrom auf das Land verwandeln, dann muß man schon zum Sozialismus greifen. Er allein vermag auf dem flachen Lande kulturelle und soziale Einrichtungen zu schaffen, die imstande sind, zusammen mit den sanitären und ästhetischen Vorzügen der innigeren Verbindung mit der Natur die Anziehungskraft der Stadt zu überwinden.
Aber wir handeln ja nicht von dem großen Thema des Ueberganges vom Kapitalismus zum Sozialismus, sondern von dem viel kleineren, doch einstweilen näherliegenden des Ueberganges vom Kriegszustand in den Friedenszustand auf kapitalistischer Grundlage.
Auf dieser Grundlage läßt sich verhältnismäßig wenig tun, um die Anziehungskraft des flachen Landes gegenüber der Stadt zu steigern. Immerhin noch weit mehr, als tatsächlich geschieht. Doch die meisten der Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Landbevölkerung erheischen Zeit, um zur Wirksamkeit zu kommen, fallen also nicht in das Bereich der kurzlebigen Uebergangswirtschaft.
Zum mindesten aber müßte man die gesetzlichen Bestimmungen beseitigen, durch die heute noch die ländlichen Arbeiter in bezug auf Koalitionsrecht, Kontraktbruch, Schutz vor Mißhandlungen schlechter gestellt sind als die industriellen. Die Beseitigung dieser Ueberbleibsel der feudalen Hörigkeit könnte und müßte sofort geschehen. Die Agrarier scheinen freilich eher Lust zu haben, die Fesseln dieser Hörigkeit noch stärker anzuspannen, gerade wegen des Arbeitermangels, den sie befürchten, wenn ihnen die Kriegsgefangenen fortziehen. Ihre ganze innere und äußere Politik beruht ja auf Methoden der Gewalt und des Zwanges. Daß sie damit den Antrieb der Landflucht nur verstärken, vermögen sie nicht einzusehen, wie sie überhaupt Argumente schwer einzusehen vermögen. Das einzige, wovor sie selbst Respekt haben und Respekt bei anderen voraussetzen, ist die Macht überlegener Gewalt.
Neben den gesetzlichen Fesseln, die dem Landarbeiter geringere Freiheit lassen als dem städtischen, wird ihm diese noch eingeengt durch das Wohnungswesen.
Gewiß, die Wohnungsverhältnisse der städtischen Arbeiterschaft sind auch alles andere eher als erfreulich. Auf diesem Gebiete treten die Verelendungstendenzen des Kapitalismus am krassesten zutage. Doch schlimmere Löcher als die Behausungen der ländlichen Arbeiter sind die der städtischen auch nicht. In einem aber zeigen die städtischen Arbeiterwohnungen einen ausgesprochenen Vorzug vor den ländlichen: Der Vermieter, mit dem der städtische Arbeiter zu tun hat, ist ein anderes Individuum als der Unternehmer, der ihn beschäftigt. Vermieter und Unternehmer sind in der Stadt ohne jeden gesellschaftlichen Zusammenhang, und die Zahl der Arbeiterwohnungen eine so große, daß es unmöglich ist, jeden Arbeiter in seiner Wohnung zu kontrollieren. Wie abhängig er auch in seiner Fabrik sein mag, sobald er sie verlassen hat, ist er ein relativ freier Mann.
Ganz anders der Landarbeiter. Er findet eine Wohnung nur entweder bei dem Unternehmer, der ihn beschäftigt, oder bei einem ihm nahestehenden Klassengenossen. Diese können jeden seiner Schritte auch außerhalb seines Arbeitsverhältnisses, seinen gesellschaftlichen Verkehr, seine Lektüre usw. überwachen. Keine Minute wird da der Arbeiter die Abhängigkeit von seinen Herren los.
Um ihr zu entgehen, trachtet mancher, so viel von seinem armseligen Lohn abzuknapsen, daß er schließlich eine elende Hütte sein Eigen nennen kann. Doch damit kommt er aus dem Regen in die Traufe, denn er verliert nun seine Freizügigkeit, die Möglichkeit, abzuwandern, um anderswo eine andere Arbeit zu suchen. Seine Abhängigkeit wird dadurch noch vermehrt.
Sie erheblich zu mildern, gibt es nur einen Weg: die Errichtung ausreichender Mietwohnungen für die Landarbeiter durch eine Gemeinschaft, die unabhängig von den Grundbesitzern ist, mit ihren Sympathien auf Seite der Landarbeiter steht; eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die mit öffentlichen Mitteln arbeitet und nach allgemeinem und gleichem sowie geheimem Wahlrecht gewählt ist und wirkliche Selbstverwaltungsbefugnisse besitzt. Entweder die Gemeinde – oder noch besser, da in dieser die Einflüsse der lokalen großen Grundbesitzer leicht überwiegen, der Kreis oder die Provinz –, aber freilich nicht die heutige Kreisoder Provinzialvertretung preußischer Art, sondern eine völlig demokratische.
In England hat man die Wichtigkeit der Wohnungsfürsorge für die Landarbeiter bereits anerkannt und sie zu einer der Aufgaben der Uebergangswirtschaft gemacht. Daneben sollen staatlich festgesetzte Minimallöhne die Anziehungskraft der Landarbeit erhöhen.
Für sich allein bedeuten Minimallöhne ebenso wie Preistaxen wenig. Es finden sich immer Mittel, sie zu umgehen, wenn das Spiel von Nachfrage und Angebot auf dem Arbeitsmarkt für die Arbeiter ungünstig ist. Staatlich vorgeschriebene Minimallöhne können sogar schädlich wirken, wenn sie in der Arbeiterschaft, für die sie gelten, das Gefühl der Sicherung hervorrufen und sie ihre gewerkschaftliche Organisation vernachlässigen lassen.
Dagegen können sie gute Erfolge erzielen bei einer Arbeiterschaft, die gewillt und imstande ist, sich eine bessere Position zu erkämpfen, aber noch des nötigen Selbstgefühls ermangelt. Da mag ein Minimallohn als moralische Unterstützung sehr günstig wirken und die gewerkschaftliche Organisation fördern, als Mittel, die Durchführung des Minimallohns zu überwachen und zu erzwingen,
Alle diese Maßregeln zugunsten der Landarbeiter fordern wir
natürlich nicht als vorübergehende, sondern als dauernde.
Sie sollen nicht bloß für die Zeit der
Uebergangswirtschaft gelten. Sie werden aber doppelt notwendig in
dieser Zeit, nicht bloß im besonderen proletarischen, sondern
auch im allgemeinen Interesse, weil da die größte
Produktivität der Landwirtschaft noch wichtiger ist als sonst.
Diese Produktivität erheischt zahlreiche, leistungsfähige
und willige Arbeitskräfte. Zwangsarbeit ist die unproduktivste
Arbeit.
Was immer man aber für die Landarbeiter tun mag, innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise wird es nicht ausreichend sein, die Landflucht in eine Stadtflucht zu wandeln. Es wird den Mangel an Landarbeitern vermindern, man darf jedoch nicht damit rechnen, daß es ihn beseitigt.
Um so notwendiger wird die vermehrte Anwendung der Maschine in der Landwirtschaft. Man braucht nicht zu fürchten, daß die Arbeiter dadurch geschädigt werden. Die Maschine wirkt in der Landwirtschaft ganz anders als in der Industrie. In letzterer degradiert sie oft den Arbeiter, ermöglicht sie die Ersetzung qualifizierter Arbeiter durch ungelernte, männlicher Erwachsener durch Frauen und Kinder, vieler Arbeiter durch eine geringe Anzahl. Ganz anders in der Landwirtschaft. In der Industrie ist die Maschine an einen Platz gebannt, den sie nicht verläßt; sie ist dort tagaus, tagein tätig, derselbe Arbeiter hat stets dieselbe Maschine zu bedienen. Die Arbeiter sind auf einem Flecke konzentriert und leicht zu überwachen. Die landwirtschaftlichen Maschinen dagegen wirken, soweit sie Feldarbeit verrichten, in beständiger Ortsveränderung auf wechselndem Gelände; sie werden nur zeitweise angewandt von Arbeitern, die noch zahlreiche andere Hantierungen daneben zu verrichten haben. Die Arbeiter verrichten ihre Arbeiten, auf weiten Flächen zerstreut, in kleinen Gruppen oder jeder für sich allein. Ihre Ueberwachung ist schwierig. Nur intelligente, geübte Arbeiter vermögen die Maschinen in der Landwirtschaft zweckmäßig anzuwenden. Wenn die Maschine in der Industrie die Zahl der Arbeitskräfte vermehrt, die im Arbeitsprozeß anwendbar sind, so scheitert die Anwendung der Maschine in der Landwirtschaft oft vielmehr daran, daß sie nicht genug Arbeiter vorfindet, die imstande sind, sie anzuwenden, da die bisherigen Lebens- und Arbeitsbedingungen auf dem flachen Lande bei den Arbeitera Intelligenz und Sorgsamkeit schwer aufkommen lassen. Vermehrung der Maschinen in der Landwirtschaft bedeutet nicht Verdrängung qualifizierter, reifer Arbeitskräfte durch unqualifizierte, unreife, sondern zwingt vielmehr die Landwirte, auf die Hebung der Intelligenz und der Sorgsamkeit ihrer Arbeiter bedacht zu sein, diese also nicht herabzudrücken, sondern zu heben.
Dabei bewirkt die Maschine in der Landwirtschaft in der Regel geringere Arbeitsersparnis als in der Industrie, schon deshalb, weil sie meist nicht ständig, sondern nur für gewisse, vorübergehende Gelegenheiten, Pflügen, Säen, Ernten, Dreschen in Verwendung kommt. Ein Produkt des Mangels an Arbeitskräften daher am massenhaftesten in Verwendung gekommen in den Vereinigten Staaten, hat sie noch nirgends diesen Mangel in einen Ueberfluß verwandelt, sondern nur bewirkt, daß die vorhandenen Arbeitskräfte wirksamer angewandt werden konnten, die landwirtschaftliche Arbeit intensiver betrieben wurde.
Zur Illustrierung der Wirkungen der Maschine auf die Arbeiterverhältnisse in der Landwirtschaft mögen folgende Daten dienen, die einer Untersuchung des amerikanischen Arbeitskommissars (commissioner of labor) über Handund Maschinenarbeit entnommen sind. Zur Bearbeitung eines Acres Weizenbodens (Pflügen, Säen, Eggen) waren 1829 drei Tagelöhner beschäftigt, deren jeder 50 Cents (2 Mark) Tagelohn erhielt. Bei Anwendung des Dampf pfluges wurden 1895 für die gleiche Fläche auch drei Arbeiter beschäftigt, ein Maschinist, ein Heizer, ein Kutscher. Der Lohn eines Tagelöhners war inzwischen auf 1 Dollar 50 Cents (6 Mark) gestiegen, doch der Lohn jedes der drei beim Dampfpflug tätigen Arbeiter stand noch höher. Der Maschinist bekam 4 Dollars (16 Mark), der Heizer 2,50 Dollars (10 Mark), der Kutscher 2 Dollars (8 Mark). Trotzdem war die Maschinenarbeit billiger, weil sie sich viel rascher vollzog. Bei der Handarbeit brauchte der Pflüger 6 Stunden 40 Minuten, der Säemann 1 Stunde 25 Minuten, der Egger 2 Stunden 50 Minuten. Dagegen verrichtete die Maschine alle diese Arbeiten zusammen in einer Viertelstunde.
Ein weiterer Vorteil mancher landwirtschaftlichen Maschine ist, nebenbei gesagt, der, daß sie nicht bloß menschliche Arbeit spart, sondern auch Material. So geht beim Handsäen viel Saatgut verloren. Die Drillmaschine erzielt bessere Resultate mit weniger Saatgetreide. Ebenso kann durch die Düngerstreumaschine die Zufuhr des Düngers genau geregelt werden, so daß nicht mehr Dünger verbraucht wird, als notwendig ist, und die Pflanzen gerade jene Menge erhalten, die sie brauchen.
Die Anwendung von Maschinen in der Landwirtschaft zu fördern, wird eine wichtige Aufgabe der Uebergangswirtschaft sein.
Doch nicht bloß der Mangel an Arbeitern und Material wird dies notwendig machen, sondern ebensosehr der Mangel an Zugvieh, das bisher als bewegende Kraft im Ackerbau die größte Rolle spielte. Der Ackerbau im heutigen Sinne des Wortes datiert erst von der Zeit, als das Rind vor den Pflug gespannt wurde. Spät gesellt sich zum Rind das Pferd als Zugtier der Landwirtschaft. Lange hat das Pferd nur den Zwecken des Krieges, der Jagd und des Luxus gedient. Im Kriege ist es heute noch unentbehrlich. Die Bedeutung und Stärke der Kavallerie ist relativ freilich sehr zurückgegangen, im Verhältnis zu der Gesamtzahl des Heeres, aber absolut hat sie an Zahl nicht abgenommen. Im Jahre 1880 betrug in der deutschen Armee die Zahl der Dienstpferde der Kavallerie 63.000, 1914 (nach dem Friedensvoranschlag) dagegen 81.000. Erheblich vermehrt wurde die Artillerie, damit auch ihr Pferdebestand. Er belief sich 1880 auf 15.000 Pferde, 1914 dagegen nach dem Friedensvoranschlag auf 61.000. Endlich ist auch der Train sehr vermehrt worden. Wohl werden durch Automobile und Feldeisenbahnen viele seiner Aufgaben erfüllt, die ehedem dem Pferdegespann zufielen. Aber die Aufgaben des Transportwesens sind so enorm gewachsen, daß die Anzahl der Pferde beim Train doch bedeutend zugenommen hat. Im Jahre 1880 zählte man bloß 2.500 Pferde beim Train des deutschen Heeres, 1914 dagegen 8.000. Die gesamte Zahl der Armeepferde des Friedensstandes ist von 1880 bis 1914 von 80.000 auf 160.000 gestiegen, sie hat sich gerade verdoppelt.
„Alles in allem ist die Zahl der bespannten Fahrzeuge, einschließlich der Geschütze, bei einem deutschen Armeekorps heute ungefähr doppelt so groß, wie die eines an Infanterie und Kavallerie ebenso starken preußischen Armeekorps im Kriege 1866 war.“ (W. v. Blume, Strategie, Berlin 1912, S. 97)
Das galt im Frieden.
Im Kriege wächst mit der Armee natürlich auch die Menge ihres Pferdematerials. Wenn die deutsche Armee 1880 80.000 Pferde im Dienst hatte, so wurde ihr Pferdebestand im August 1870 auf 250.000 berechnet. Man kann danach ermessen, welche Pferdemengen der jetzige Krieg in Anspruch nimmt.
Wie die angewandte Pferdemenge wird auch der Verlust an Pferden bei der langen Dauer des Krieges und dem Futtermangel bei jeder der kriegführenden Mächte ungeheuer groß sein. Der „siebentägige Krieg“ von 1866 kostete die preußische Armee 4.500 tote Soldaten, die auf dem Schlachtfelde fielen oder ihren Verwundungen erlagen, und 6.500 Pferde, die verloren gingen. Verglichen mit dem jetzigen, erscheint dieser Krieg geradezu idyllisch. Kein Wunder, daß er bei seiner Kürze und seinen großen Erfolgen mehr fröhliche als düstere Nachwirkungen zurückließ.
Wenn in dem jetzigen Kriege die Pferdeverluste zu den Menschenverlusten in einem ähnlichen Verhältnis stehen sollten wie 1866, muß man auf eine ungeheure Verringerung des Reichtums an Pferden gefaßt sein.
Gleichzeitig wird das Rindvieh an Zahl zurückgegangen sein, da der Welthandel unterbunden ist, so daß die Industriestaaten von außen weder die Futterstoffe, noch die Fleischmengen bekommen, die sie im Frieden bezogen, und daher gezwungen sind, mehr Rindvieh zu schlachten, als dem normalen Zuwachs entspricht. Man spart dadurch an Futter für das Vieh und schafft vermehrte Nahrung für die Menschen – aber auf Kosten der Zukunft. Der Viehbestand wird verringert.
Nach dem Kriege wird also die Landwirtschaft viel ärmer an Zugtieren sein wie vor ihm. Allerdings reicher, als sie während des Krieges war. Die Demobilisierung wird viele Pferde frei machen, aber längst nicht so viele, als an das Heer abgegeben wurden.
Mehr als jeder andere Erwerbszweig verwendet die Landwirtschaft Pferde. Im Jahre 1917 zählte man im Deutschen Reich 4.345.000 Pferde, davon in der Landwirtschaft 3.491.000. Soll die Landwirtschaft so schnell wie möglich wieder ihre alte Produktivkraft gewinnen, müssen ihr an Stelle der tierischen Zugkräfte möglichst viele mechanische Motoren geliefert werden. Die moderne Technik ist so weit, die tierische Zugkraft durch mechanische in der Landwirtschaft völlig zu ersetzen, und Motoren sind schneller gebaut, als Pferde und Rinder großgezogen.
Noch von einem anderen Gesichtspunkt aus ist die größtmögliche Ersetzung des Zugtieres durch den Motor in der Landwirtschaft wie im Transportgewerbe wünschbar.
Frachtraumnot und andere Umstände drohen die Zufuhr von Lebensmitteln nach dem Kriege sehr einzuengen. Deren Hauptmasse wird überall zunächst so nahe wie möglieb von den Konsumenten, also im eigenen Lande gewonnen werden müssen. Jedoch die Produktivität der Landwirtschaft wird gemindert sein. Sollen die Menschen mehr Lebensmittel für sich aus der gleichen Bodenfläche bei gleichem oder gar gemindertem Bodenertrag ziehen können, müssen sie trachten, die Kulturfläche zu vermehren, die dem Anbau solcher Lebensmittel gewidmet wird, was bei gleichbleibender Bodenfläche nur möglich ist durch Verminderung des anderen Zwecken dienenden Areals. Zu diesen anderen Zwecken gehört der Anbau von Handelspflanzen, vornehmlich Rohmaterialien, und von Viehfutter.
Der Anbau von Handelspflanzen wird sich nicht einschränken lassen, er wird vielmehr ebenfalls nach Ausdehnung streben, weil die Zufuhr von Rohmaterialien aus dem Auslande zunächst ebenso wie die von Lebensmitteln gehemmt sein wird. Auch da wird es gelten, den Ausfall möglichst im eigenen Lande zu decken.
So bleibt nur die Einschränkung der dem Anbau von Viehfutter gewidmeten Fläche übrig. Die der Erhaltung des Fleisch- und Milchviehes dienende Fläche darf aber ebenfalls nicht verringert werden. Die Verminderung des Zugviehes, seine Ersetzung durch Motoren, bietet die einzige Möglichkeit, die Leistungen der Landwirtschaft für die Ernährung und industrielle Beschäftigung der Menschen rasch zu steigern, auch wenn die Produktivität der landwirtschaftlichen Arbeit nicht wächst.
Es handelt sich dabei um sehr erhebliche Bodenflächen, Im Deutschen Reich waren 1913 bebaut mit Brotgetreide:
Roggen |
6.414.000 Hektar |
Weizen |
1.974.000 Hektar |
Zusammen |
8.388.000 Hektar |
Dagegen mit Viehfutter:
Hafer |
4.438.000 Hektar |
Wiesenheu |
5.924.000 Hektar |
Zusammen |
10.362.000 Hektar |
Ein erheblicher Teil der dem Viehfutter gewidmeten Bodenfläche könnte dem Anbau von Nahrungsmitteln für Menschen entweder direkt oder indirekt durch Verfütterung der Produkte an Fleischund Milchvieh, statt an Zugvieh zugeführt werden, wenn in Landwirtschaft und Transportwesen die tierische Zugkraft durch mechanische ersetzt würde. Der jetzige Krieg bietet dazu den stärksten Anstoß, er macht diese Umwandlung geradezu unerläßlich.
Die technischen Bedingungen dafür sind gegeben. Die Landwirtschaft vermag sich der Dampfkraft wie der Verbrennungsmotoren, der Elektrizität, die in Zentralen erzeugt wird, sowie der Wasserkraft und der Windkraft zu bedienen. Letztere wird noch viel zu wenig beachtet.
„Uneingeschränkt und bei weitem mehr, als man
für gewöhnlich denkt, kann die Windkraft in der
Landwirtschaft vorteilhaft ausgenutzt werden: zum Schrotund
Häkseischneiden, zur Entund Bewässerung
landwirtschaftlicher Grundstücke usw., vor allem zur
Wasserversorgung der Güter und ländlicher Ortschaften. Es
ist eine alte Erfahrung, daß die hygienischen Verhältnisse
auf dem Lande durch die GruppenWasserversorgung erheblich verbessert
werden ... Die Milchergiebigkeit hat immer ganz erheblich zugenommen,
wenn die Wasserversorgung unabhängig von menschlicher und
tierischer Arbeitsleistung der mechanischen Arbeit überlassen
worden ist. Auch Elektrizität ... kann durch Wind erzeugt werden
... Die Elektrizitätsversorgung durch Windkraft stellt sich in
der Regel billiger als der Anschluß an eine Ueberlandzentrale.“
(Dr. W. Busselberg, Die Technik in der Landwirtschaft, Technik
und Wirtschaft, Oktober 1917)
Natürlich kommt es nicht bloß darauf an, daß der Landwirtschaft so viel Maschinen und Motoren als nur möglich zugeführt werden, sondern auch darauf, daß jede Maschine, jeder Motor volle Ausnutzung findet. Und da kommen wir wieder zu der alten Frage: Kleinbetrieb oder Großbetrieb?
Diese ist jedoch nur eine ökonomische Streitfrage, keine technische. Man kann streiten vom Standpunkte des Profits, welche Betriebsform die rentablere sei. Merkwürdigerweise wird dieser Gesichtspunkt nicht nur von den bürgerlichen, für die er wohl begreiflich ist, sondern auch von den sozialdemokratischen Verfechtern des Kleinbetriebs eingenommen. Und doch sollte für uns der Standpunkt der Arbeit der entscheidende sein; sollte die Frage für uns die sein, welche Betriebsform bei gleichem Arbeitsaufwand das größere Produkt liefert. Die Antwort auf diese Frage ist aber nicht zweifelhaft. Der Großbetrieb ist darin dem Kleinbetrieb entschieden überlegen, namentlich im Feldbau, in dem die meisten landwirtschaftlichen Maschinen zur Anwendung kommen; weniger in der Viehhaltung, dem Gemüsebau, der Obstzucht, obgleich auch hier die größere Beherrschung der Wissenschaft, die größere Arbeitsteilung, die Ersparnisse an Bauten und Wegen und ähnliches dem Großbetrieb die Möglichkeit technischer Ueberlegenheit bieten.
Ein Verfechter des Kleinbetriebs, Professor Sering, gibt in seiner Schrift über Die Verteilung des Grundbesitzes und die Abwanderung vom Lande (Berlin 1910, S. 32) zu:
„Man wendet ein, die Bauernkolonisation bedeutet einen technischen Rückschritt, sie führt zur Arbeitsverschwendung. Es ist in der Tat wohl anzunehmen, daß der Großbetrieb auf den Kopf des Personals größere Rohstoffmengen dem Boden abzugewinnen pflegt. Ballod hat berechnet, daß in den Jahren 1904 bis 1908 auf 100 landwirtschaftliche Erwerbstätige in Westdeutschland, also in bäuerlichen Gegenden, 274 Tonnen Getreide geerntet wurden, in Mitteldeutschland 438 Tonnen, in Pommern 499, in den beiden Mecklenburg 573 Tonnen. Aehnlich verhält es sich mit der Kartoffelernte: Auf 100 landwirtschaftliche Erwerbstätige gewann man in Westdeutschland 436 Tonnen, in Mitteldeutschland 590 Tonnen, in den beiden Mecklenburg 666 Tonnen, in Pommern 944 Tonnen.“
Die Ueberlegenheit des Großbetriebs erscheint geringer, wenn man nicht von der Arbeit ausgeht, sondern vom Besitz, von der Bodenfläche, da der Kleinbetrieb weit mehr Arbeitskräfte auf die gleiche Bodenfläche verwendet, als der Großbetrieb. Man zählte im Deutschen Reich 1907 in den landwirtschaftlichen Betrieben:
Größenklasse |
Auf 100 Hektar landwirtschaftl. benutzter |
---|---|
unter 0,5 Hektar |
560,2 |
0,5 bis 2 Hektar |
170,5 |
2 bis 5 Hektar |
88,2 |
5 bis 20 Hektar |
44,1 |
20 bis 100 Hektar |
22,2 |
über 100 Hektar |
17,5 |
darunter über 200 Hektar |
16,9 |
Wir können absehen von den Betrieben unter 2 Hektar. Diese sind überwiegend Nebenbetriebe, ihre Arbeitskräfte widmen nur einen Teil ihrer Zeit der Landwirtschaft. Aber auch, wenn wir nur die Betriebe mit mehr als 2 Hektar in Betracht ziehen, finden wir ebenfalls, daß die kleineren auf gleicher Fläche weit mehr Arbeitskräfte aufwenden wie die großen, die kleinsten fünfmal soviel wie die größten.
Trotzdem produzieren die kleinsten nicht mehr Getreide auf der gleichen Bodengröße, sondern eher weniger. Bei der Vergleichung der Ernteerträge verschiedener Gegenden muß man natürlich in Betracht ziehen, daß die Bodenfruchtbarkeit nicht überall dieselbe ist. Das erschwert die Vergleichung der Ernteerträge. Je nach der Auswahl der Gegenden kar man dann eine Ueberlegenheit des Kleinbetriebs oder Großbetriebs konstatieren. So hob der Verfechter des Kleinbetrieb der jüngst verstorbene A. Schulz, 1911 in einer Polemik gegen mich hervor, daß die sechs östlichen Provinzen Preußens im Durchschnitt des Jahrzehnts 1899/1908 nur 15 Doppelzentner Roggen pro Hektar ernteten, dagegen die kleinbäuerlichen Gegenden viel mehr, so Rheinland 18, Hessen und das linksrheinische Bayern 19, Braunschweig 20. Ich konnte ihm aber zeigen, daß sich das Bild ändert, wenn rm:n andere Gegenden in Vergleich setzt. Ich stellte ihm folgende Tabelle entgegen.
|
Von 100 Hektar landwirtschaftlich |
Roggenertrag |
---|---|---|
Gegenden mit stärkstem Großbetrieb: |
||
Mecklenburg-Strelitz |
60,0 |
15,8 |
Mecklenburg-Schwerin |
59,7 |
17,0 |
Anhalt |
38,2 |
18,0 |
Gegenden mit schwächstem Großbetrieb: |
||
Württemberg |
1,7 |
13,9 |
Bayern |
2,2 |
15,7 |
Oldenburg |
2,8 |
15,5 |
Man sieht, auch nach der Fläche berechnet liefert der Kleinbetrieb nicht mehr Ertrag. Er liefert weit weniger pro Arbeitskraft. Nur der Großbetrieb liefert einen erheblichen Ueberschuß an Getreide über den Konsum seiner Arbeitskräfte hinaus. Der Kleinbetrieb muß so viel mehr Arbeit aufwenden, um das gleiche Resultat zu erreichen, wie der Großbetrieb, weil er die Maschinen nur unvollkommen ausnutzen kann. Dies im Verein mit der Armut und Unwissenheit des Bauern bildet das große Hindernis der Maschinenarbeit in der Landwirtschaft.
Trotzdem eine Reihe von Maschinen auch dem Kleinbetriebe zugänglich sind, ist er in ihrer Anwendung weit zurückgeblieben.
Man zählte 1907:
Größenklasse |
Betriebe überhaupt |
Betriebe, welche |
Von je 1.000 Betrieben |
---|---|---|---|
unter 0,5 Hektar |
2.084.060 |
18.466 |
9 |
0,5 bis 2 Hektar |
1.294.449 |
114.986 |
89 |
2 bis 5 Hektar |
1.006.277 |
325.665 |
324 |
5 bis 20 Hektar |
1.065.539 |
772.536 |
725 |
20 bis 100 Hektar |
262.191 |
243.365 |
928 |
100 Hektar und darüber |
23.566 |
22.957 |
974 |
darunter 200 Hektar und darüber |
12.887 |
12.652 |
982 |
So gering die Zahl der Großbetriebe ist, der Fläche nach spielen sie für die Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Die nicht ganz 23.000 Großbetriebe über 100 Hektar umfaßten über 7 Millionen Hektar, die mehr als 4 Millionen kleinster Betriebe (unter 5 Hektar) dagegen nur 5 Millionen Hektar.
Je kleiner der Betrieb, desto weniger Maschinen wendet er an. Und wie langsam ist die Zunahme dieser Anwendung im Kleinbetrieb! Man kann die Gesamtzahlen von 1907 nicht mit denen von 1895 vergleichen, weil früher nicht so viele Maschinengattungen gezählt wurden wie das letztemal. Wir geben die vergleichenden Zahlen für drei wichtige Maschinenarten, in denen der Kleinbetrieb auffallend weit zurück ist. Es benutzten unter 1.000 landwirtschaftlichen Betrieben jeder Größenklasse:
Größenklasse |
Dampfpflüge |
Mähmaschinen |
Dampfdreschmaschinen |
|||
---|---|---|---|---|---|---|
|
1895 |
1907 |
1895 |
1907 |
1895 |
1907 |
unter 0,5 Hektar |
– |
– |
– |
– |
3 |
5 |
0,5 bis 2 Hektar |
– |
– |
– |
1 |
21 |
47 |
2 bis 5 Hektar |
– |
– |
1 |
7 |
52 |
127 |
5 bis 20 Hektar |
– |
– |
7 |
129 |
109 |
191 |
20 bis 100 Hektar |
1 |
1 |
69 |
519 |
166 |
263 |
über 100 Hektar |
53 |
108 |
318 |
824 |
612 |
741 |
darunter über 200 Hektar |
75 |
164 |
344 |
849 |
736 |
832 |
Diese Zahlen bezeugen deutlich, welches Hindernis für die Einführung der Maschine in den Landbau der Kleinbetrieb bedeutet. Es wäre daher ganz verkehrt, wenn die Uebergangswirtschaft versuchen würde, wie es schon die Friedenswirtschaft getan, den Kleinbetrieb in der Landwirtschaft künstlich zu fördern, Hunderte von Millionen zur Zerschlagung großer Güter und Schaffung kleiner Bauernstellen zu verausgaben, zu Zwecken der sogenannten „inneren Kolonisation“. Das heißt jetzt, in Zeiten der Not, nicht nur Geld verschwenden, sondern es zur Verminderung der Produktivität der Landarbeit verausgaben, also direkt zu einem schädlichen Zweck verwenden.
Hierher gehören auch manche Experimente, die man mit den Kriegsinvaliden anstellen will, den „Kriegsbeschädigten“, wie das Kriegsdeutsch sie nennt, um der Gefahr zu entgehen, einen Ausdruck des internationalen – oder zwischenvolklichen? – Wortschatzes anzuwenden. Ich weiß nicht, ob man auch die „Invalidenversicherung“ künftig in „Beschädigtenversicherung“ umtaufen will.
Es wurde der Wunsch ausgesprochen, die Ansiedlung der Kriegsinvaliden auf Zwerggütchen zu begünstigen. Den Invaliden wie der Produktivität der Landwirtschaft würde dadurch kein Dienst erwiesen. Denn, wie schon bemerkt, sie erheischt einen robusten, vollkräftigen Körper. Sie kann auch einem Invaliden sehr heilsam sein als Nebenbeschäftigung, wenn er eine auskömmliche Rente bezieht und daneben noch zu ihrer Aufbesserung etwas Gartenarbeit, Obstbau und Geflügelzucht treibt. Aber einen Invaliden ausschließlich auf die Landarbeit als Erwerbsquelle anzuweisen, legt ihm zu harte Fron auf, und hunderttausend kleiner Gütchen schaffen, auf denen die Landarbeit nur mit halber Kraft geleistet wird, hieße die Produktivität der Landwirtschaft arg herabdrücken.
In der Praxis liefe das Experiment darauf hinaus, daß der Invalide gedrängt würde, Weib und Kind aufs äußerste im Landbau anzuspannen, daß die Last seiner Erhaltung seiner Familie aufgehalst wird.
Bisher schon überwogen im ländlichen Kleinbetrieb die weiblichen Arbeitskräfte. Von je 1000 beschäftigten Personen waren 1907:
Größenklasse |
|
---|---|
unter 0,5 Hektar |
741 weibliche Personen |
0,5 bis 2 Hektar |
657 weibliche Personen |
2 bis 5 Hektar |
543 weibliche Personen |
5 bis 20 Hektar |
494 weibliche Personen |
20 bis 100 Hektar |
449 weibliche Personen |
über 100 Hektar |
412 weibliche Personen |
darunter über 200 Hektar |
405 weibliche Personen |
Je größer der Betrieb, desto mehr überwiegen die männlichen Arbeiter. In den Kleinbetrieben sind dagegen die weiblichen Arbeitskräfte in der Ueberzahl, am meisten in jenen Betrieben, die nicht nur der Bodenfläche, sondern auch der Personenzahl nach zu den kleinen gehören. Das sind jene, die ständig nur eine Person beschäftigen. Ueber diese finden wir folgende Zahlen in der Statistik von 1907.
Größenklasse |
Zahl der Betriebe |
Von je 1.000 Personen |
---|---|---|
Unter 0,5 Hektar |
1.060.700 |
860 |
0,5 bis 2 |
492.565 |
877 |
2 „5 |
93.154 |
752 |
5 „20 |
14 227 |
410 |
Anderthalb Millionen landwirtschaftlicher Zwergbetriebe (unter 2 Hektar) beruhen also fast ausschließlich auf der Arbeit der Frauen, die 86 bis 88 Prozent ihrer Arbeitskräfte ausmachen. Die Männer dieser Frauen sind natürlich nicht untätig. Sie verrichten Lohnarbeit, zum nicht geringen Teil industrieller Art. Von den Inhabern der Kleinbetriebe bis 5 Hektar waren Unselbständige in der
Größenklasse |
Landwirtschaft |
Industrie |
im Verkehr |
---|---|---|---|
Unter 0,5 Hektar |
367.024 |
752.278 |
104.011 |
0,5 bis 2 Hektar |
160.099 |
305.102 |
32.454 |
2 bis 5 Hektar |
17.169 |
65.004 |
8.286 |
Zusammen |
544.292 |
1.122.384 |
141.751 |
Nebenbei gesagt, nimmt die Zahl der Kleinbetriebe in der Landwirtschaft nur zu dank der nebenberuflichen Tätigkeit der Industriearbeiter in ihr. Die Zahl der Inhaber oder Leiter landwirtschaftlicher Betriebe, die in ihrem Hauptberuf Landwirtschaft betreiben, hat von 1895 bis 1907 um 245.125 abgenommen, darunter 74.710 Selbständige. Dagegen ist die Zahl der Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe, die in der Industrie, beziehungsweise dem Verkehr als Unselbständige tätig waren, in dem genannten Zeitraum um 337.046 und 44.096 gewachsen, zusammen um 381.142.
Will man die Invaliden aufs Land versetzen, nicht damit sie selbständige Landwirtschaft treiben, sondern als billige Lohnarbeiter den verschiedenen Unternehmungen auf dem Lande zur Verfügung stehen?
Wir haben nicht den mindesten Grund, die Vermehrung der Kleinbetriebe auf dem Lande zu fördern. Wir haben auch keinen Grund, es verhindern zu wollen, daß einzelne Güter ihre Fläche vergrößern, was nach dem Kriege vielfach vor sich gehen dürfte.
Wohl ist durch ihn der Bauernstand nicht in der Weise ökonomisch ruiniert worden wie das Handwerk. Aber immerhin sind viele Tausende von Inhabern kleiner Landwirtschaftsbetriebe gefallen, andere Tausende so verstümmelt oder geschwächt, daß sie harte Landarbeit aufgeben und einen leichteren Beruf suchen müssen. Wer soll die verwaisten Gütchen übernehmen? Landarbeiter, die mit Hilfe ihrer Ersparnisse sich zu Grundbesitzern aufschwingen wollen? Aber den Landarbeitern, den feldgrauen wie den zurückbleibenden, brachte der Krieg nicht reichlichen Gewinn.
Wohl aber den Grundbesitzern, namentlich den großen, die er mit billigen Arbeitskräften versah, den Kriegsgefangenen, und denen er hohe Preise für ihre Produkte brachte. Sie sind im Kriege ihre Hypothekenschulden losgeworden, sie haben noch Ersparnisse in Genossenschaften und Banken angehäuft. Sie werden jede Gelegenheit benutzen, ihre Betriebe durch Ankauf freiwerdenden Grundbesitzes zu erweitern.
Es liegt nicht im Interesse der Produktivität der
Landwirtschaft, diesen Prozeß zu stören.
Welche Ausdehnung das Wachstum einzelner Güter gewinnen wird, ist natürlich nicht abzusehen. Indes ist nicht anzunehmen, es werde so weit gehen, daß die Bedeutung des Kleinbetriebes für die Landwirtschaft fühlbar eingeschränkt würde. Die Betriebe unter 20 Hektar umfaßten in Deutschland 1907 beinahe die Hälfte der landwirtschaftlich benutzten Fläche – 48,5 Prozent –, die Betriebe von 5 bis 20 Hektar fast ein Drittel – 32,7 Prozent.
In der Landwirtschaft geht es aber nicht so wie in der Industrie, daß man die Produktivität eines Produktionszweiges durch Stillegung der rückständigen Betriebe und Konzentrierung der Produktion auf die höchstentwickelten steigern kann. Der Grund und Boden ist für die Landwirtschaft das wichtigste Produktionsmittel, auch nicht das kleinste benutzbare Stück seiner Fläche darf ungenutzt bleiben. Und ein schlecht kultivierter Boden liefert immer noch mehr, als ein gar nicht kultivierter.
Weit entfernt, landwirtschaftliche Betriebe stillzulegen, wird man vielmehr trachten müssen, die Kulturfläche noch auszudehnen.
Vor dem Kriege war sie merkwürdigerweise im Deutschen Reiche im Abnehmen statt im Zunehmen, trotz der Kultivierung von Mooren und Heiden, der Trockenlegung von Sümpfen und anderen Meliorationen. Die landwirtschaftlich benutzte Fläche hat sich im Zeitraum von 1895 bis 1907 von 32.518.000 auf 31.835.000, also um 683.000 Hektar vermindert.
Die zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der landwirtschaftlichen Betriebsstatistik, herausgegeben vom Kaiserlichen Statistischen Amt (1912), betrachtet diese Minderung zum Teil als bloß formale, da 1907 die „reichen Weiden“ schärfer definiert wurden als 1895. Doch kann das keine große Verschiebung der Zahlen bedeutet haben. Die Darstellung fährt fort:
„Weiter dürfte neben diesem formalen Grund auch die seit 1895 bedeutend gewachsene Vergrößerung der Städte, die umfangreichen Anlagen von gewerblichen Betrieben auf dem Lande, Bahn- und Wegebauten, die Anlage von Militärschießplätzen und die Aufforstung von im Jahre 1895 landwirtschaftlich benutzten Flächen die Verminderung der landwirtschaftlichen Fläche verursacht haben.“ (Seite 10.)
Das Wachsen, im statistischen Amtsdeutsch „die gewachsene Vergrößerung“ der Städte, der Bahnbauten, der Industrie auf •dem Lande läßt sich nicht verhindern.
Anders steht es mit der Verringerung der Anbaufläche durch militärische Zwecke – Schießplätze, Exerzierplätze, Festungsbauten und dergleichen – sowie der Aufforstung von Kulturboden, um den Reichsten der Reichen die Gebiete ihres Jagdvergnügens zu vergrößern.
Letzteres scheint die Hauptursache der Verminderung des landwirtschaftlich benutzten Bodens zu sein, denn die anderen hier genannten Faktoren mußten nicht nur diesen, sondern die Gesamtfläche der Landwirtschaftsbetriebe einschränken. Deren Gesamtfläche nahm jedoch weit weniger ab, als die Kulturfläche. Jene um 178.000 Hektar, diese um 683.000 Hektar. Es gab Gegenden, in denen die von den Betrieben eingenommene Gesamtfläche wuchs und trotzdem die von ihnen landwirtschaftlich benutzte Fläche abnahm. So finden wir in
|
Zunahme |
Abnahme |
---|---|---|
Preußen |
33.135 |
388.000 |
Baden |
152.18 |
32.570 |
Hessen |
3.679 |
7.432 |
Schwarzwaldkreis (Württemberg) |
9.829 |
14.878 |
Mecklenburg-Schwerin |
46.270 |
20.211 |
Braunschweig |
9.268 |
5.796 |
Unter-Elsaß |
4.296 |
366 |
Eine allgemeine Abrüstung würde die Beanspruchung des Kulturbodens durch den Militarismus sehr einschränken. Vor allem aber hätte die Uebergangswirtschaft Ursache, alle landwirtschaftlich nutzbare Fläche, die der Jagdlust hoher Herren zum Opfer fiel, der Lebensmittelproduktion wieder zuzuführen. Das geht freilich nicht ohne starke Demokratie.
Muß man trachten, allen verfügbaren Kulturboden der Bodenkultur zuzuführen, so muß man andererseits auch alles aufbieten, daß diesem Boden die höchstmöglichen Erträge abgewonnen werden. Mögen auch die Kleinbetriebe der Landwirtschaft in der Ausnutzung der Maschinen noch so sehr hinter den Großbetrieben zurückstehen, die Staatsgewalt wird die Aufgabe haben, sie soviel wie möglich mit Maschinen zu versorgen.
Es wäre jedoch technisch ebenso unmöglich wie widersinnig, wollte man jeden Kleinbauern mit den Maschinen versehen, die er anwenden kann und soll und ihn zu ihrem Privateigentümer machen.
Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die meisten Maschinen der Landwirtschaft, namentlich die dem Feldbau dienenden, nicht an einen Ort gefesselt sind, sondern zur Ortsveränderung geeignet sein müssen. Auch werden sie meist nicht ständig, sondern nur zu gewissen Zeiten gebraucht. Es besteht daher im Gegensatz zur Industrie in der Landwirtschaft die Möglichkeit, dieselbe Maschine nacheinander in verschiedenen Betrieben funktionieren zu lassen. Von dieser Möglichkeit wird auch reichlich Gebrauch gemacht, namentlich bei den Dampfdreschmaschinen und den Dampfpflügen. Erstere wurden 1907 in 488.900 Betrieben angewandt, von denen aber nur 19.800 eigene Dampfdreschmaschinen besaßen. Letztere fanden in 2.995 Betrieben Anwendung, aber nur 415 von diesen verfügten, über eigene Dampfpflüge. Darunter ein Betrieb aus der Größenklasse zwischen 5 bis 20 Ar, der den eigenen Dampfpflug sicher nicht anzuwenden vermochte. Ferner verzeichnet die Statistik drei Betriebe in der Größenklasse von 1 bis 2 Hektar mit vier Dampfpflügen, also einen mit zweien dieser Ungetüme, ebenso in der Größenklasse von 3 bis 4 Hektar zwei Betriebe mit drei, in der Klasse von 4 bis 5 Hektar drei Betriebe mit vier Dampfpflügen. Daß diese alle ihre Pflugmaschinen nur deshalb erworben hatten, um fremde Felder damit zu pflügen, ist klar.
Allgemeine Anwendung wird der Dampfpflug nicht finden, auch nicht im Großbetrieb. Nicht überall sind seine Vorbedingungen gegeben. Naben ihm kommt der elektrische Pflug dort in Betracht, wo elektrische Ueberlandzentralen eingerichtet sind. Doch hat er sich noch wenig eingebürgert. Dagegen findet raschen Eingang der von einem Verbrennungsmotor gezogene Pflug, der auch auf kleineren Flächen anwendbar ist. In Amerika hat er schon vor dem Kriege weite Verbreitung gefunden. Der Arbeiterund Pferdemangel verhilft ihm zu raschem Vordringen auch in Deutschland.
So berichtet z. B. die Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure (1915):
„Bei der Feldbestellung Ostpreußens nach Vertreibung der Russen wurden in großem Umfang Motorpflüge verwendet. Nur dadurch wurde es möglich, die Gegenden zu bestellen, in denen Menschen, Wagen und Pferde fehlten. Mit Hilfe eines beträchtlichen Staatsdarlehns wurden deshalb 123 Motor- und 12 Dampfpflüge angeschafit, die den Landwirten gegen jährliche Ratenrückzahlung gegeben wurden. Außerdem wurden durch die Militärverwaltung mit 29 Motorpflügen die ganz verlassenen Gegenden beackert. Bisher sind von den für derartige Zwecke zur Verfügung stehenden 5,8 Millionen Mark 3,5 Millionen Mark verausgabt worden. Es steht zu erwarten, daß sich in den nächsten Jahren Motorpilüge in der Landwirtschaft weiter einbürgern werden.“ (Seite 1047)
Aus Frankreich berichtet dieselbe Zeitschrift (März 1917):
„Der französische Landwirtschaftsminister hat einen Ausschuß ernannt, der die Aufgabe hat, zu untersuchen, wie die aus dem Heeresdienst ausgeschiedenen Motorwagen am zweckmäßigsten zur Förderung der Bodenkultur verwendet werden können. Man schlug vor, namentlich von Wagen mit beschädigtem Untergestell die Motoren den Landwirten zum Betrieb ihrer Maschinen zur Verfügung zu stellen. Um diesen Bestrebungen bei der Landbevölkerung in möglichst großem Umfang Eingang zu verschaffen, ist durch Erlaß des Präsidenten in Noisy-le-Grand auf einem 130 Hektar großen Landgut eine Schule geschaffen ... Die Schüler werden als Mechaniker ausgebildet und erhalten Unterricht im Bedienen landwirtschaftlicher Maschinen und Motoren. Außerdem soll die Anstalt Versuche mit neuen Maschinen anstellen und Musterkurse zum Bekanntmachen und Fördern der Motorkultur bei den Landwirten veranstalten. Hierbei sind drei Gesichtspunkte maßgebend: die fehlenden menschlichen und tierischen Arbeitskräfte sollen durch mechanische Kraft ersetzt, die ausgemusterten Heereskraftfahrzeuge nach Möglichkeit ausgenützt und Kriegsbeschädigte für derartige Arbeiten ausgebildet werden.“ (Seite 300)
Zurzeit ist freilich die Zahl der Motorpflüge in Frankreich noch gering. Im April 1918 fand in Noisly-le-Grand ein staatlicher Motorkulturwettkampf statt, bei dem Angaben über den Stand der französischen Motorkultur gemacht wurden. Es wurde berechnet, daß Frankreich 17 000 bis 20 000 Motorpflüge nötig hätte, daß aber nur 1000 vorhanden sind, von denen die eine Hälfte in staatlichem, die andere in privatem Besitz.
Für Deutschland ist mir eine derartige Statistik nicht bekannt.
Nach dem Kriege wird man mechanische Pflüge in großen Mengen brauchen. In dem Sammelwerk über Arbeitsziele der deutschen Landwirtschaft nach dem Kriege (Berlin 1918) sagt Prof, Gust. Fischer:
„Wenn die mechanischen Pflüge schon im Frieden in größeren Betrieben nicht zu entbehren waren, um die Ackerung gut und rechtzeitig auszuführen, so kann man sagen, daß unsere Ernährung im Kriege ohne die Dampfund Motorpflüge ganz undurchführbar gewesen wäre. Sobald in ruhigeren Zeiten die Schwierigkeiten in der Herstellung der mechanischen Pflüge und in der Beschaffung ihrer Betriebsmittel wieder verschwinden, muß die Benutzung der Dampfund Motorpflüge noch weit mehr gesteigert werden, um dem Mangel an Zugtieren und Menschen abzuhelfen.“ (Seite 754)
Nachdem er dann ausgeführt, „daß das eigentliche Anwendungsgebiet des Dampfpfluges der Großbetrieb ist“ (S. 755) und daß „ weder die elektrischen noch die Motorpflüge bisher die leichten Antriebsmaschinen für Ackerarbeiten haben bringen können, die für kleinere Wirtschaften gewünscht werden“ (S. 763), fährt er fort:
„Die Unentbehrlichkeit der Motor- und Dampfpflüge hat sich im Kriege, besonders aber im Frühjahr 1917, aufs deutlichste erwiesen ... Wo keine Kraftpflüge zur Verfügung stehen, ist es unvermeidlich, daß die Bodenkultur unter dem Mangel an Arbeitskräften leidet, daß der Acker verqueckt und nicht tief genug gelockert wird. Ohne Zweifel ist während des Krieges in dieser Hinsicht manches versäumt worden, und es bedarf einiger Jahre energischer Arbeit, um nur den alten Kulturzustand, der außerdem durch mangelhafte Düngung gelitten hat, wiederherzustellen. Um ihn darüber hinaus noch auf eine höhere Stufe zu bringen, wird erst recht die Heranziehung der Kraftpflüge notwendig sein.“ (Seite 763, 764)
Natürlich wäre es unmöglich, jedem Bauern einen Motorpflug zuzuweisen. Und selbst wenn es ermöglicht würde, bedeutete es eine sinnlose Verschwendung, die man sich gerade nach dem Kriege am wenigsten gestatten darf.
Wohl gibt es bereits solche Pflüge für kleine Betriebe, aber die größeren sind weit wirksamer. Diese vermögen 4 bis 6, die kleineren nur 1,5 bis 2,5 Hektar im Tage zu pflügen. Ein Pflug mit zwei Pferden freilich im Durchschnitt nur ein halbes Hektar.
Außerdem aber erheischt der Motorpflug einen geschulten Führer. In einem Artikel über Motorpflüge in der nun schon mehrfach zitierten Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure (Januar 1916) sagt Professor Fischer:
„Die Benutzung der Motorpflüge setzt voraus, daß der Führer die Kenntnisse für ihre Führung und Wirkung erworben hat. Aber das ist auch bei anderen landwirtschaftlichen Maschinen der Fall und wird dazu beitragen, daß die Landwirte immer mehr die Notwendigkeit der Einstellung eines tüchtigen Maschinisten einsehen, der in einem größeren Betriebe kaum noch entbehrt werden kann.“ (Seite 72)
Wo der Motorpflug von kleineren Betrieben angewandt wird, geschieht es am besten von einer Vereinigung solcher Betriebe. Wie für andere landwirtschaftliche Maschinen haben sich auch für die Motorpflüge Genossenschaften gebildet, die sie anschaffen und an ihre Mitglieder verleihen. Indessen sollte man dort, wo man von Staats wegen die Verbreitung der Motorkultur fördern will, nicht von solchen privaten, zufälligen Vereinigungen ausgehen, sondern die Pflüge einzelnen Gemeinden zuweisen, in denen die nötigen Vorbedingungen für ihre Anwendung zu finden sind. Die Gemeinde könnte dann die gesamte Feldflur ihres Gebietes mit dem Motor beackern, wie heute schon arme Bauern, die über kein eigenes Gespann verfügen, ihre kleinen Felder von einem Nachbar pflügen lassen, der ein oder zwei Pferde besitzt, oder wie größere Grundbesitzer einen fremden Dampfpflug leihen.
Wo aber die Gemeinde den einzelnen Bauern bei der Pflugarbeit ausschaltet und diese für ihr ganzes Gebiet besorgt, da liegt es nahe, daß es so kommt, wie Genosse Hofer im preußischen Abgeordnetenhaus schon vor dem Kriege (30. Januar 1914) ausführte:
„Wenn die Motorpflüge erst in Tätigkeit treten, dann sehen die Bauern auch bald, daß ihre kleinen Felder, ihre Grenzen zu eng geworden sind. Sie stoßen überall an den Ecken an, und sie werden überall auf diesem Wege dahin kommen, daß sie ihre Flächen zusammenlegen.“
Jedes Wenden bedeutet für den Motorpflug einen Zeitverlust, einen Kraftverlust. Die Raine bedeuten einen Verlust an Boden sowie an Saatgut, das auf sie fällt. Die Ecken machen ein Nachhelfen mit Handarbeit erforderlich. Je größer die zusammenhängende Fläche, die zu pflügen ist, desto besser kann der Motorpflug ausgenutzt werden.
Im Interesse der Produktivität der landwirtschaftlichen Arbeit wird also die Uebergangswirtschaft die Zusammenlegung der Flächen zu fördern haben. Es wäre jedoch höchst unzweckmäßig, wenn jeder einzelne Bauer nach vollzogener Pflügung wieder sein Feldstück abgrenzen und für sich bepflanzen wollte. Die logische Folge der Zusammenlegung der Fläche ist nicht bloß ihre gemeinsame Beackerung, sondern ihre Bewirtschaftung überhaupt nach einem gemeinsamen kommunalen Plan.
In gewissem Sinne wäre das gar nichts Neues. In der alten Markgenossenschaft galt schon für alle auf gleicher Flur liegenden Felder der Dorfgenossen der Flurzwang, das heißt die Pflicht, die gleiche Frucht anzubauen. Wohl bewirtschaftete dabei jeder Bauer sein Feld für sich, aber nach der Ernte wurden alle Grenzen zwischen ihnen aufgehoben und ihre zusammenhängende Fläche in gemeinsame Weide verwandelt.
Nun gilt es, diese markgenossenschaftliche Wirtschaft den modernen Verhältnissen, dem Maschinenbetrieb, anzupassen. Das Endergebnis wäre, daß Haus, Hof und Garten von Bauern wohl privat bewirtschaftet würden, wie sie auch in der Markgenossenschaft volles Privateigentum waren, der Feldbau dagegen mit den Arbeitskräften der Gemeinde gemeinsam betrieben würde. Sein Produkt oder der Erlös dafür könnte dann unter die einzelnen Bauern je nach dem Anteil, den ihre Arbeit oder ihr Boden an dem Ertrag hatte, verteilt werden.
Selbst bürgerlichen Autoren drängt der Zwang der Not ähnliche Vorschläge auf.
Wir haben bereits auf das Sammelwerk über Arbeitsziele der deutschen Landwirtschaft nach dem Kriege hingewiesen. Dort fordert Friedrich v. Braun, Präsident des Kriegsernährungsamts, zwingende staatliche Vorschriften für die Düngung, die Saatgutwahl und die Bekämpfung der Pflanzenkrankheiten. (S. 7)
„Die Herstellung von Stickstoff geschieht jetzt unter staatlicher Führung, und eine ähnliche Entwicklung ist bei der Kaliindustrie vorgezeichnet. Von da bis zur öffentlichen Zuweisung des festgestellten Bedarfs an künstlichem Dünger für alle landwirtschaftlich benutzten Grundstücke unter Einziehung der Kosten als öffentliche Last des Grundstücks ist kein weiter Weg.“ (S. 8, 9)
„Es erscheint die Frage berechtigt, warum man nicht bei der Auswahl des Saatguts dieselbe staatliche Einwirkung anwenden soll wie bei der Körung der Zuchttiere. Sie ist für die Volkswirtschaft zum mindesten von der gleichen Wichtigkeit und die Vorbedingung für den raschen Erfolg ... Man kann sich die Entwicklung so denken, daß für den Bezirk jeder unteren Verwaltungsbehörde ein Körausschuß unter dem Vorsitz des Landwirtschaftslehrers oder des Saatgutinspektors gebildet wird, der nicht nur die Auswahl des für die Gegend geeigneten Saatguts vorzunehmen, sondern auch für die kleineren Betriebe das Saatgut gemeinschaftlich zu schaffen und vor der Ausgabe gemeinsam zu behandeln hätte.“ (S. 9, 10)
Endlich die staatliche Bekämpfung der Pflanzenschädlinge sei schon begonnen, brauche nur energischer ausgebaut zu werden, wie es in anderen Ländern schon geschähe, wie inden Vereinigten Staaten, wo man Felder, die nicht von Unkräutern rein gehalten werden, rücksichtslos von Staats wegen umpflügt.
In der früher schon zitierten, von der „ Gesellschaft für soziale Reform“ herausgegebenen Schrift über Soziale Fragen der Uebergangswirtschaft, betitelt: Der Tag der Heimkehr, berichtet Dr. W. Bisselberg über „Die Bereitstellung von Arbeit durch Intensivierung und Mechanisierung der Landwirtschaft“, da fordert er unter anderem:
„Wie für die anderen Gewerbe, müssen für die Landwirtschaft schon jetzt zur Verteilung der Arbeiter Wirtschaftspläne aufgestellt werden ...
Die Wirtschaftspläne sind von den Kriegswirtschaftsämtern mit den Kommunalverwaltungen oder doch wenigstens durch deren Vermittlung und unter ihrer Verantwortung festzusetzen.
Die kleinen landwirtschaftlichen Besitzer sind unter der Führung der Kreisverwaltungen, am besten in Anlehnung an Großbetriebe, genossenschaftlich zusammenzuschließen.
Das Wort Produktionszwang klingt zwar auch nichtlandwirtschaftlichen Ohren noch unheimlich, aber auch praktische Landwirte glauben, daß wir im öffentlichen Interesse ohne eine planmäßige Regelung der Düngung und der Bewirtschaftung (was übrigens im Interesse der Besitzer liegen würde, wie auch die Erfahrungen der brandenburgischen Ritterschaft gezeigt haben), unter Umständen selbst auf dem Zwangswege, nicht mehr auskommen können.“ (Seite 14, 15)
Das wäre immer noch keine sozialistische Wirtschaft. Der besitzende Bauer bekäme mehr als der besitzlose Landarbeiter. Die Produktion geschähe immer noch zum Verkauf, für den Markt. Die Triebkraft der Produktion wäre immer noch der Mehrwert, in den beiden Erscheinungsformen des Profits und der Grundrente.
Diese Regelungen bedeuten noch nicht Uebergang zum Sozialismus, sie gehören noch in das Gebiet der Uebergangswirtschaft, die wir hier behandeln. Sie sind ein Mittel, ohne Veränderung der Grundlagen der bestehenden Gesellschaft die Produktivkraft der bäuerlichen Landwirtschaft aufs höchste zu steigern, ihr eine Reihe von Vorteilen des Großbetriebes zugänglich zu machen.
Immerhin bedeuten aber diese Regelungen einen erheblichen Schritt in der Richtung zu sozialistischer Landwirtschaft, die auf der Basis des Kleinbetriebes unmöglich ist. Zwei weitere Schritte wären dann noch notwendig, um die Dorfwirtschaft in sozialistische Wirtschaft zu verwandeln: Einmal die Verstaatlichung der Feldflur, der Ankauf der Anteile der einzelnen Bauerngüter an dieser Flur durch den Staat. Haus, Kof und Garten könnnten auch dabei noch Privateigentum bleiben. Der moderne Kommunismus ist nicht der urchristliche. Er verlangt die Gemeinschaft der Produktionsmittel, die der kapitalistischen Warenproduktion dienen, nicht die Gemeinschaft der Haushaltungen.
Der Ankauf des Ackerlandes durch den Staat brauchte kein gewaltsamer, er könnte ein allmählicher sein. Die Festsetzung des Vorkaufsrechts des Staates bei jedem Besitzwechsel würde genügen.
Je größer der Anteil des Staates an der Bodenfläche wird, desto mehr fällt ihm alles weitere Wachstum der Grundrente zu, desto mehr wird der Anteil des einzelnen Gemeindegenossen am Gemeindeprodukt bloß nach der Arbeit bemessen werden, die er dabei aufgewandt hat, und nicht nach der Größe seines Besitzes.
Der andere Schritt in der Richtung zur Sozialisierung der Landwirtschaft, der noch zu tun wäre, bestände darin, daß die Gemeinde nicht mehr für den Markt zu produzieren hätte, sondern für die Gemeinschaft, für den Bedarf der Bevölkerung, durch Vermittlung der Staatsverwaltung.
Auch das könnte bereits durch die Uebergangswirtschaft vorbereitet werden.
Schon während des Krieges wäre es dringend nötig gewesen, die landwirtschaftliche Produktion direkt in den Dienst der Gesamtheit zu stellen. Es ist das, trotz der Not der Zeit, nirgends gelungen, dank der Macht der Agrarier – nicht der Landwirtschaft, sondern des Grundbesitzes, des Privateigentums am Boden, was etwas ganz anderes ist. Aber auch ohne dieses soziale Moment wäre die Leitung der landwirtschaftlichen Produktion durch Organe der Gemeinschaft aus technischen Gründen dort gescheitert, wo der Kleinbetrieb vorherrscht. Die 4.621 größten Betriebe (über 100 Hektar) mit 1.930.000 Hektar Land in Pommern könnte man durch Organe des Staates oder der Provinz überwachen, aber doch nicht die 538.000 kleineren Betriebe (unter 100 Hektar) der Rheinprovinz mit ihren 1.300.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche.
Zu den stärksten Eingriffen des Staates in den landwirtschaftlichen Betrieb (der wohl zu unterscheiden ist vom landwirtschaftlichen Besitz) während des Krieges ist es nicht in Rußland gekommen, dem Lande der proletarischen Revolution, aber auch eines riesenhaften zahlenmäßigen Uebergewichts der Bauernschaft. Auch nicht im Deutschen Reich, dessen staatliche Organisation und dessen Unterordnung aller privaten Bedürfnisse unter die Forderungen der Kriegführung so sehr erhoben wird, sondern in England, dem Lande des Freihandels, des „Manchestertums“, aber auch des zahlenmäßig überwiegendsten Großgrundbesitzes und Großbetriebes auf der einen Seite und der – wenn sie nur will! – stärksten Arbeiterklasse und der größten Ueberzahl der städtischen über die ländliche Bevölkerung auf der anderen Seite. Im Deutschen Reiche macht diese noch 40 Prozent der Bevölkerung aus, in England nur mehr 22.
Die Engländer schrecken nicht davor zurück, durch das Landwirtschaftsministerium (Board of agriculture) Betriebsinspektoren einsetzen zu lassen, die die einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe zu überwachen haben. Das würde an sich noch wenig bedeuten. Doch sollen sie das Recht bekommen, bei unwirtschaftlich arbeitenden Betrieben die Leitung selbst in die Hand zu nehmen. Der private Unternehmer ist dadurch noch nicht ausgeschaltet, aber nur der tüchtig gebildete und gewissenhafte Unternehmer soll künftighin in der Landwirtschaft geduldet werden.
Derartiges muß ebenfalls bei uns im Interesse der größtmöglichen Produktivität der Landwirtschaft gefordert, es müssen ihr auch die Produkte, die sie zu erzeugen hat, vorgeschrieben werden. Daß läßt sich unschwer bei dem Großbetriebe durchführen, nicht aber bei den unzähligen Kleinbetrieben. Auch da würde der kommunale Landbau die Aufgaben der Uebergangswirtschaft sehr erleichtern.
Der Satz, daß die Ueberwachung und Leitung der Landwirtschaft beim Großbetrieb unschwer durchzuführen sei, ist natürlich nur in technischem, nicht sozialem oder politischem Sinne gemeint. Da wird ein verzweifelter Widerstand des agrarischen Interesses zu überwinden sein. Aber hier untersuchen wir nicht die Aussichten der Uebergangswirtschaft, die noch ganz unberechenbar sind, sondern die Forderungen, die im Interesse des Proletariats und der Gesamtheit an sie zu stellen sind, für die wir zu kämpfen haben.
Mit Recht weisen die Agrarier darauf hin, daß die
Landwirtschaft die Grundlage des ganzen gesellschaftlichen Gebäudes,
der wichtigste aller Produktionszweige ist. Aber es ist ganz
widersinnig, wenn sie daraus schließen, die Gesellschaft habe
den heutigen Herren dieses Produktionszweiges nun die
ausschweifendsten Privilegien zu gewähren, ihnen Arbeitskräfte
zwangsweise zuzuführen und die fettesten Profite zu sichern, um
sie an der Versorgung ihrer Wirtschaft zu interessieren. Diese
Methode entspricht den Interessen der für die Gesellschaft
unnützen Privateigentümer am Boden, nicht dem Interesse der
Gesellschaft selbst. Dieses Interesse erheischt vielmehr aufs
dringendste, gerade wegen der Bedeutung der Landwirtschaft, daß
sie unabhängig wird von der Willkür des Privateigentums und
direkt unter gesellschaftliche Kontrolle kommt, und daß an
Stelle unproduktiver Zwangsarbeit die produktive gern geleistete
Arbeit tritt.
Neben der Landwirtschaft der Dorfgemeinden kommt noch eine andere Art kommunaler Landwirtschaft in Betracht, die der Stadtgemeinden, die auch in der Uebergangswirtschaft an Bedeutung gewinnen dürfte als Mittel, die Ernährung der städtischen Bevölkerung zu erleichtern, ihr die Vorteile des „Selbstversorgers“ bis zu einem gewissen Grade zugänglich zu machen.
Schon vor dem Kriege waren Ansätze zu solcher Art Landwirtschaft vorhanden. Auf der einen Seite mußten die Stadtgemeinden Grund und Boden aus technischen Gründen, z. B. Rieselfelder, erwerben, den sie nicht brach liegen lassen wollten. Anderseits drängte das Steigen der Lebensmittelpreise und das Wachsen der Ernährungsschwierigkeiten der Stadtgemeinden dazu, wenigstens einem Teil ihrer Bevölkerung gute und billige Nahrungsmittel zuzuführen, entweder durch Verträge mit den Produzenten oder durch eigene Produktion. In der Zeit der Uebergangswirtschaft wird der Antrieb zu solchem Vorgehen durch die hohen Preise und die gesteigerte monopolistische Stellung des Grundbesitzes sehr verstärkt werden.
Diese städtische Landwirtschaft wird sich von jener der Dorfgemeinden schon nach den Hauptobjekten ihrer Produktion unterscheiden. Es wird sich da das Thünensche Gesetz geltend machen, mit den Modifikationen, die die moderne Technik des Transports und der Konservierung an ihm hervorbringt.
Die städtische Landwirtschaft muß ihr Schwergewicht auf die Erzeugung von Produkten legen, die weiten Transport schwer vertragen und die von der Landwirtschaft ohne jede Zwischenstufe in den Haushalt übergehen, also vor allem Milch und Gemüse. Die Dorfgemeinde wird eher Produkte herstellen, die einen längeren Transport sowohl technisch wie ökonomisch sehr wohl vertragen und die nicht direkt vom Produzenten in den Haushalt eingehen, sondern noch eine oder mehrere Zwischenstufen passieren müssen, also vor allem Getreide, Milch, die in Butter und Käse verwandelt wird, Magervieh, Gemüse für Konservenfabriken, Rüben für Zuckerfabriken usw.
Doch nicht nur in den Objekten der Produktion unterscheidet sich die Landwirtschaft der bäuerlichen von der der Stadtgemeinde, sondern auch in ihrer sozialen Bedeutung. Kann die Landwirtschaft der Dorfkommune noch Warenproduktion, getrieben von dem Streben nach Mehrwert, das heißt Profit und Grundrente, bleiben, so ist die Landwirtschaft der Stadtgemeinde, soweit sie nicht fiskalischen Zwecken dient, direkt auf die Befriedigung des Bedarfs ihrer Bewohner gerichtet, ohne jede Absicht auf Profit. Sie gewinnt damit bereits sozialistischen Charakter.
Beide Arten der Landwirtschaft sind von der Uebergangswirtschaft zu fördern. Soweit sie sich durchsetzen, werden sie aber solche Vorteile bieten, daß sie mit dem Stadium des Ueberganges nicht wieder verschwinden, sondern sich über dieses hinaus erhalten und weiterentwickeln werden. Sie liegen in der Linie der Entwicklung. Ihre größten Schwierigkeiten finden sie im Anfang.
Die Uebergangswirtschaft wirft so vieles Alte und Herkömmliche über den Haufen, mehr noch, als es der Krieg selbst bewirkt, weil sie mit diesem den Notstand teilt, gleichzeitig aber den Kampf der Klassen im Innern in voller Macht, ohne jede Ablenkung durch äußere Bedrängnis, wirken läßt. Sie kann am ehesten den Anstoß geben, diese schwersten ersten Schritte zu wagen. Für die Landwirtschaft würde so die Zeit der Uebergangswirtschaft eine Zeit, die nicht nur den Uebergang vom Kriegszustand in den Friedenszustand vollzöge, sondern auch den Uebergang von privater zu gesellschaftlicher Landwirtschaft anbahnte.
Daran ist heute, nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, nicht mehr zu zweifeln, daß die Entwicklung der Landwirtschaft eine andere ist, als die der Industrie. Wenn wir Marxisten im Verein mit einem großen Teil der bürgerlichen Oekonomie ehedem annahmen, der Großbetrieb werde in der Landwirtschaft den gleichen Siegeszug antreten wie in der Industrie, so beruhte das auf wohl beobachteten Tatsachen, deren Bedeutung wir jedoch überschätzten. Das habe ich bereits vor 20 Jahren in meiner „ Agrarfrage“ anerkannt. Ich habe dort jedoch auch schon die entgegengesetzte Anschauung zurückgewiesen, als gingen wir dem Ende des landwirtschaftlichen Großbetriebes, dem Siege des Kleinbetriebes entgegen:
„So wenig wir in der Landwirtschaft auf eine rasche Aufsaugung der Kleinbetriebe durch die Großbetriebe rechnen dürfen, so haben wir noch weniger Ursache, den entgegengesetzten Prozeß zu erwarten.“ (Seite 298)
Eine Reihe von Sozialisten haben daraus, daß der Großbetrieb in der Landwirtschaft nicht vorschreitet, geschlossen, eine sozialistische Landwirtschaft sei unmöglich, der Sozialismus werde bloß in der Industrie zur Herrschaft kommen – und sie nehmen an, auch da erst nach ein paar hundert Jahren. In Wirklichkeit folgt aus dem verschiedenen Gange der Entwicklung in Landwirtschaft und Industrie nur, daß der Weg zum Sozialismus hier ein anderer sein wird als dort.
In der Stadt wird er vorbereitet und unerläßlich gemacht durch das Vorschreiten des Großbetriebes, der das Proletariat immer mehr zur zahlreichsten Klasse macht, zugleich aber das Streben des einzelnen Proletariers, sich zum Privateigentümer eines Kleinbetriebes emporzuarbeiten, immer aussichtsloser und sinnloser erscheinen läßt. Seine Kraft entwickelt das industrielle Proletariat im Klassenkampf, dessen Ausgangspunkt der Kampf um die Arbeitsbedingungen ist, dessen Ziel die Enteignung der Kapitalisten durch die Gesellschaft wird.
Auf dem flachen Lande nimmt der proletarische Klassenkampf nicht die gleiche Ausdehnung und Intensität an. Die Zahl der Proletarier nimmt da nicht auffallend zu, und dem Proletarier erscheint das Streben nach Erringung eines Kleinbetriebes nicht so aussichtslos und sinnlos wie in der Industrie. Sein Kampf gegen den großen Grundbesitz geht da weniger auf dessen Verstaatlichung als auf dessen Verteilung aus, also auf Vermehrung und Verstärkung des Privateigentums am Boden, nicht auf Verdrängung dieses Eigentums durch gesellschaftliches.
Diesem Streben wirkt entgegen die fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft in ihren beiden Formen, der einen, die einen landwirtschaftlichen Betrieb in Verbindung mit einem industriellen bringt, und der anderen, die kleine Landwirte in Lohnarbeiter einer auf dem Lande erwachsenden Industrie verwandelt. Damit werden die sozialistischen Tendenzen der Industrie dem flachen Lande nähergebracht.
Darauf wies ich schon in meiner Agrarfrage hin. Seitdem ist aber noch ein neuer, gewaltiger Faktor aufgetreten. Damals lebten wir in einer Zeit sinkender Lebensmittelpreise. Das hörte bald danach auf. Wir traten in eine Periode stetig steigender Lebensmittelpreise ein, die die Not der städtischen Massen immer mehr steigerte und schon vor dem Kriege sie stetig radikalisierte. Damit wuchs ihr Gegensatz nicht nur gegen die industriellen Unternehmer, sondern auch gegen den Grundbesitz. Die Vergesellschaftlichung der Landwirtschaft wurde nun ein ebenso dringendes Interesse der städtischen Proletarier, wie die Vergesellschaftlichung der Industrie. Und jene blieb nicht ein proletarisches Interesse, sie wurde ein Interesse der gesamten städtischen Bevölkerung. Dabei ist die Sozialisierung der Landwirtschaft aber sehr wohl vereinbar mit dem Interesse der großen Mehrheit der Landbevölkerung, die von ihrer Hände Arbeit, nicht von dem Einstecken von Grundrente lebt.
So wirkt die ökonomische Entwicklung ebenso auf dem Lande wie in der Stadt in der Richtung auf den Sozialismus, wenn auch hier mit anderen Methoden als dort. Die Uebergangswirtschaft, in der die Not an Lebensmitteln auf die Spitze getrieben sein wird, ist berufen, diesem Entwicklungsgang einen gewaltigen Stoß nach vorwärts zu versetzen – vorausgesetzt, daß das industrielle Proletariat seine Schuldigkeit tut.
Zuletzt aktualisiert am 17. April 2021