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Allerhand Revolutionäres, Die Neue Zeit, 22 Jg., 1. Bd. (1904), H. 22, S. 685–695.
Quelle: Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Unter den Einwänden, die Lusnia gegen mich erhebt, ist noch einer zu erwähnen, der Kernpunkt des Ganzen, der seinem Artikel den Titel verliehen hat, die Behauptung, ohne die Gewalt der Waffen könne das Proletariat die politische Macht nicht erobern.
Ich hatte bemerkt:
„Wir haben keinen Grund, anzunehmen, daß bewaffnete Insurrektionen mit Barrikadenkämpfen und ähnlichen kriegerischen Vorkommnissen heute noch eine entscheidende Rolle spielen können. Die Gründe dafür sind schon zu oft ausgeführt worden, als daß ich dabei noch länger zu verweilen brauchte. Der Militarismus kann nur noch dadurch gebrochen werden, daß das Militär selbst unzuverlässig erscheint, nicht dadurch, daß es vom empörten Volke besiegt wird.“
Lusnia bemängelt vor allem, daß ich die Gründe für diese Anschauung nicht weiter ausführe. Ich bin erstaunt, daß er noch Gründe dafür verlangt. Sollten sie ihm wirklich unbekannt sein, dann wird er sie iu dem vielzitierten Vorwort von Friedrich Engels zu den Marxschen Klassenkämpfen in Frankreich in prägnantester Weise zusammengefaßt finden. Seitdem dieses Vorwort geschrieben worden, sind keine neuen Gesichtspunkte oder Tatsachen aufgetaucht, noch ist irgend ein Versuch der Widerlegung gemacht worden, der uns Veranlassung gäbe, die Frage nochmals zu untersuchen. Ich könnte hier nichts tun, als Engels abschreiben.
Lusnias Ausführungen selbst dienen nur dazu, den Engelsschen Standpunkt zu bekräftigen. Auch er muß zugeben, daß eine bewaffnete Erhebung des Volkes gegen das Militär heute ein Wahnsinn wäre. Wenn er annimmt, die kommende Revolution werde mit der Gewalt der Waffen ausgekämpft werden, so meint er darunter nicht einen Kampf zwischen Volk und Militär, sondern einen Kampf zwischen zwei Fraktionen des Militärs, von denen die eine auf die Seite des Volkes tritt. Das ist sicher ein Fall, der vorkommen kann, aber er wäre doch nur eine besondere Form der allgemeinen Voraussetzung, „daß das Militär unzuverlässig erscheint“, und beweist nichts gegen die Unmöglichkeit, daß es, solange das nicht der Fall, „vom empörten Volke besiegt wird“.
Haben wir aber Ursache, über diese besondere Form weitere Untersuchungen anzustellen? Das Nachdenken über die Probleme der Zukunft und die Mittel ihrer Lösung ist nur dann von Bedeutung, wenn es imstande ist, Praxis und Theorie der Gegenwart zu beeinflussen, wenn seine Ergebnisse auf die Kraft und Richtung unserer Aktion, den Erfolg unserer Propaganda, die Klarheit unseres Denkens einwirken können. Da wir nicht die Absicht haben, Propaganda in der Armee zu treiben und sie zur Insubordination aufzureizen – und heute denkt in der ganzen deutschen Sozialdemokratie niemand daran – bedarf für uns die Frage, welche Formen diese Insubordination annehmen könnte und dürfte, keiner Erörterung. Dagegen ist es allerdings, wenn auch nicht für unsere Aktion, so doch für unsere Propaganda und unser theoretisches Denken heute schon von Wichtigkeit, darüber keine Unklarheit zu lassen, daß wir von einer bewaffneten Insurrektion des Volkes nichts erwarten und uns ans keinen Fall dazu provozieren lassen.
Ebenso wichtig ist aber eine andere Frage, die damit im Zusammenhang steht, die auch Lusnia streift: Wenn es ausgeschlossen erscheint, daß das Volk den Waffen der Staatsgewalt auch seinerseits mit der Gewalt der Waffen begegnet, ist es damit auch ausgeschlossen, daß das Proletariat jemals Gewalttaten der Gegner mit Gewalt abwehrt? Ist es einem Staatsstreich wehrlos preisgegeben? Verfügt es über keine andere politische Waffe, als den Stimmzettel?
Das kämpfende Proletariat gedeiht unter einer Verfassung, wie sie das Deutsche Reich besitzt, politisch in der erfreulichsten Weise. Es hat nicht die mindeste Ursache, sie in ungesetzlicher Weise gewaltsam ändern zu wollen. Aber eben deshalb muß es, je mehr seine politische Macht steigt, um so mehr darauf gefaßt sein, daß seine Gegner die bestehende Verfassung umstürzen, um an ihre Stelle ein Regime gewaltsamer Niederhaltung des Proletariats und gewalttätiger Zerstörung seiner Organisationen zu setzen, ein Regime der Gewalt, das zu energischer Abwehr herausfordert.
Es ist ausgeschlossen, daß ein solches Regime dort, wo die Massen sozialdemokratisch denken, zu einer bewaffneten Erhebung des Volkes führt. Wenn es schließlich einen gewaltsamen Widerstand des Proletariats Hervorrufen sollte, dann könnte dieser sich nur eines Gewaltmittels bedienen, das es heute schon in seinen ökonomischen Kämpfen so oft als letztes Mittel der Entscheidung anwendet, des Streiks.
Erwiese dieses Mittel sich von vornherein als ebenso verwerflich seiner offenbaren Erfolglosigkeit wegen, wie die bewaffnete Insurrektion, so bewiese das noch nicht, das; nun die Sache des Proletariats aussichtslos sei. Zu verzweifeln brauchten nur auch dann noch lange nicht. Das Proletariat vertritt heute so sehr die Zukunft, ja die gegenwärtigen Lebensinteressen der Nation, daß eine Regierung es nicht gewaltsam unterdrücken kann, ohne das gesamte Leben der Nation selbst einzuengen und zu lähmen – ein Zustand, der früher oder später zu einem ökonomischen oder politischen Zusammenbruch in einer jener Krisen führen muß, die keinem Staatswesen erspart bleiben. Wohl würde die Zukunft des Proletariats in diesem Falle unsicherer, mehr von äußeren Ereignissen als von seiner eigenen Kraft abhängig, jedoch unmöglich würde sein Sieg nicht.
Aber die Zuversicht des Proletariats, seine Energie wie sein
Selbstbewußtsein und andererseits der Respekt der Gegner vor
ihm müssen erheblich wachsen, wenn es sich im Besitz einer Waffe
weiß, mit der es imstande ist, aus eigener Kraft die
Gewaltmittel feiner Feinde matt zu fetzen. Und insofern sind die
Diskussionen über den politischen Streik, oder wie man auch in
nicht ganz zutreffender Weise sagt, den Generalstreik, von großer
aktueller Bedeutung.
So verschieden auch die Schlüsse sind, zu denen die einzelnen Teilnehmer an dieser Diskussion bisher kamen, eines haben sie jedenfalls deutlich gezeigt: der politische Streik ist keine Waffe, die man jederzeit nach Belieben in Anwendung bringen darf, sobald nur die Organisation des Proletariats genügend ausgebaut ist. Wenn er überhaupt Erfolg haben kann, so nur unter besonderen Bedingungen.
Diese sind aber nicht an den gewöhnlichen, zu ökonomischen Zwecken unternommenen Streiks zu studieren. Denn der politische und der ökonomische Streik bedeuten zwei ganz verschiedene Dinge.
In dem letzteren ziehen die Arbeiter ihre Kraft einerseits aus der Notwendigkeit der Reproduktion für den Unternehmer, andererseits aus der Ausnutzung der Konkurrenz unter den Kapitalisten und der Ausschaltung der Konkurrenz unter den Arbeitern.
Das stehende Kapital des Fabrikanten – Bauten, Maschinen usw. – verschleißt auch, wenn es nicht benutzt wird; mitunter wird es beim Stillstand geradezu vom Untergang bedroht, so in Bergwerken von eindringendem Wasser, wenn die Pumpen stille stehen. Manchmal sinkt auch der Gebrauchswert des Rohmaterials durch zu langes Lagern, zum Beispiel der der Zuckerrüben in Zuckerfabriken.
Aber zu diesen technischen Gründen, die eine Unterbrechung des Betriebs verlustbringend für den Kapitalisten machen, gesellen sich noch andere ökonomische. Die Höhe der jährlichen Profitsumme hängt nicht bloß vom Grade der Ausbeutung der Arbeiter ab, sondern auch von der Schnelligkeit des Umschlags des Kapitals.
Nehmen wir an, von einen; Kapital von 2 Millionen Mark entfallen 400.000 auf den Lohn, 1.600.000 auf das konstante Kapital während eines Umschlags – der größeren Einfachheit halber fetzen wir das fixe Kapital gleich Null. Die Rate des Mehrwerts betrage 100-Prozent, seine Masse also bei jedem Umschlag auch 400.000 Mark. Schlägt das Kapital einmal im Jahre um, so wirft es einen Profit von 400.000 Mark ab. Die Profitrate beträgt daher 400.000/2.000.000 oder 20 Prozent. Schlägt das Kapital zweimal in: Jahre um, so wächst die Summe des Mehrwertes auf 800.000 Mark, die Rate des Profits auf 40 Prozent, ohne daß die Ausbeutung der Arbeiter gestiegen ist. Diese ist die gleiche geblieben, die Lohnsumme aber hat sich ebenfalls verdoppelt – bei gleicher Arbeiterzahl etwa infolge regelmäßigerer und ausgiebigerer Beschäftigung der Arbeiter, Überstunden und Wegfall von Feierschichten. Je rascher der Umschlag des Kapitals, desto höher also der Prosit. Eine jede Stillesetzung des Betriebs bedeutet aber eine Verlängerung der Umschlagszeit des Kapitals.
Neben dem Bedürfnis nach möglichst raschem Umschlag des Kapitals drückt auf den Unternehmer bei einem Streik noch die Furcht vor der Konkurrenz seiner Kollegen sowie die Solidarität seiner Arbeiter.
Die Konkurrenz wirkt auf ihn dadurch, daß die Unternehmer, bei denen nicht gestreikt wird, den Kollegen einerseits die Kunden, andererseits die besten Arbeiter wegfischen – Nachteile, die über die Zeit des Streiks hinauswirkcn. Die Solidarität der Proletarier äußert sich im Fernhalten des Zuzugs arbeitsloser Kameraden, sowie im Einsenden materieller Hilfsmittel, woran sich nicht bloß Berufgenossen, sondern das gesamte Proletariat und seine Freunde beteiligen können.
Fast alle diese Faktoren stehen für die Arbeiter am günstigsten bei lebhaften: Geschäftsgang. Da snchen die Kapitalisten am meisten nach Arbeitern, da ist die Zahl arbeitsloser Streikbrecher am geringsten, da können die Streikunterstützungen am reichlichsten fließen, da kann das Kapital am raschesten umschlagen, da wird jede Störung des Reproduktionsprozesses zu einer empfindlichen Verkürzung des Profits, da kann es oft vorteilhafter sein, eine Lohnerhöhung zu gewähren, als die Produktion zu unterbrechen.
Alles das ist bekannt und wurde hier nur nochmals vorgeführt, nur den Gegensatz zwischen politischem und ökonomischem Streik zu beleuchten. Alle ökonomischen Faktoren, die den Erfolg der Arbeiter begünstigen, bestehen bei einem Massenstreik um so weniger, je mehr er ein allgemeiner, ein Generalstreik wird. Dieser selbst schaltet sie ans. Der gesellschaftliche Reproduktionsprozeß wird plötzlich völlig unterbrochen; der Fabrikant wird nicht mehr seine fertigen Waren los; er kann kein Rohmaterial, keine Kohlen mehr bekommen. Welches Interesse sollte er da haben, seine Arbeiter in die Fabrik zu holen? Er braucht nicht zu befürchten, daß seine Konkurrenten sie ihn: wegkapern, noch werden seine Kunden ihn: untreu werden, die anderswo auch keine bessere Bedienung finden. Und die Arbeiter? Ausgenommen ungewöhnlich günstige Verhältnisse, sind die Arbeiter eines Betriebs, auch wenn sie einig vorgehen, im Nachteil den: Unternehmer gegenüber. Wenn es ihnen nicht gelingt, im ersten Anlauf Erfolge zu erzielen, wenn sie zu einer hartnäckigen Belagerung gezwungen sind, werden sie selten den Sieg erringen, es sei denn, daß den Arbeitern des einen Unternehmens die Kollegen der benachbarten Betriebe, den Arbeitern einer Örtlichkeit die Kollegen der Branche im ganzen Lande, den Arbeitern einer Branche das gesamte Proletariat des Staates, unter Umständen der Welt, zur Seite steht. Diese Unterstützungen, mit Ausnahme der letztgenannten, sind bei einem Streik aller Gewerbszweige in einem Lande ausgeschlossen.
Freilich, der Gedanke, das ganze ökonomische Leben der kapitalistischen Gesellschaft mit einemmal stille zu setzen und damit diese unmöglich zu machen, ist sehr faszinierend. Aber man vergesse nicht, daß ein Massenstreik nicht bloß die kapitalistische Produktion, sondern, solange er dauert, jede Produktion aufhebt. Am Fortgang der Produktion sind aber die Arbeiter noch weit mehr interessiert als die Kapitalisten, denn diese sind nicht bloß im Besitz der Produktionsmittel, sondern auch aller größeren Vorräte an Konsumtionsmittelin Die Kapitalisten können daher bei einer allgemeinen Stockung der Produktion länger aushalten als die Arbeiter; diese sind ganz außerstande, jene auszuhungern. Ein nationaler Massenstreik von einer Dauer, die etwa der des Crimmitschauer Streiks nahe käme, wäre ganz unmöglich. Siegt er nicht in der ersten Woche, dann sind die Vorräte der Arbeiter und der ihnen kreditierenden Kleinhändler erschöpft, dann müssen sie sich entweder unterwerfen oder die bestehende Rechtsordnung durchbrechen, sich gewaltsam in den Besitz von Lebensmitteln setzen. Damit wäre aber der Boden des ökonomischen Streiks, der Revolution der gekreuzten Arme, verlassen und der der Insurrektion betreten.
Wohl gibt es heute schon Streiks, die aufhören, rein ökonomische zu sein, die dort, wo ihr direkter ökonomischer Druck aus eine Unternehmerschicht sich unwirksam erweist, einen indirekten, gesellschaftlichen, namentlich politischen gegen sie erzeugen, durch den der Streik das erreicht, was er direkt nicht zu erreichen vermochte. Solche Streiks kommen namentlich dort vor, wo Arbeiterschichten mit großen Monopolisten in Kampf geraten. Die Position der letzteren ist eine viel zu starke, als daß der Streik sie erschüttern könnte. Aber dieser erzeugt soviel Unheil in den verschiedensten Gesellschaftsschichten und die Ausnahmsstellung der Monopolisten schafft ihnen in der bürgerlicher: Gesellschaft so viele Feinde, daß der Staat oder die Gemeinde leichter als sonst durch den Streik veranlaßt werden, die Forderungen der Streikenden den Monopolisten durch die Gesetzgebung aufzuzwingen, um so weiteren gesellschaftlichen Schädigungen vorzubeugen.
Ein Beispiel dieser Art bietet der große Streik der österreichischen Kohlengräber im Winter 1900. Ökonomisch ging er verloren. Die Kohlenbarone konnten ihn ruhig aushalten. Aber er brachte so gewaltige Störungen für die Industrie mit sich und der Extragewinn, den die Kohlengrubenbesitzer jahraus jahrein aus Kosten der Bevölkerung erzielen, ist so enorme, wirkt so erbitternd, daß sie auch in bürgerlichen Kreisen nur wenige Freunde haben und der österreichische Reichsrat sich schließlich bereit finden ließ, um einer Wiederkehr des Streiks vorzubeugen, wenigstens den Neunstundentag für die Kohlengräber zu bewilligen. Es war dies ein bemerkenswertes Resultat der Bereinigung von politischer und gewerkschaftlicher Aktion. Jede für sich allein wäre erfolglos gewesen. Die sozialdemokratische Fraktion hätte sich im Reichsrat heiser reden können zugunsten der Verkürzung des Arbeitstags in den Kohlenminen, sie hätte tauben Ohren gepredigt ohne den Streik. Dieser wieder hätte resultatlos geendet ohne das Eingreisen der sozialdemokratischen Abgeordneten, die nicht ruhten, als bis Regierung und Majorität die Versprechungen, die sie in der Zeit der größten Kohlennot getan, wenigstens einigermaßen erfüllten.
Einen ähnlichen Zweck verfolgen viele Sympathiestreiks und anarchistische Generalstreiks. Wenn eine Arbeiterschicht nicht stark genug ist, mit ihren Unternehmern fertig zu werden, dann stellen in anderen Erwerbszweigen die Arbeiter oft die Arbeit ein, entweder, um die Stillesetzung der Produktion in den ursprünglich betroffenen Betrieben wirksamer zu gestalten; das ist z. B. der Fall, wo Transportarbeiter sich weigern, von Streikbrechern hergestellte Produkte weiter zu befördern; der Sympathiestreik kann aber auch darüber hinausgehen und einen mehr allgemeinen, politischen Charakter annehmen, wenn er darauf hinausgeht, der ganzen bürgerlichen Gesellschaft Unbequemlichkeiten und Verluste zuzufügen, um sie zu zwingen, einen Druck auf die widerspenstige Unternehmerschicht auszuüben.
Diese Generalstreiks werden oft mit dem politischen Massenstreik zusammengeworfen, aber sie haben mit ihm nur die Äußerlichkeit gemein, daß in beiden Fällen große Arbeitermassen der verschiedensten Berufe die Arbeit niederlegen. Ihre Aufgaben sind aber sehr verschiedene. Beim Sympathiestreik der weitergehenden Art handelt es sich darum, den ökonomischen Druck streikender Arbeiter auf eine besondere Unternehmerschicht zu vermehren durch den Druck der bürgerlichen Gesellschaft und des bürgerlichen Staates, einen Druck, der daraus entsteht, daß die bürgerliche Gesamtheit bei einem Nachgeben der einzelnen Unternehmer nur zu gewinnen, nicht Zu verlieren hat. Beim politischen Massenstreik wird umgekehrt ein ökonomischer Druck auf die Unternehmer ausgeübt, um nicht sie, sondern die bürgerliche Gesellschaft und den Staat zur Kapitulation vor den Arbeitern zu zwingen.
Der politische Streik ist also ein Streik ganz eigener Art, bei
dem uns die Erfahrungen anderer Arbeitseinstellungen sehr wenig
nutzen. Außer den belgischen und holländischen Beispielen
steht uns kein Erfahrungsmaterial darüber zu Gebote. Das Mittel
ist aber zu gefährlich, als daß man zu bloßem
Experimentieren damit raten könnte. Wir müssen daher
versuchen, ob nicht die gegebenen Erfahrungen genügen, zu
bestimmten Resultaten zu kommen. Wir dürften dabei sehr
gefördert werden, wenn wir in die Untersuchung die Erfahrungen
der Barrikadenkämpfe einbeziehen, welche zu ersetzen ja die
Aufgabe des politischen Streiks ist.
Bei der Vergleichung des politischen Streiks mit dem Barrikadenkampf fällt vor allem eine übereinstimmende Seite aus. Beide wirken nicht durch denjenigen Faktor, der auf den: Gebiet, dem jede dieser Kampfarten entnommen worden, der entscheidende ist. Wenn der politische Streik keine Aussicht hat, durch den ökonomischen Druck zu wirken, den er ausübt, so haben sich die Barrikadenkämpfer, auch wo sie siegreich waren, fast nie dem Gegner taktisch überlegen gezeigt. Nicht nur durch die Bewaffnung sind geschulte Truppen dem Volksaufstand überlegen, sondern auch durch ihre Organisation, die ihre Disziplin wie ihre planmäßige Leitung in sich begreift. Die Überlegenheit organisierter über unorganisierte Masten ist eine enorme, auch bei Gleichheit der Bewaffnung. Wenn die 10.000 griechischen Söldner, die sich dann durch ihren Rückzug unter Xenophon unsterblich machten, siegreich der: Kampf gegen eine halbe Million Asiaten bestanden, dankten sie das nicht oder doch nur unendlich wenig ihrer überlegenen Bewaffnung, sondern ihrer geschlossenen Organisation. An letzterer lag es auch viel mehr als an der besseren Bewaffnung, daß die Landsknechte mit den aufständischen Bauern 1528 fertig wurden.
Viel mehr als die physische Übermacht bildet die überlegene Organisation des Herrschaftsapparats die Grundlage jeder Herrschermacht. Das zeigt am deutlichsten die gebietende Stellung, welche die katholische Kirche ohne Waffengewalt und gegen sie im Staatsleben erlangt hat und noch behauptet.
Je mehr Selbständigkeit die Staatsgewalt gegenüber der Gesellschaft erlangt, je absoluter sie wird, um so eifersüchtiger strebt sie daher danach, den Untertanen alle Möglichkeiten zu einer ausgedehnten, vom Staate unabhängigen Organisation zu nehmen. Aber sie kann dabei nur dort Erfolg haben, wo die sozialen Verhältnisse ihr nicht entgegenwirken, denn diese sind am Ende immer noch mächtiger wie sie. Wo die Produktionsweise selbst die Bevölkerung isoliert und zerstreut, ihre Organisation erschwert, dabei aber die Bildung eines ausgedehnten staatlichen Organismus begünstigt, da gedeiht der Absolutismus, zum Beispiel in den großen Agrarstaaten, die sich auf weiten Ebenen bilden, denn der Bauer kommt über die dörfliche Organisation nicht hinaus. Wo dagegen die Produktionsweise nicht bloß ausgedehnte Staaten schafft, sondern auch die Bevölkerung zentralisiert, große Massen mit gleichen Interessen und lebhaftem Gedankenaustausch an einigen wenigen, für das nationale Leben entscheidenden Punkten zusammendrängt, da ist es schwer, die Organisierung der Bevölkerung zu verhindern, da bildet sich, wenn ihre formelle, öffentliche Organisierung verboten ist, leicht eine stillschweigende, geheime, die um so energischer, ja fanatischer wird, je mehr die Organisation eine Lebensfrage für die betreffende Klasse bedeutet. Der politische Druck, die staatliche Auslösung aller Organisationen kann da unter Umständen geradezu ein Band werden, das die unterdrückte Klasse enger zusammenhält als jede öffentliche Organisation; ein Band, das die Einheitlichkeit ihres Denkens und Wollens ebenso wie den freiwilligen Gehorsam gegenüber ihren Vorkämpfern aufs höchste steigert und aufs weiteste verbreitet, und zwar in einer für die Herrschenden unkontrollierbaren Weise.
Die auf freiwilliger und begeisterter Hingebung beruhende Form der Organisation ist aber ihre stärkste Form; es ist jene, mit der die Kirche ihre glänzendsten Triumphe erfocht. Lauge nicht so kraftvoll und widerstandsfähig – bei gleichen Machtmitteln – ist die Form der Zwangsorganisation, wie sie der moderne Staat darstellt, und zwar immer mehr darstellt, da er immer weniger eine Organisation der herrschenden Klassen, sondern eine diesen dienende Organisation bezahlter, überwiegend schlecht bezahlter, zum Teil zwangsweise in ihren Dienst gepreßter Elemente darstellt. Und deren Zusammensetzung wird immer ungünstiger für die herrschenden Klassen.
Betrachten wir zum Beispiel die Armee unter der allgemeinen Wehrpflicht. Am zuverlässigsten für die herrschenden Klassen sind die vom Lande Stammenden, die von Hause aus unorganisiert, dank ihrer traditionellen Produktionsweisen und ihrer Isolierung gedankenträge und durch die bäuerlichen Verhältnisse, namentlich das bäuerliche Erbrecht, noch in den patriarchalischen Anschauungen, der Ehrfurcht vor jeder Art väterlicher Autorität besangen sind. Am unzuverlässigsten erweisen sich die industriellen Proletarier, die durch Großindustrie und städtisches Leben organisiert, mit dein Gefühl der Selbständigkeit und lebhaftem geistigen Leben begabt und durch ihre frühzeitige ökonomische Unabhängigkeit mit Geringschätzigkeit, ja Widerspenstigkeit gegen alle überkommenen Autoritäten erfüllt werden. Da ist es für die moderne Staatsgewalt sehr bedenklich, daß die Menge der bäuerlichen Elemente ebenso wie in der Gesellschaft auch in den Armeen rasch zurückgeht.
Nach einer Denkschrift des Reichskanzlers war das Ergebnis des Heeresergänzungsgeschäftes im Jahre 1902 folgendes:
Gruppen |
Zahl der Tauglichen |
Von je 100 Tauglichen |
Von je 100 abgefertigten |
I. Auf dem Lande geboren: |
|
||
a) in Land- oder Forstwirtschaft beschäftigt |
75.606 |
25,72 |
58,64 |
b) Anderweit beschäftigt |
110.389 |
37,55 |
58,40 |
I zusammen |
185.995 |
63,27 |
58,50 |
II. In der Stadt geboren: |
|
||
a) in der Land- oder Forstwirtschaft beschäftigt |
10.697 |
3,64 |
58,52 |
b) Anderweit beschäftigt |
97.263 |
33,09 |
53,52 |
II zusammen |
107.960 |
36,73 |
53,97 |
I und II zusammen |
293.955 |
100,00 |
56,75 |
Es lieferten also, infolge der verelendenden Wirkungen des kapitalistischen Industrialismus, die auf dem Lande geborenen, in der Landwirtschaft beschäftigten Elemente von den Militärpflichtigen ihrer Gruppe 58,64 Prozent, die in der Stadt geborenen und nicht in der Landwirtschaft beschäftigten nur 53,52 Prozent Taugliche. Trotzdem waren doch von je 100 Tauglichen nur 29,36 Prozent in der Landwirtschaft beschäftigt. Das ist um so auffallender, als noch 1895 die landwirtschaftliche Bevölkerung 35,74 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte. Wenn dennoch 1902 nur 29,36 Prozent der Tauglichen aus der Landwirtschaft hervorgingen, so ist das teils dadurch zu erklären, daß die landwirtschaftliche Bevölkerung seit 1895 weiter zurückgegangen ist (1882 betrug sie noch 42,51 Prozent), teils daraus, daß der Landwirtschaft gerade die rüstigsten Elemente am ehesten entfliehen, Kinder und Greise bei ihr daher verhältnismäßig mehr überwiegen als in der städtischen Bevölkerung. Von den männlichen Erwerbstätigen der Industrie standen 1895 27,01 Prozent im Alter von 20 bis 30 Jahren; von denen der Landwirtschaft bloß 18,96. Daher kommt es, daß die industrielle Bevölkerung in der Armee noch mehr überwiegt, als man nach ihrer verhältnismäßigen Größe annehmen sollte. Und auch hier finden wir wieder, daß die Verschiebung zugunsten der industriellen Bevölkerung fortschreitet. 1882 standen noch 20,19 Prozent der männlichen Erwerbstätigen der Landwirtschaft im Alter von 20 bis 30 Jahren, 1895 nur noch 18,96. Dagegen betrug diese Prozentzahl für die männlichen Erwerbstätigen der Industrie 1895 26,76, 1895 schon 27,01.
Die Tendenzen der Entwicklung lassen sich noch aus anderem Wege erkennen, wenn man die Truppenkörper aus industriell rückständige« mit denen aus industriell vorgeschrittenen Landesteilen vergleicht, etwa die Zusammensetzung des 1. bayerischen Armeekorps, das sich aus der „deutschen Vendee“ rekrutiert (Oberbayern, Niederbayern und Schwaben), mit der des 7. preußischen (Westfalen, Rheinprovinz) und des 2. sächsischen (Leipzig, Chemnitz, Zwickau).
Wir finden da:
Armeekorps |
Taugliche |
In der Landwirtschaft |
|
|
Absolut |
In Proz. aller |
|
1. Bayrisches |
11.041 |
4.560 |
41,5 |
7. Preußisches |
34.959 |
5.810 |
15,6 |
2. Sächsisches |
11.884 |
1.847 |
15,5 |
Die letzteren sind bedenkliche Zahlen für jene, die einzig ans den „antikollektivistischen Bauernschädel“ pochen.
Aber nicht bloß die soziale Zusammensetzung der Armee verschlechtert sich für die Herrschenden immer mehr.
Der Regierungsmechanismus wird heute auch immer abhängiger von den um Lohn arbeitenden Klassen. Die ganze ökonomische und politische Entwicklung drängt dahin, immer mehr Betriebe zu verstaatlichen und das ganze staatliche Leben immer mehr durch das ungestörte Funktionieren dieser Betriebe zu bedingen. Vor allem gehört dazu das Transportwesen. Je mehr die Warenproduktion sich entwickelt, je mehr jeder nicht das produziert, was er braucht, sondern das, was er nicht braucht, um es zu verkaufen, um so mehr wächst die Menge der Konsumgegenstände, die einen Transport durchmachen müssen, ehe sie in die Hände des Konsumenten kommen. In gleicher Richtung wirkt die Arbeitsteilung unter den Betrieben. Es wächst die Zahl der Betriebe, die ein Produkt von der Form des Rohstoffs an durchlaufen muß, bis es gebrauchsfertig vorliegt. So sind Handel und Transport die Berufe, die am meisten wachsen. Im Deutschen Reiche nahmen von 1882 bis 1895 die Erwerbstätigen in Handel und Verkehr um 49 Prozent zu, in der Industrie um 29 Prozent, während sie in der Landwirtschaft sogar um eine Kleinigkeit abnahmen (0,23 Prozent). Im Eisenbahnbetrieb wuchsen sie um 53 Prozent, im Post- und Telegraphenbetrieb um 89.
Gerade im Transportwesen entwickelt sich aber auch zuerst der moderne Riesenbetrieb, der unter die Botmäßigkeit der hohen Finanz fällt. Wo die letztere nicht unumschränkt herrscht, da sucht bald die Staatsgewalt sich dieser Betriebe zu bemächtigen, wegen der hohen Bedeutung, die sie für das ganze staatliche Leben, namentlich auch für die Entwicklung seiner militärischen Kräfte, haben. Es ist bezeichnend für Frankreich, daß es mit der Verstaatlichung der Eisenbahnen ebensowenig vom Fleck kommt, wie mit der Einkommensteuer; trotz der Anwesenheit von Sozialisten im „Regierungsblock“ herrscht dort eben die hohe Finanz unumschränkt.
Aber mag der Eisenbahnbetrieb ein privater oder staatlicher sein, sein ungestörter Fortgang wird immer mehr zu einer Lebensfrage für die modernen Staaten, die Eisenbahner werden daher einer immer strengeren Disziplin unterstellt, indes gleichzeitig immer mehr militärische Kräfte geschult werden, den Eisenbahndienst zu versehen. Aber gerade die Eisenbahner sind neben den Arbeitern der fiskalischen Bergwerke von allen großen Schichten der Lohnarbeiter am unmittelbarsten an der Herbeiführung einer vom Proletariat abhängigen Regierung interessiert, sie bekommen es am unmittelbarsten zu suhlen, wenn eine Regierung dem Proletariat feindselig gegenübersteht.
Andererseits wird eine Regierung unter sonst gleichen Umständen um so kapitalistischer empfinden, je größer die Zahl der Staatsbetriebe und der von ihr ausgebeuteten Arbeiter, je direkter ihr Interesse am kapitalistischen Profit.
Die zunehmenden Verstaatlichungen von Betrieben sind also zunächst nicht ein Mittel friedlichen Hineinwachsens in den Sozialismus, sondern eines, die modernen Klassengegensätze und Klassenkämpfe in den Regierungsmechanismus selbst hineinzutragen und ihn dadurch um so empfindlicher zu machen.
In den Tagen der Barrikadenkämpfe war der Staat noch nicht so abhängig von den Lohnarbeitern in seinen Betrieben und in der Armee und noch nicht so empfindlich. Aber auch damals schon beruhten die Erfolge des Barrikadenkampfes vielmehr auf seinen desorganisierenden als seinen taktischen Wirkungen. Durch die Plötzlichkkeit und die Allgemeinheit des Aufflammens der Volkswut wirkte er verwirrend und lähmend auf Haupt und Glieder der Regierung, während er gleichzeitig für diese eine Situation schuf, in der sie ihrer größten Kraft, Kaltblütigkeit und Einheitlichkeit bedurfte. Wo es ihm nicht gelang, diese Wirkung hervorzurufen, vor allem dort, wo die Regierung auf ihn gefaßt war oder gar ihn provozierte, unterlagen die Barrikadenkämpfer unfehlbar. Welcher Gegensatz 1848 in Paris zwischen den Tagen des Februar und denen des Juni, in Wien zwischen des März und den des Oktober!
Heute durch bewaffneten Widerstand die Regierung aus dem Sattel zu heben, ist selbst dem schwächsten und kopflosesten Regime gegenüber angesichts der modernen Bewaffnung. Es sind heute nicht nur die Waffen des Militärs weit furchtbarer als vor fünfzig Jahren, die Bevölkerung ist auch weit wehrloser. Heutzutage kann man nicht sich selbst die Kugeln den Gewehren gießen; selbst wenn es gelingt in einem Zeughaus Gewehre zu erbeuten, sind sie nutzlos ohne die besonderen Patronen dazu.
Das Bewußtsein der kriegstechnischen Überlegenheit läßt heute jede Regierung, welche die erforderlichen Rücksichtslosigkeit besitzt, einem bewaffneten Volksaufstand ruhig entgegensehen – und eine weniger rücksichtslose hat ihn nicht mehr zu fürchten, da sie nicht in einem so schroffen Gegensatz zu den Volksmassen treten wird, der imstande ist, einen gewaltigen Ausbruch der äußersten Verzweiflung zu provozieren. Es ist daher nicht zu erwarten, eine bewaffnete Erhebung des Volkes könnte noch jene gewaltige moralische Wirkung hervorbringen, die notwendig ist, die Regierung kopflos zu machen und ihre Werkzeuge zu erschüttern.
Was der Barrikadenkampf nicht mehr gelingt, soll nun der politische Streik herbeiführen, die Regierung zu desorganisieren, indes er gleichzeitig die höchsten Ansprüche an ihre Kraft, Besonnenheit und Konsequenz stellt, und sie so zum Rückzug zu nötigen oder zur Abdankung zu zwingen. Es wird zu einer Kraftprobe zwischen staatlicher und proletarischer Organisation. [2] Mit einem Schlage wird die ganze Produktion still gesetzt, werden die Massen der Arbeiter auf die Straße gebracht, wird die Masse des kleinen und großen Bürgertums in wahnsinnige Angst versetzt, Angst ums Leben, Angst ums Eigentum, wird die ganze bewaffnete Macht zu ständiger, aufreibender Tätigkeit gezwungen, da jeder Besitzende im Lande nach ihrem Schutze verlangt und die Masse der feierenden Arbeiter überall und nirgends ist, jedem Zusammenstoß mit der bewaffneten Macht ausweicht, überall sich sammelt, wo diese nicht vorhanden ist. Jeder weitere Tag des Streiks steigert die Gegensätze, erweitert die Ausdehnung des Streiks aus jene Gegenden des flachen Landes, wo Industrie oder Großgrundbesitz vorkommen, vermehrt die Zahl der gefährdeten Punkte, vergrößert die Anstrengungen der Truppen, verschärft die Leiden und Leidenschaften der Streikenden, die Angst der Besitzenden, den Wirrwarr der Regierung, die hier fortgerissen wird zu den grausamsten und sinnlosesten Brutalitäten und dort zu furchtsamer Nachgiebigkeit, von allen Seiten fortgesetzt bestürmt, ein Ende zu machen, ob so oder so, ohne daß sie doch eine Handhabe hätte, den passiven Widerstand irgendwie zu packen, der nirgends greifbar ist und sie doch an allen Ecken und Enden lähmt.
Ist die Regierung stark genug, trotz alledem standzuhalten, ohne daß ihre Werkzeuge versagen und der Regierungsmechanismus in Unordnung gerät, gelingt es ihr, in dem allgemeinen Stillstand des gesellschaftlichen Lebens das ungestörte Funktionieren aller Teile des Staatsorganismus für solange zu sichern, bis die Kraft der Arbeiter erlahmt, bis diese vor die Alternative gestellt sind, entweder wieder unter das Joch zu kriechen oder durch verzweifelnde Gewalttat den Erfolg Zu suchen, den sie durch die Revolution der gekreuzten Arme nicht zu erringen vermochten, dann ist der Sieg der Regierung wahrscheinlich, allerdings ein Sieg, der in diesem Falle sehr teuer erkauft sein dürfte. Alle Schrecknisse, welche die Bourgeoisie von dem siegreichen Streik befürchtet, dürfte seine Niederlage über sie verhängen.
Gelingt es den Streikenden dagegen, solange ihren Zusammenhalt und ihre zielbewußte Passivität zu bewahren, bis sie die Regierungsgewalt all irgend einem Punkte desorganisiert haben, sei es, indem es ihnen gelingt, Faktoren, deren die Regierung bedarf, zu sich herüberzuziehen, sei es, daß die Regierung selbst durch Orärs, Lontreorärs, Dssoräro Verwirrung sät, Schwäche und Ratlosigkeit unter ihrem Anhang erzeugt, dann ist das Proletariat auf dem Wege zum Siege; die Besitzenden verlieren dann die Zuversicht, daß die Regierung sie schützen könne, es wächst unter ihnen die Furcht, jede Fortsetzung des Widerstandes könne ihnen Verderben bringen, sie bestürmen die Regierungsgewalt, nachzugeben, sie lassen sie im Stiche, um mit den aufsteigenden Gewalten zu paktieren und zu retten, was zu retten ist; die Regierung verliert jeden Boden unter den Füßen und die Staatsgewalt fällt derjenigen Klaffe zu, die ihren organisatorischen Zusammenhalt in dieser Krise am längsten zu wahren wußte, deren Ruhe und Zuversicht der großen, indifferenten Masse am meisten imponierte, die durch ihre besonnene Kraft selbst ihre Gegner entwaffnete: dem sozialdemokratisch geschulten Proletariat.
2. Daß der politische Streik wie der Barrikadenkampf durch Desorganisierung der Regierung wirkt, hat zuerst, und zwar in glänzender Weise, Parvus ausgeführt in seiner Artikelserie: Staatsstreich und politischer Massenstreik, Neue Zeit, XIV, 2, S. 193 ff., an der niemand Vorbeigehen darf, der die Frage des politischen Streiks studieren will.
Zuletzt aktualisiert am 20. Oktober 2024