MIA > Deutsch > Marxisten > Kautsky > Vorläufer > Absch. II
Als die Germanen in das Römerreich einbrachen, war ihr Ackerbau noch auf einer niederen Stufe. Viehzucht und Jagd standen noch im Vordergrund des Wirthschaftslebens, die Bauern waren noch halb nomadisch. Nun nahmen sie Besitz von einem Theil der Latifundien in den romanischen Ländern ein freier Bauernstand bildete sich dort wieder. Diese Bauern lernten die höhere römische Produktionsweise kennen, die Viehzucht und noch mehr die Jagd traten zurück gegenüber dem Ackerbau, die Germanen wurden seßhaft.
Und nun schien es, als sollte sich die Entwickelung wiederholen, die im alten Rom vor sich gegangen war. Der bäuerliche Betrieb vertrug sich nicht mit dem Kriegsdienst, zu dem damals jeder freie Mann verpflichtet war, das ewige Kriegen jener Zeit ruinirte die Bauern, die Bauernwirthschaften verkamen.
Aber die Bauernwirthschaft sollte nicht wie im alten Rom, durch die Sklavenwirthschaft ersetzt werden: Kaum waren die germanischen Stämme christlich, das heißt mit der römischen Produktionsweise einigermaßen vertraut, seßhaft geworden, als von allen Seiten Horden von unstäten, leichtbeweglichen Völkern auf sie eindrangen, Reitervölker und Seevölker, Awaren und Magyaren von Osten, Normannen voll Norden, Sarazenen von Süden und Osten her. Vom 8. bis ins 11. Jahrhundert wurde die abendländische Christenheit durch ununterbrochene Raubzüge dieser Eindringlinge gepeinigt, oft n ihrem Bestande bedroht. Weit entfernt, Sklaven zu erbeuten, wurde sie selbst ein ergiebiges Objekt für Sklavenjäger und Sklavenhändler. Christensklaven gab es eine Menge unter den „Heiden,“ dagegen wurden heidnische Sklaven immer seltener und theuerer unter den Christen. [1] Es wurde unmöglich, die Produktion auf die Sklaverei zu begründen, die Produktion durch Sklaverei hörte in jener Periode im christlichen Abendlande fast gänzlich auf. [2]
Die Großproduktion durch Sklaven wurde in den christlich-germanischen Reichen ebenso unmöglich, wie sie im römischen Kaiserreich unmöglich geworden war; und wie dort das Kolonat an deren Stelle getreten war, so entstand auch jetzt eine ähnliche Einrichtung, mitunter wohl unter direkter Anlehnung an das römische Vorbild.
Die verkommenen Bauern von ihren Stellen zu vertreiben, wäre damals eine große Thorheit gewesen. Nicht an Land fehlte es, sondern an Leuten. Die Reichen und Vornehmen in den christlich-gernanischen Staaten, die Bischöfe und Aebte, die Könige und Herzöge mit ihren Gefolgen und Günstlingen, trachteten nicht darnach, an Stelle der Bauernwirthschaften Sklavenwirthschaften zu setzen; sie suchten vielmehr die Noth des Bauern dadurch auszubeuten, daß sie ihn von sich abhängig, zins- und dienstpflichtig machten. Dafür mußten sie aber auch dem Bauern diejenigen Lasten abnehmen, denen er erlag, die eine ordentliche Bauernwirthschaft unmöglich machten, vor Allem den Kriegsdienst.
Ein Bauer nach dem anderen begab sich unter den Schutz eines der Mächtigen und verpflichtete sich, ihm jahraus jahrein eine bestimmte Anzahl von Produkten seiner Wirthschaft zu liefern und eine bestimmte Zahl von Arbeitstagen zu leisten. Dafür wurde ihm der Kriegsdienst abgenommen, den sein Schutz- und Grundherr au seiner Stelle mit seinen Gefolgen und Knechten leistete.
Eine andere Form, Zinsbaueru zu schaffen, war folgende: aus der Römerzeit hatten sich in den christlich-germanischen Reichen mancherlei Latifundien erhalten, namentlich die der Krche, die stets ihre Interessen trefflich zu wahren wußte. Neuer Großgrundbesitz wurde durch Schenkungen der Könige geschaffen. Die steten Kriege schufen viel herrenloses Land; die Fortschritte der Landwirthschaft machten auch viel Land verfügbar. Eine bestimmte Bevölkerung bedarf eitler viel kleineren Bodenfläche zu ihrer Ernährung, wenn sie vom Ackerbau, als wenn sie von der Viehzucht oder gar der Jagd lebt. Die ungeheueren Forste, die ehedem der Ernährung des Volkes gedient hatten, waren Gemeineigenthum bestimmter Markgenossenschaften. Sie verloren jetzt für diese an Werth und wurden von den Königen in Anspruch genommen, ebenso wie anderes wüstes Land, und an Günstlinge und Vornehme, namentlich an Bischöfe und Klöster geschenkt oder verliehen. Der neue Grundherr suchte dann, um seinen Besitz nutzbar zu machen, Bauern als Kolonisten heranzulocken, denen er Bauernstellen verlieh – natürlich mit gemeiner Weide und gemeinem Wald, ohne die eine bäuerliche Wirthschaft unmöglich gewesen wäre – gegen bestimmte Lieferungen und Leistungen.
Suchte jeder Grundherr so viel neue Bauern als möglich anzulocken, so trachtete er noch mehr darnach, daß ihm seine Bauern nicht abgelockt würden. Alle Mittel, die ihm zu Gebote standen, moralische und unmoralische, rechtliche und widerrechtliche, bot er auf, um sie an die Scholle zu fesseln. Die bis dahin freien Bauern wurden nicht nur zinspflichtig, sie wurden auch hörig.
Aber wie tief auch die Bauern herabgedrückt werden mochten, stets standen sie hoch über dem Sklaven. Der Sklave, ein Fremder im Lande, ein Fremder seinen Mitsklaven gegenüber, ist rechtlos eine bloße Sache, er hat nicht die mindeste Grundlage, auf der er fußen könnte, um einen dauernden Klassenkampf zur Emanzipation seiner Klasse zu führen. Wir wissen wohl von Sklavenaufständen, aber derartige vorübergehende Explosionen konnten im besten Falle den Theilnehmern daran die Freiheit verschaffen, auf die Institution der Sklaverei selbst blieben sie ohne Einfluß. Sie waren Versuche, nicht die Sklaverei abzuschaffen, sondern ihr zu entfliehen. Die Abschaffung der Sklaverei ist nirgends das Werk eines andauernden Klassenkampfes von Sklaven gewesen.
Anders als mit den Sklaven stand es mit den Hörigen des Mittelalters. Sie waren nicht rechtlos, ihre Leistungen und Lieferungen waren bestimmt abgegrenzt und jedes Mehr. oder Minder konnte ihnen nicht willkürlich auferlegt, mußte ihnen aufgedrungen oder abgefeilscht werden. Und der Hörige stand dem Grundherrn nicht vereinzelt gegenüber. Jeder Bauer, ob hörig oder frei, gehörte einer Markgenossenschaft an, die mit ihm solidarisch war, wie er mit ihr. In dieser Organisation fand er stets einen mächtigen Rückhalt. Auf dieser Grundlage konnte der Bauer dem Grundherrn ganz gehörigen Widerstand leisten, und er hat es oft genug gethan. Das ganze Mittelalter ist eine Zeit von Klassenkämpfen zwischen Grundherren und ihren Bauern, und diese Kämpfe führten schließlich unter günstigen Umständen oft wieder zur Befreiung der Bauern, nicht nur von der Hörigkeit, sondern auch von der Tributpflichtigkeit, zur Beseitigung der Grundherrschaft.
Und besser noch als den Bauern ging es den Handwerkern. Sie haben schließlich überall die Hörigkeit und Grundherrlichkeit abgeschüttelt.
Wie wurde die Industrie im Mittelalter ursprünglich betrieben? Jede Wirthschaft erzeugte selbst, was sie brauchte. Jede Bauernwirthschaft – die wir uns nicht als Zwergwirthschaft vorstellen dürfen, sondern als eine Hausgenossenschaft, eine große Familie, in der mehrere Generationen, ein Vater mit seinen Söhnen und deren Weibern und Kindern, mitunter auch Kindeskindern hauste – produzirte nicht blos ihre landwirthschaftlichen Rohprodukte, sondern verarbeitete diese auch: zu Mehl und Brot, zu Garn und Geweben, zu Geschirren und Werkzeugen u. s. w. Der Bauer war sein eigener Baumeister und Zimmermann, sein eigener Schreiner und Schmied.
Die Bedürfnisse der Gutsherren waren in der Regel viel weitergehend als die der Bauern; aber auch der Gutsherr mußte Alles, was er brauchte, auf dem eigenen Hof, dem Herrenhof (Fronhof), oder in den von ihm abhängigen Bauernwirthschaften erzeugen lassen. Ihm standen aber mehr Arbeitskräfte zu Gebot als den Bauern: Mit den Lebensmitteln, die ihm die Bauern abgaben, konnte er ein zahlreiches, meist unfreies Gesinde ernähren; daneben konnte er über jeden seiner Bauern während einer gewissen Anzahl von Tagen im Jahr (Frontage) verfügen. Er konnte daher eine gewisse Arbeitheilung eintreten lassen, die Einen ausschließlich oder vorwiegend mit Bau- oder Zimmermannsarbeit, Andere mit Lederarbeit, Dritte mit dem Schmieden von Waffen u. s. w. beschäftigen.
So bildeten sich auf den Fronhöfen die Anfänge des Handwerks im Mittelalter.
Wo sich Städte aus der Römerzeit erhalten hatten, namentlich in Italien und Südfrankreich, erhielten sich auch Spuren eines städtischen, freien Handwerks. Aber gegenüber dem Handwerk auf den Fronhöfen kommt das fast garnicht in Betracht.
Hatte aber einmal ein Arbeiter eine besondere Geschicklichkeit in einem Handwerk erlangt, dann war es irrationell, ihn mit anderen Arbeiten zu beschäftigen. Er fing an, wenn der Fronhof nicht seine ganze Arbeitskraft in seinem Handwerk in Anspruch nahm, für Andere zu arbeiten, für benachbarte Bauernwirthschaften oder Fronhöfe, die zu klein waren, um einen solchen Meister halten oder ausbilden zu können. Natürlich konnte er es nicht thun ohne Erlaubniß seines Grundherrn und ohne diesen mit einer Abgabe zu entschädigen.
So sehen wir die Anfänge der Kundenarbeit sich entwickeln.
Daneben tritt aber bald noch eine andere Thätigkeit: die für den Markt.
Manche Fronhöfe bildeten besondere Anziehungspunkte für die Bevölkerung der näheren oder weiteren Umgebung. So namentlich die kaiserlichen oder königlichen Residenzen (Pfalzen) und die Bischofssitze. Kriegsvolk sammelte sich dort, Gefolge, Beamte, und zeitweise strömte dort noch viel anderes Volk zusammen, zu Festen und Lustbarkeiten, zu Gerichtstagen, zu Kundgebungen aller Art. Was das Land damals an Reichthum produziren konnte, häufte sich namentlich an diesen Orten an. Sie bildeten naturgemäß auch die ersten Anziehungspunkte für die Kaufleute, in Deutschland anfangs meist Ausländer, Italiener und Juden. Dort fanden die Kaufleute am leichtesten Absatz für ihre Waaren, und auch die Handwerker durften dort am ehesten erwarten, ihre Produkte gegen andere eintauschen zu können.
Die Ortschaften, die mit solchen Fronhöfen verbunden waren, wurden zu Märkten. Sie wuchsen an Bevölkerung und Reichthum, wurden dadurch am ehesten in den Stand gesetzt, sich zu befestigen, und am ehesten dazu getrieben, weil sie die Raubgier am meisten anlockten. Durch die Befestigung wurde die Ortschaft zu einer Stadt.
Waren große Volkszahl und Reichthum Ursachen, einen Ort zu befestigen, so bildete die Befestigung und die Sicherheit, die sie bot, in den damaligen unsicheren Zeiten wieder einen Grund, der die Bevölkerung und den Reichthum der Stadt vergrößerte.
Auf diese Weise überzog sich Deutschland seit dem achten Jahrhundert, und ebenso früher oder später jedes der anderen Länder der abendländischen Christenheit, mit einem Netz von Städten.
Nur wenige der Städte waren von Anfang an freie Städte. Sie waren aus grundherrlichen Dörfern hervorgegangen, ihre Bewohner einem oder mehreren Grundherren unterthan. Aber je mehr die Städte an Reichthum und Volkszahl wuchsen, desto mehr konnten sie des Schutzes des Grundherrn einrathen, desto mehr wurden für ihre Bewohner die Abgaben und Leistungen an den Fronhof zu überflüssigen Lasten, und desto mehr wuchs ihre Macht, sich derselben zu entledigen. Immer entschiedener wendeten sich die Stadtbürger gegen die Grundherren, bis es ihnen schließlich überall gelang, die Freiheit zu erobern.
Von dieser Entwickelung blieben die Handwerker natürlich nicht unberührt. Sie bildeten ja einen sehr wesentlichen Bestandtheil der städtischen Bevölkerung, nahmen an den Kämpfen gegen den Grundherrn lebhaften Antheil und hatten Theil an den Erfolgen der Stadt.
Diese bildete nicht nur einen Markt, sondern auch eine Schutzwehr für die Handwerker. Neben den Handwerkern des Fronhofs ließen sich bald auch andere Handwerker in der Stadt nieder, flüchtige Leibeigene oder Hörige von anderen Fronhöfen und Freie, die das Handwerk schon betrieben oder sich ihm zuwandten. Damals herrschte noch kein Ueberfluß an Handwerkern, im Gegentheil: die Stadt war froh, wenn ihre Bevölkerung sich vermehrte, wodurch ihr Wohlstand und ihre Macht wuchs. Sie schützte entlaufene Leibeigene und Hörige. Blieben sie ein Jahr unangefochten in der Stadt, dann waren sie frei. Die Handwerker selbst sahen die neu zuziehenden Berufsgenossen nicht als Konkurrenten an, sondern als Kampfesgenossen, und hießen sie freudig willkommen. Neben den hörigen und leibeigenen Handwerkern wuchs die Zahl der Freien. Jene verbündeten sich mit Diesen, das Ansehen und die Macht der städtischen Handwerker nahmen zu, und die Unfreien unter ihnen wurden immer selbständiger. An Stelle ihrer Hofdienste und Naturallieferungen traten Geldabgaben. Die erhielten die Marktfreiheit, das Recht, frei und ungehindert zu kaufen und zu verkaufen. Schließlich setzte sich überall der Grundsatz durch, daß jeder in einer Stadt Ansässige eo ipso persönlich frei sei.
Ein Handwerk nach dem anderen verschwand aus den Fronhöfen, ein Handwerk nach dem anderen wurde ausschließlich städtisch. Was die Gutsherren eher dem auf den eigenen Höfen hatten erzeugen lassen, mußten sie nun in den Städten als Waaren kaufen.
Und das Handwerk hörte völlig auf, von unfreien Menschen betrieben zu werden. Am Ende dieser Entwickelung finden wir nur noch freie Männer unter den Handwerkern, das Handwerk selbst blühend und hochgeehrt.
Die Zeit dieser Entwickelung ist für jedes besondere Handwerk und jede besondere Lokalität verschieden. Sie beginnt im Allgemeinen mit dem 11. und endet mit dem 14. Jahrhundert. [3]
Der Kampf gegen die städtischen Grundherren war nicht der einzige, den das aufstrebende Handwerkerthum zu führen hatten. Ebenso wichtig wurde der Kampf gegen die städtischen patrizischen Geschlechter.
Wir haben gesehen, wie die städte ursprünglich nichts waren als unumauerte Dörfer. Die Verfassung des Dorfes war die Markverfassung; diese blieb auch die Verfassung der Stadt. Wie das Gebiet des Dorfes, die Dorfmark, zerfiel das der Stadt, die Stadtmark, in Theile, die getheilte und die ungetheilte Mark (Weide, Wald, Wasser). Alle, die im Dorfe angesessen waren und eine eigene Wirthschaft trieben, hatten Antheil daran; sie bildeten zusammen eine Genossenschaft, die sich selbst verwaltete, nach eigenen Gesetzen lebte. Wo sich Grundherrschaften in den Marken bildeten, erhielten die Grundherren mancherlei Vorrechte, sie bildeten die ständigen Markvorsteher, die Beschlüsse der Märkerversammlung bedurften ihrer Zustimmung. Es war dies sozusagen ein konstitutionelles Regime.
Ursprünglich war in der Regel jeder Neuzuziehende als Markgenosse willkommen. Grund und Boden war ja im Ueberfluß vorhanden, dagegen fehlte es an Menschen, die ihn bebauten. Das änderte sich zuerst in den Städten, deren Bevölkerung rasch anwuchs. Hier schwand bald der Ueberfluß an Grund und Boden und die altangesessenen Familien fürchteten schließlich, sich zu schädigen, wenn sie die Neuzuziehenden noch der Mark theilnehmen ließen. Die Markgenossenschaft verwandelte sich in eine geschlossene Gesellschaft, die neue Mitglieder nicht mehr oder höchstens in Ausnahmefällen aufnahm, wenn ihr daraus besonderer Vortheil erwuchs.
Neben den altangesessenen Geschlechtern bildete sich nun in der Stadtgemeinde eine zweite Schicht von Einwohnern, die der später eingewanderten, welche an der gemeinen Stadtmark gar keinen oder doch nur geringfügigen Antheil besaßen, und welche, weil sie nicht zur Markgenossenschaft gehörten, auch in deren Verwaltung nichts drein zu reden hatten. Das Markregiment war aber gleichbedeutend mit dem Stadtregiment. Die Neubürger waren daher in der Stadt politisch rechtlos. Die Altbürger bildeten eine Aristokratie.
Anfangs waren die Neubürger als Schutzbürger blos geduldet in der Stadt. Aber mit der Zeit wuchsen sie an Zahl und Reichthum. Sehr viele Kaufleute, die meisten Handwerker gehörten zu ihnen. Sie begannen sich zu fühlen und Antheil an der Stadtregierung zu verlangen. Früher oder später, in manchen Städten im 13., in anderen im 14. Jahrhundert, begannen sie den Kampf gegen das Geschlechterregiment, und es gelang ihnen schließlich fast überall, im 14 oder 15. Jahrhundert, dasselbe zu stürzen und Antheil an der Regierung zu erlangen.
Die gemeine Mark wurde den Geschlechtern nicht genommen. Wo sich eine solche noch erhalten hatte, nicht vertheilt worden war, blieben auch die Markgenossenschaften als geschlossene Genossenschaften innerhalb der Stadtgemeinde bestehen. Aber die Stadtgemeinde hörte auf, eine Markgemeinde zu sein. politische Grundlage der Städte bildete nicht mehr die Markverfassung, sondern, wenigstens in Deutschland, die Zunftverfassung.
Größere Menschenmassen können nicht auf die Dauer kämpfen, ohne sich zu organisiren. Auch die Handwerker mußten sich eine Oganisation geben; ein Vorbild dazu fauden sie in den Markgenossenschaften. Bereits hatte man auf reichen Fronhöfen, wo viele Arbeiter beschäftigt waren, die Arbeiter jedes Gewerbes in Genossenschaften unter einem Meister organisirt, allerdings nicht zu Zwecken des Kampfes, sondern der Produktion und Verwaltung. Aber wo es zu Kämpfen der hörigen Arbeiter gegen ihre ihre Grundherren kam, mußten diese Genossenschaften auch kriegerischen Zwecken dienen; sie wurden beibehalten, als die Handwerker ihre Freiheit errungen hatten. Aus dem hörigen Handwerksamt wurde eine freie Innung.
Neben dieser gründeten vielfach die freien Handwerker in den Städten zu ihrem Schutz Organisationen, die von vornherein frei waren und sich selbst verwalteten. Diese freien Innungen wirkten auf die hörigen zurück, unterstützten sie in ihren Kämpfen. Schließlich wurden beiderlei Genossenschaften identisch und nach Aufhebung der Hörigkeit in den Städten finden wir nur noch freie Innungen oder Zünfte.
In den meisten Städten bildeten sich freie Zünfte schon im 12. oder 13. Jahrhundert. In anderen erst später. Und nicht alle Gewerbe kamen gleichzeitig dazu, sich in Zünften zu organisiren. Die reichsten und diejenigen, die die meisten Mitglieder zählten, gelangten am ehesten dahin. Die ältesten Zünfte waren neben denen der Kaufleute die der Wollenweber und Gewandschneider. Nach ihnen kamen die der Schuster, Bäcker, Metzger u. s. w. Es kam auch vor, daß einzelne Gewerbe zu schwach vertreten waren, als daß sie eine Zunft für sich hätten bildem können; sie mußten sich dann der Zunft eines anderen Gewerbes anschließen, wollten sie des Schutzes einer Organisation theilhaftig werden. So gehörten z. B. die Bader in Reutlingen zur Metzgerzunft, in Eßlingen zur Kürschnerzunft.
Wer nur konnte in der städtischen Bevölkerung, schloß sich einer Zunft an. [4] Aber nicht Alle waren in der glücklichen Lage, dies thun zu können. Zahlreiche Berufe blieben stets übrig, die entweder ihren Mann zu schlecht nährten oder zu verachtet waren, als daß sie zu Zünften sich hätten zusammenschließen oder Zutritt zu schon bestehenden Zünften hätten erlangen können. Auf diese misera contribuens plebs sahen die zünftigen Handwerker ebenso hochmüthig herab, wie die Patrizier auf sie selbst, und es fiel ihnen nicht ein, auch für diese tiefsten Schichten der Bevölkerung einzutreten.
Neben der Altbürgerschaft erwuchs in den zünftigen Handwerkern eine zweite Schicht Privilegirter in der Stadt.
Je mehr aber die Zunft zu einem Privilegium wurde, desto mehr entwickelt:e sich innerhalb des Handwerks ein neuer Klassengegensatz: der zwischen Meister und Geselle.
1. Ganz verschwanden sie nicht von den Märkten der Christenheit. Noch aus dem 13. und 14. Jahrhundert werden Beispiele von Sklavenhandel in Italien berichtet. Amadeus VI. von Savoyen kaufte 1307 zu Konstantinopel zwei Sklavinnen. In Genua kostete 1384 eine tatarische Sklavin, „frei von allen geheimen Krankheiten (magagnis),“ 1.049 Lire, eine andere 1389 1.312 Lire. Die Sklavenhändler bezogen ihre Waare meist aus Kaffa. In den städtischen Gesetzbüchern dieser Zeit findet man noch zahlreiche Bestimmungen über die Sklaven (Jul. Krone, Frà Dolcino und die Patarener. Historische Episode aus den piemontesischen Religionskriegen, Leipzig 1844, S. 16)
2. Daß es nicht Gewissensskrupel, durch das Christenthum erzeugt, waren, das der Sklaverei ein Ende machte, sondern nur die Noth, der Mangel all Sklavenmaterial, ersieht man daraus, daß, als die Christenheit soweit erstarkt war, wieder die Offensive gegen die „Ungläubigen“ zu ergreifen, gerade die Vorkämpfer der Christenheit die Ersten sind, die sich daran machen, Sklaven zu erbeuten und zu verschachern. Die Kreuzfahrer ebenso wie später die Spanier und Portugiesen in Afrika betrieben Beides auf das Schwunghafteste. Die Bulle Papst Nikolaus V. Vom 8. Januar 1454 erklärte es ausdrücklich für erlaubt, „alle Sarazenen, Heiden und andere Feinde Christi in ewige Sklaverei zu bringen,“ und Clemens V. (1523–1534) dehnt dies „Recht“ auch auf alle Ketzer aus (Ludw. Keller, Die Reformation und die älteren Reformparteien, Leipzig 1885, S. 480). Aber die Entwickelung der Produktionsweise hatte damals eine Richtung genommen, welche die Sklavenarbeit für Europa überflüssig machte. Der Sklave blieb ein Luxusartikel; das änderte sich erst, als die europäischen Mächte überseeische Kolonien eroberten und begründeten; dort fanden sie nicht die Vorbedingungen für die europäische Produktionsweise, dort konnte die Sklavenarbeit mit Vortheil angewandt werden. Von da an spielten Sklavenjagd, Sklavenhandel und Sklavenschinderei wieder eine wichtige Rolle im Erwerbsleben der europäischen Christenheit, und weder die römische noch eine der großen protestantischen Kirchen hat daran Anstoß genommen.
3. Die hofhörigen Goldschmiede begannen schon gegen Ende des 11. Jahrhunderts neben dem Dienst für den Fronhof für den Markt zu arbeiten. Und diese Arbeit hatte schon damals ihren knechtischen Charakter so sehr verloren, daß Freie sich ihr widmeten. (Hans Meyer, Die Straßburger Goldschmiedzunft von ihrem Entstehen bis 1681, Leipzig 1881, S. 154) Andererseits war in Bonn noch im 14. Jahrhundert das Recht zu Weben ein Amt, es war abhängig vom Fronhof. (Maurer, Geschichte der Städteverfassung in Deutschland, Erlangen 1870, II., S. 323)
4. Sogar die feilen Dirnen bildeten Zünfte, z. B. In Frankfurt, Genf, Paris, wo sie unter dem Schutze der heiligen Magdalena ihr „horizontales Handwerk“ trieben. (Maurer, a. a. O., II, S. 471.
Zuletzt aktualisiert am: 16.2.2011