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Allerhand Revolutionäres, Die Neue Zeit, 22 Jg., 1. Bd. (1904), H. 21, S. 652–657.
Quelle: Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Am nächsten, nach Rußland, scheint augenblicklich Belgien der Revolution zu stehen. Das industrielle Proletariat ist hier ausnehmend stark entwickelt, die konservative Bauernschaft ziemlich schwach.
Es entfielen von je 1.000 Berufsfällen (Haupt- und Nebenberufe zusammen):
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Belgien |
Deutsches |
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Auf die Industrie |
868 |
|
819 |
Auf den Handel |
111 |
114 |
|
Auf die selbständigen Landwirte |
145 |
} 221 |
421 |
Auf die Landarbeiter |
76 |
Die Zahlen würden sich noch zugunsten der industriellen Bevölkerung verschieben, wenn man nur die Hauptberufe allein in Betracht zöge, da nicht wenige industrielle Arbeiter gleichzeitig auch etwas Landwirtschaft treiben.
Im Deutschen Reiche gehörten 1895 von den Erwerbstätigen im Hauptberuf 362 zur Landwirtschaft (in Sachsen nur 167, in Bayern aber 464); hingegen 361 zur Industrie (in Sachsen 550, in Bayern 280). In Belgien wurden 1890 leider die hauptberuflich Tätigen nicht besonders gezählt, man kann also hier nicht die gleiche Unterscheidung wie für Deutschland vornehmen. Jedenfalls kann man annehmen, daß, wenn in Deutschland die industrielle und die landwirtschaftliche Bevölkerung einander so ziemlich die Wage halten, in Belgien die erstere mindestens das Doppelte der letzteren beträgt, vielleicht das sächsische Verhältnis erreicht.
Innerhalb der industriellen Bevölkerung selbst ist wieder das Proletariat in Belgien stärker vorherrschend als in Deutschland. Man zählte in der Industrie unter tausend Erwerbstätigen:
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Belgien 1890 |
Deutschland 1895 |
Selbständige |
188 |
249 |
Angestellte |
18 |
32 |
Lohnarbeiter |
802 |
719 |
Zu dieser sozialen Schichtung kommen politische Verhältnisse, die die Revolution begünstigen. Die Regierung ist, dank dem die besitzenden Klassen begünstigenden Wahlrecht, äußerst reaktionär, wodurch sie in steigenden Widerspruch nicht bloß zum Proletariat, sondern auch zu den Gesamtinteressen der Nation gerät; der König ist in weiten Kreisen des Volkes verachtet und verhaßt, die Armee, dank dem System der Stellvertretung und Anwerbung, im wesentlichen nur aus den besitzlosen Klassen rekrutiert, mißvergnügt und zur Meuterei geneigt. Es genügt, daß eine schwierige Lage der Regierung zusammenfällt mit einem Aufflammen des Volkszornes, und Leopold oder sein Nachfolger sieht das Gebiet seiner Herrschaft auf den Kongo reduziert.
Freilich, eine proletarische Revolution, ans Belgien beschränkt, könnte sich nicht lange behaupten. Schon aus ökonomischen Gründen vermöchte dieses kleine Gebiet mit seinen sieben Millionen Bewohnern für sich allein kein dauerndes sozialistisches Regime inmitten einer kapitalistischen Umgebung begründen. Aber noch näher liegt seine politische Gefährdung. Ein republikanisches, vom Proletariat beherrschtes Belgien bedeutet einen ständigen Revolutionsherd, eine Aufforderung an die Proletarier der anderen Länder Europas, dies Beispiel nachzuahmen, eine Quelle beständiger Gärung der unteren Volksmassen außerhalb Belgiens. Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs müßten sich beeilen, den Feuerbrand auszustampfen, aus dem so bedrohliche Funken auf die geflickten Strohdächer der agrarischen und industriellen Scharfmacher in den Nachbarländern flögen. Aber gerade bei dem Versuch, das Feuer zu löschen, könnte es erst recht zum Aufflammen kommen.
Ein Volk, das sich seiner Freiheit wehrt, ist nicht so leicht unterjocht, wie das Beispiel der beiden südafrikanischen Republiken gezeigt hat, wo kaum 400.000 Weiße, worunter höchstens 40.000 wehrhafte Männer, dem englischen Weltreich solange siegreichen Widerstand zu leisten wußten. Die belgische Armee mit 150.000 Mann würde zahlreichen Zuzug begeisterter Freiwilliger von außen bekommen, und in diesem Falle würde die Arbeiterpresse nicht schreiben: Zuzug fernhalten. Jeder Tag des Widerstandes müßte aber die Gärung im Lager des Feindes verstärken und die Gefahr einer Rebellion daselbst vermehren.
Aber immerhin wäre bei der ungeheuren Übermacht der benachbarten Mächte schließlich die Erdrückung der jungen Republik kaum zu verhindern, wenn nicht ein Faktor ihr zu Hilfe käme: der Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland, der hier zum erstenmal der Sache der Freiheit nützen würde. Sollte Frankreich ruhig zusehen, wie Deutschland Belgien niederwirft und okkupiert, oder sollte gar eine französische Armee die Funktionen preußischer Gendarmen übernehmen und Hand in Hand mit der deutschen Armee zur Erwürgung der Belgier ausmarschieren? In dem einen wie in dem anderen Falle droht der französischen Regierung die Gefahr, von einer Explosion der Volkswut getroffen zu
werden, in der das Niedrigste und das Höchste, nationaler Haß und internationale Solidarität, kleinbürgerliche Verbissenheit und proletarischer Revolu tionsdrang sich vereinigen würden, um mit französischem Elan ein derartiges Regime des Volksverrats hinwegzufegen, was um so leichter passieren könnte, als die französische Armee sich in diesem Falle kaum mit Begeisterung für die Regierung schlagen würde.
Die Regierung des Deutschen Reiches müßte dann, um Belgien niederzuschlagen, den Krieg gegen Frankreich eröffnen. Das würde nicht ein Krieg wie der von 1870; keiner zur Erringung des Ideals der Einigung, das die Nation seit Jahrzehnten aufs heißeste ersehnt, kein Krieg gegen einen frechen Usurpator, keiner, der mit einigen raschen Schlägen die Volksmassen zu allgemeinem Siegesrausch fortreißen würde. Sondern ein Krieg, an dem, einige wenige privilegierte Ausbeuterschichten ausgenommen, niemand ein Interesse hat, der die entschlossenste Gegnerschaft der einzigen großen Klasse der Nation finden muß, die noch Ideale hegt. Ein Krieg, nur dazu bestimmt, ein friedliches Volk abzuschlachten, das nichts verlangt, als in Ruhe gelassen zu werden. Ein Krieg, der, selbst wenn er zum Siege führt, diesen nur in langem, wechselvollem und opferreichem Ringen erlangt, denn die feindlichen Armeen sind heute anders gerüstet als 1870, und wären von ganz anderem Geiste beseelt als die Prätorianer Napoleons.
Das würde ein Krieg, der sehr wohl den Anfang des Endes bedeuten könnte.
Auch dabei könnte die polnische Frage eine Rolle spielen, aber auch hier wieder eine andere als die von Lusnia erwartete. Das revolutionäre Regime in Belgien und Frankreich müßte zu seiner eigenen Rettung trachten, alle revolutionären Bestrebungen des Anstandes materiell zu unterstützen, um so die Kräfte seiner Gegner zu zersplittern und die Aufregung der Volksmassen zu steigern. Es würde vielleicht versuchen, die Revolution nach Holland und Italien zu tragen, Unruhe in Rußland und Österreich zu erregen. Dazu wäre unter anderem die Ermutigung der polnischen Aspirationen sehr geeignet. Aber sie wären hier ein Mittel, nicht nur die russische, sondern auch die borussische Reaktion zu schwächen.
Wir sind heute jedoch schon soweit, daß wir bei Untersuchung der Möglichkeiten der Revolution nicht bei Europa stehen bleiben dürfen. Wenn Genosst Wilshire in seiner Kritik meiner Schrift meint, die Vereinigten Staaten ständen dem Sozialismus näher als Europa, so hat er vielleicht nicht unrecht. Allerdings, darin kann ich ihm nicht beistimmen, wenn er ausspricht, die Zentralisation des Kapitals feit dort soweit vorgeschritten, daß nicht mehr die Arbeiterklasse allein, sondern bald alle Klassen im Sozialismus den Erlöser sehen und ihm zujubeln werden.
Vielleicht keine Klasse bedarf des Sozialismus mehr, als der kleine Handwerker und Händler. Seine Aussichten in der kapitalistischen Gesellschaft sind viel trüber, als etwa die des gelernten Lohnarbeiters. Ihm winkt in der heutigen Gesellschaft nur noch ein Abstieg, und zwar sehr oft der Abstieg ins Lumpenproletariat. Und dennoch widersetzen sich die kleinen Handwerker und Händler vielfach aufs energischste der Sozialdemokratie, der gerade aus diesen Klassen die wütendsten Feinde erstehen, wie die Geschichte des Antisemitismus beweist. Der Sozialismus würde sie retten, aber der Sozialismus ist die Zukunft, eine ungewisse Zukunft. Das Klasseninteresse der Gegenwart aber treibt diese Schichten, durch verstärkte Ausbeutung der Ärmsten der Armen eine Rettung zu suchen und daher jedem Fortschritt der Arbeiter, jedem Arbeiterschuhgesetz, jeder Organisierung der Arbeiter in Gewerkschaften und Konsumvereinen noch ablehnender gegenüberzustehen, als die Klasse der großen Kapitalisten.
In Amerika wird es wohl auch nicht anders mit den kleinen Kapitalisten stehen. Sie werden von den großen Monopolen erdrückt; sie empören sich gegen diese in den schärfsten Worten, wie unsere Antisemiten gegen das Kapital; wo es aber zum Handeln kommt, suchen sie sich zu retten, nicht durch Niederwerfung der Monopolisten, sondern durch verstärkte Ausbeutung der Arbeiter. Nicht von dem Übergang der Kapitalisten ins sozialistische Lager erwarte ich in Amerika den Sieg des Sozialismus – dieser Traum Bellamys könnte nun schon ausgeträumt sein –, sondern von der fortschreitenden Verschärfung des Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit, den die Trusts nicht bloß für sich, sondern für die ganze Kapitalistenklasse ans die Spitze treiben müssen. So sehr es auch im Interesse der ganzen Nation liegt, daß die Trusts nationalisiert werden, nur das Proletariat allein kann sie wirklich überwinden; der Kampf der anderen Klassen gegen sie wird nur ein Scheinkampf sein.
Die Riesenhaftigkeit der Trusts, der Krisen, der Arbeitslosigkeit – alle diese Faktoren, die in Amerika bereits gewaltigere Dimensionen annehmen als in Europa, sie können sehr wohl bewirken, daß das Proletariat jenseits des Atlantischen Ozeans sich früher der politischen Gewalt bemächtigt als bei uns; vielleicht nicht mit einem klaren, sozialistischen Programm, vielleicht um, den angelsächsischen Traditionen entsprechend, zunächst nur eine einzelne Erscheinung des Kapitalismus zu bekämpfe», etwa die Arbeitslosigkeit oder die Trusts. Aber auch in diesem Falle müßte das proletarische Regime bald zu Konsequenzen getrieben werden, ans denen eine sozialistische Ordnung der Produktion erwüchse.
Indes, selbst wenn es gelänge, dem amerikanischen Arbeiter, der so durch und durch „Praktiker“ ist, das Verständnis der sozialistischen Theorien beizubringen, so daß das proletarische Regime von vornherein ein zielbewußt sozialdemokratisches würde, selbst in diesem Falle würde eine amerikanische Revolution ein ganz anderes Gesicht bekommen als eine europäische.
Nicht nur sieht die politische Gewalt dort ganz anders aus als bei uns, auch die soziale Schichtung ist eine andere. Es würde jedoch zu weit führen, dies eingehender darzustellen, auch würde die Eigenart amerikanischer Verhältnisse besser von einer amerikanischen Feder geschildert.
Aber welches immer die Formen sein mögen, welche die soziale Revolution drüben annimmt, sie könnte Europa nicht unberührt lassen. Sie müßte den Drang und die Kraft des europäischen Proletariats zur Eroberung der politischen Macht bedeutend steigern. Entweder führte das zum Siege der Arbeiterklasse auch in Europa, oder aber, wenn sie darin scheiterte, zu ihrer Massenauswanderung und zur Verödung der alten kapitalistischen Länder.
Auch diese Eventualität ist ins Auge zu fassen. Die Welt ist nicht so zweckmäßig eingerichtet, daß die Revolution immer dort siegt, wo es im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist. Wenn wir von der Notwendigkeit des Sieges des Proletariats und des daraus folgenden Sozialismus sprechen, so meinen wir nicht damit, daß dieser Sieg unvermeidlich sei oder gar, wie mancher unserer Kritiker es auffaßt, mit fatalistischer Sicherheit von selbst rammen müßte, auch wenn die revolutionäre Klasse die Hände in den Schoß legte. Die Notwendigkeit ist hier aufzufassen in dem Sinne der einzigen Möglichkeit der Weiterentwicklung. Wo es dem Proletariat nicht gelingt, seiner Gegner Herr zu werden, da kann die Gesellschaft sich nicht fortentwickeln, da muß sie stagnieren und verfaulen.
Die Beispiele von Staatswesen, die verkommen, weil sie der Revolution bedürfen und nicht imstande sind, eine revolutionäre Klasse zu erzeugen, sind in der Geschichte nicht selten. Selbst das heutige Europa birgt ein solches in der Türkei. Ihr Schicksal würde das ganz Europas werden, wenn dessen Proletariat in seinen: Streben nach Erringung der politischen Macht scheiterte. Siegte es dagegen gleichzeitig in Amerika, so würde alles, was Intelligenz und Energie im Proletariat und auch unter den Intellektuellen besitzt, übenden Ozean der neuen Freiheit zuströmen, und Europa käme Amerika gegenüber bald in eine Position, ähnlich der, die heute etwa Unteritalien Deutschland gegenüber einnimmt. Es hörte auf für die gesellschaftliche Entwicklung etwas zu bedeuten und wäre nur noch interessant durch seine Natur und seine Sammlungen und Ruinen, die Zeugen früherer Größe.
Indes liegt kein Grund zu so düsteren Erwartungen vor angesichts der Kampfeslust und Kampfesfähigkeit, die sich im europäischen Proletariat vereinigen mit ebensoviel Begeisterung und Opfermut wie Besonnenheit und Vorsicht. Selbst das englische Proletariat bietet keinen Anlaß zum Pessimismus. Es hat bereits so Großes im neunzehnten Jahrhundert geleistet, seine Lethargie ist so jung mit historischem Maßstab gemessen, daß man wohl annehmen darf, sie sei ausnahmsweisen, vorübergehenden Verhältnissen geschuldet, derselben Ausnahmsstellung aus dem Weltmarkt, die das englische Kapital verwöhnte und seine Fähigkeiten für den Konkurrenzkampf verkümmerte. Jetzt, wo aller Welt offenbar geworden ist, daß diese Ausnahmsstellung der Vergangenheit angehört, dürfte auch die Unselbständigkeit und Passivität des englischen Arbeiters verschwinden. Er fand sich mit der Bourgeoisie zusammen im liberalen Freihandel. Der Bekehrung des Bourgeois zum Schutzzoll muß die Bekehrung des Proletariers zum Sozialismus folgen.
Man sieht, die mannigfachsten Probleme tauchen auf, wenn man die Möglichkeiten der kommenden Revolution in Betracht zieht; nur eines nicht: die polnische Frage in den: Sinne, in dem Lusnia sie entwickelt. Sie ist ein Probten: der Vergangenheit. Wenn aber unsere Ausführungen gezeigt haben, daß die mannigfachsten Formen der Revolution denkbar sind, und wenn noch mehr dieser Formen möglich als denkbar sind, da noch neue, unerwartete Faktoren austreten können und wahrscheinlich auftreten werden, an die heute noch niemand denkt, so dürfte doch eines sicher sein: die Revolution der Zukunft wird nicht zu Formen.und Problemen zurückkehren, die bereits der Vergangenheit angehören.
Indes, um zu diesen: Ergebnis in der polnischen Frage zu kommen, war der aufgewendete Apparat vielleicht zu weitläufig. Dasselbe Resultat Hütte sich einfacher erreichen lassen. Aber mir war’s bei diesen Ausführungen noch um etwas anderes zu tun. Ich hoffe, ans dieser Erörterung der Möglichkeiten der Revolution geht klar hervor, wie wenig alle Maßregeln der Scharfmacher in Deutschland imstande sind, ihr vorzubeugen. Bei allen den Möglichkeiten, die ich entwickelt, und sie erscheinen nur heute die nächstliegenden, blieb Deutschland von der revolutionären Initiative ausgeschlossen, wurde die Revolution nach Deutschland von außen hineingetragen. Was würde an diesen Aussichten geändert durch irgend eine Einschränkung des Wahlrechtes, eine Verkümmerung des Koalitionsrechtes, eine verstärkte Verfolgung der sozialistischen Presse in Deutschland? Zu russischen Verhältnissen könnte man das deutsche Proletariat doch nicht degradieren!
Aber je näher die deutschen Zustände den russischen kämen, desto ähnlicher würde auch die Lage der deutschen Regierung der der russischen. Desto mehr geriete sie in Gegensatz zu den Gesamtinteressen der Nation, desto mehr müßte sie das ökonomische Leben lähmen. Denn die freie Entwicklung des Kapitalismus setzt die freieste Initiative des einzelnen in der Gesellschaft voraus. Je mehr diese gehemmt wird, desto mehr wird auch jener beengt. Polizeiliche Unterdrückung und wirtschaftliche Blüte sind miteinander unvereinbar bei entwickelter kapitalistischer Wirtschaft. Ein Gewaltregime gegen die Sozialdemokratie bedeutete, wenn es dauernd energisch durchgeführt werden sollte, den ökonomischen Niedergang Deutschlands; es bedeutete ihn um so mehr, als die Träger dieses Gewaltregimes die ökonomisch reaktionärsten Klassen werden müßten, das Junkertum und der antisemitisch zünftlerische Teil des Kleinbürgertums samt dem ihnen Gefolgschaft leistenden Teile der Bauernschaft.
Man erzeuge russische Zustände in Deutschland, und man treibt dem finanziellen Bankrott, der Stagnation der Industrie, der Korrumpierung und Desorganisation von Armee und Bureaukratie, kurz der ganzen Schwäche der russischen Regierung, der ganzen Verzweiflung der russischen Nation entgegen, also gerade jenen Zuständen, die es wahrscheinlich machen, daß Rußland die Initiative der kommenden Revolution ergreift.
Ich erwarte, uns gesagt, nicht, daß von Deutschland die nächste Revolution ausgeht. Sollten die Thatsachen diese Erwartung Lügen strafen, dann dürfte die Ursache davon einem energischen Gcwaltregime gegen die Sozialdemokratie entspringen.
Ich halte jedoch ein solches nicht für wahrscheinlich, dazu sind die Verhältnisse Deutschlands doch schon zu sehr bürgerlich entwickelt. Aber auch daran glaube ich nicht, daß man der Sozialdemokratie gestatten wird, auf den gegebenen gesetzlichen Grundlagen sich weiter zu entwickeln. Ich erwarte eine verstärkte Auflage des Zickzackkurses, ein Regime, das durch große Versprechungen die Arbeitermassen der Sozialdemokratie abwendig zu machen sucht, ohne die Kraft, diese Versprechungen zu verwirklichen, was die Genasführten um so mehr erbittern muß, je mehr sie der Regierung vertrauten. Andererseits ein Regime, das sich von Fall zu Fall zu vereinzelten, systemlosen, krampfhaften Wutnnfällen und Gewaltstreichen hinreißen läßt, die einzelne Individuen hart treffen, oder die Gesamtheit des Proletariats schikanieren, aber dessen Kraft nicht brechen, zu Maßregeln, die in jedem Falle empören, ohne einzuschüchtern, ich erwarte aber nicht ein Regime, das die in letzter Linie freilich selbstmörderische Energie zu einem System dauernder Schreckensherrschaft aufbringt, die jede Kraftäußerung des Proletariats niederdrückt.
Aber welchen Weg immer die herrschenden Kreise gehen mögen, den der friedlichen Legalität, den des russischen Terrorismus oder den haltlosen Schwankens zwischen dem einen und anderen, den Klassenkampf des Proletariats werden sie nicht hindern.
Zuletzt aktualisiert am 20. Oktober 2024