Karl Kautsky

Karl Marx’
Oekonomische Lehren


II. Abschnitt
Der Mehrwerth

Viertes Kapitel
Mehrwerth und Profit


Derselbe Unterschied, der zwischen Werth und Preis besteht, waltet auch zwischen Mehrwerth und Profit ob. Was den Praktiker, den Verkäufer und Käufer von Waaren interessiert, ist ihr Preis. Ihn interessiren delnnach auch nur die Gesetze des Preises, weil ihre Kenntniß ihm nützlich sein kann bei seinen kaufmännischen Berechnungen und Spekulationen. Die Gesetze des Werthes, die dem Preis zu Grunde liegen, interessieren dagegen blos den Theoretiker, dem sich’s nicht darum handelt, möglichst billig zu kaufen und theuer zu verkaufen, sondern darum, die gesellschaftlichen Zusammenhänge zu erforschen, die durch die Waarenproduktion hergestellt werden.

So interessirt den praktischen Kapitalisten auch nicht der Mehrwerth, sondern der Profit. Er will nicht das Verhältniß zwischen Kapital und Arbeit erforschen, sondern einen möglichst großen Profit machen. Mit welchem Arbeitsaufwand aber dieser Profit geschaffen wird, das ist ihm zunächst sehr gleichgiltig. Es ist ja nicht seine Arbeit, die ihn schafft. Wohl aber ist es sein Geld, womit er geschaffen wird. Er setzt also den gewonnenen Mehrwerth nicht in ein Verhältniß zu der Menge Arbeit, die bei seiner Produktion aufzuwenden war, sondern zu der Menge Geld, die er dazu vorschießen mußte. Wird die Bewegung der Schaffung des Mehrwerths dargestellt durch die Formel G—W—(G + g) so mißt der Kapitalist seinen Profit durch das Verhältniß von g zu G. Dieses Verhältniß ist aber keineswegs dasselbe, wie das zwischen v und m, zwischen variablem Kapital und Mehrwerth. Die Geldsumme, die der Kapitalist für die Produktion vorschießen mußte, muß hinreichen, nicht blos den Arbeitslohn zu bezahlen, sondern auch Fabriksgebäude, Maschinen, Rohmaterialien, Hilfsstoffe, kurz alles das, was Marx unter dem Worte „konstantes Kapital“ zusammenfaßt. Schon dadurch wird bewirkt, daß selbst dort, wo Mehrwerth und Profit völlig übereinstimmen, die Profitrate doch eine andere ist, als die Mehrwerthsrate. Wird die Rate des Mehrwerths ausgedrückt durch die Formel v : m, so die Rate des Profits durch die Formel (c + v) : m.

Zu bemerken ist noch, daß das Jahr für viele Produktionszweige, namentlich die Landwirthschaft, einen natürlichen Produktionsabschnitt bildet, nach dessen Abschluß die Produktion wieder von Neuem beginnt. Es hat sich daher die Gewohnheit entwickelt, die Profitrate zu berechnen durch das Verhältniß der in einem Jahre gewonnenen Profitmenge zur Menge des in demselben Jahre für die Produktion vorgeschossenen Kapitals.

Es ist von vornherein klar, daß die Profitrate von der Mehrwerthsrate verschieden sein muß.

Wir hatten im vorigen Kapitel das Beispiel eines Kapitals von 5000 Mark gewählt; davon bildeten 4100 Mark das konstante, 900 Mark das variable Kapital; 900 Mark den Mehrwerth. Die Rate des Mehrwerths war also 900 : 900 = 100 Prozent. Die Profitrate dagegen ist in diesem Falle 5000 : 900 = 18 Prozent.

Aber zwischen der Rate des Mehrwerths und der des Profits stellt sich bald noch ein anderer Unterschied heraus als dieser rein formale einer anderen Art der Berechnung.

Es ist klar, daß dieselbe Mehrwerthsrate verschiedene Profitraten ergeben muß, wenn die Zusammensetzung des Kapitals eine verschiedene ist, wenn auf dieselbe Menge Arbeitslohn verschiedene Mengen konstantes Kapital kommen. Je nach der technischen Eigenart und dem Höhegrad der technischen Entwicklung ist aber diese Zusammensetzung in jedem Produktionszweig nothwendigerweise verschieden.

„Die Werthzusammensetzung des Kapitals, insofern sie durch seine technische Zusammensetzung bestimmt wird und diese wiederspiegelt, nennen wir die organische Zusammensetzung des Kapitals ... Wir nennen daher Kapitale, die prozentig mehr konstantes, also weniger variables Kapital enthalten als das gesellschaftliche Durchschnittskapital: Kapitale von höherer Zusammensetzung. Umgekehrt solche, wo das konstante Kapital einen relativ kleineren und das variable einen größeren Raum einnimmt als beim gesellschaftlichen Durchschnittskapital, nennen wir Kapitale von niedrigerer Zusammensetzung. Kapitale von durchschnittlicher Zusammensetzung endlich nennen wir solche, deren Zusammensetzung mit der des gesellschaftlichen Durchschnittskapitals zusammenfällt“ (Kapital, 3, Bd. 1, S. 124, 142).

Sehen wir nun zu, wie sich unter dem Einfluß der verschiedenen Zusammensetzungen die Profitrate gestaltet. Nehmen wir drei Unternehmungen aus drei verschiedenen Produktionszweigen. Der eine sei noch technisch rückständig, wende im Verhältniß zur Zahl der Arbeiter wenig Maschinen an, brauche keine großen Fabriksgebäude &c. Er habe eine niedere organische Zusammensetzung. Der zweite eine durchschnittliche, der dritte dagegen sei so hoch entwickelt, daß auf einen Arbeiter eine große Werthsumme an Maschinen und Baulichkeiten komme. Die organische Zusammensetzung seines Kapitals sei eine hohe.

Wir gestalten das Beispiel so einfach als möglich, nehmen daher an, in allen drei Produktionszweigen sei die Rate des Mehrwerths die gleiche und schlage das gesammte vorgeschossene Kapital einmal im Jahre um, das heißt, es werde insgesammt in einem Jahre in der Produktion verbraucht und das Produkt werde erst am Ende des Jahres, dann aber in seiner Gesammtheit verkauft. Das sind Annahmen, die kaum je in Wirklichkeit vorkommen, die wir aber machen müssen, soll nicht das Beispiel zu verwickelt und unübersichtlich werden.

In jedem der drei Unternehmungen werden 100 Arbeiter beschäftigt zu einem jährlichen Lohn von je 1000 Mark. Die Rate des Mehrwerths betrage überall 100 Prozent; die Lohnmasse also 100.000 Mark und ebenso die Masse des Mehrwerths 100.000 Mark. Aber das konstante Kapital belaufe sich im Unternehmen A auf 100.000 Mark, im Unternehmen B auf 300.000 Mark, im dritten Unternehmen C endlich auf 500.000 Mark.

Dann haben wir

Unternehmen

Kapital

Mehrwerth

Mehrwerthrate,
das heißt
Verhältniß des
Mehrwerths zum
konstanten Kapital

Profitrate,
das heißt
Verhältniß des
Mehrwerths zum
Gesammtkapital

  

variables

konstantes

Gesammt

 

 

Mark

Mark

Mark

Mark

Prozent

Prozent

A

100.000

100.000

   200.000

100.000

100

50   

B

100.000

300.000

   400.000

100.000

100

25   

C

100.000

500.000

   600.000

100.000

100

16,6

Zusammen

300.000

900.000

1.200.000

300.000

100

25   

Bei gleicher Mehrwerthsrate werden also die Profitraten sehr verschieden sein, wenn man die Waren genau zu ihren Werthen verkauft.

Diese Verschiedenheit der Profitraten ist aber ein Zustand, der in der kapitalistischen Produktionsweise nicht andauern kann. Der Kapitalist produzirt ja nur um des Profits willen, nicht um irgend ein Bedürfnis zu befriedigen. Was er produzirt, ist ihm einerlei, ob Nähnadeln oder Lokomotiven, Stiefelwichse oder Kölner Wasser, die Hauptsache ist, daß er einen möglichst hohen Profit für sein Geld einheimst. Was wird also die Folge davon sein, wenn in der einen Branche die Unternehmungen 50 Prozent, in einer anderen nur 17 Prozent abwerfen? Das Kapital wird die letztere meiden, so viel es nur kann, und sich mit aller Macht der ersteren zuwenden. A wird starke Konkurrenz bekommen, die Produktion der Waaren dieses Zweiges wird schnell anwachsen, indeß sie in C zurückgehen wird.

Hier kommen wir auf das Gebiet der Konkurrenz, auf das von Nachfrage und Angebot. Wir haben schon gesehen, daß Werth und Preis zwei verschiedene Dinge sind, wenn auch dieser durch jenen bestimmt wird. Unter den Ursachen, die bewirken, daß die Preise von den Werthen abweichen, bald höher, bald niedriger stehen, ist die wichtigste der Wechsel in der Nachfrage der Kauflustigen und dem Angebot der Verkäufer.

Nachfrage und Angebot sind bei freier Konkurrenz die Regulatoren der heutigen Produktionsweise, die sonst in die schlimmste Anarchie verfallen würde, da sie ja nicht planmäßig geregelt, sondern von Privatunternehmungen betrieben wird, von denen jedes für sich nach dem Ermessen seines Besitzers oder Leiters produzirt. Nachfrage und Angebot sorgen dafür, daß die vorhandenen Arbeitskräfte den verschiedenen Produkttonszweigen in der Weise zugetheilt werden, daß im Allgemeinen jeder so viel produzirt, als die Gesellschaft bei den gegebenen Verhältnissen verlangt. Freilich gilt das nur im Allgemeinen, nicht im Besonderen, nicht in jedem einzelnen Falle. Vielmehr wird bei der Planlosigkeit der heutigen Produktionsweise stets entweder zu viel oder zu wenig von der einen oder anderen Waare produzirt und erst hinterdrein wird durch das Spiel von Nachfrage und Angebot, das Sinken oder Steigen der Preise, dahin gewirkt, daß die Produktion dem gesellschaftlichen Bedürfniß entsprechend eingeschränkt oder erweitert wird.

Wird mehr von einer Waare produzirt, als die kaufkräftigen Mitglieder der Gesellschaft bei einer bestimmten Preishöhe, die in letzter Linie durch ihren Werth bestimmt wird, davon kaufen können oder wollen, dann sinkt sie im Preise, wodurch sich der Kreis derjenigen Gesellschaftsmitglieder erweitert, die sie kaufen können oder wollen. Aber mit dem Preise sinkt der Profit; sinkt er unter den Durchschnitt, dann wird dadurch das Kapital von dem betreffenden Produktionszweig abgeschreckt, seine Produktion wird verringert und damit der Preis wieder gesteigert, bis er die dem Durchschnittsprofit entsprechende Höhe erreicht.

Umgekehrt; steigt der Preis über diesen Höhepunkt hinaus, weil weniger von der Waare produzirt wird als der Nachfrage der Käufer entspricht, dann steigt damit auch der Profit. Das Kapital wird von dem Produktionszweig angezogen, strömt ihm zu, erweitert die Produktion, worauf die Preise wieder auf das den Durchschnittsprofit abwerfende Niveau herabsinken. Um dieses Niveau bewegen sich die Preise ununterbrochen, bald sich darüber erhebend, bald sich darunter senkend, und nur durch diese Wellenbewegung wird das Niveau hergestellt, das stets nur als eine Tendenz, ein Streben, nicht als ein dauernder Zustand vorhanden ist.

Dies Wirken von Nachfrage und Angebot muß auch jenen Ungleichheiten der Profitraten entgegenarbeiten, die aus der Ungleichheit in der organischen Zusammensetzung des Kapitals entstehen.

In der Branche C wird die Produktion abnehmen und es werden die Preise und damit die Profite steigen. In der Branche A wird die Produktion wachsen und werden die Preise sinken. Das Eine wie das Andere wird so lange fortgehen, bis die Profite sich ausgeglichen haben und auf der Höhe des Durchschnitts der Gesammtheit der Profitraten angelangt sind. Wir haben augenommen, daß B die durchschnittliche organische Zusammensetzung des Kapitals, seine Profitrate also die Durchschnittsprofitrate darstellt. Dann wird sich der Profit in den drei Unternehmungen folgendermaßen gestalten:

Unternehmen

Gesammtkapital

Mehrwerth

Mehrwerthsrate

Profitrate

Profit

 

Mark

Mark

Prozent

Prozent

Mark

A

   200.000

100.000

100

25

  50.000

B

   400.000

100.000

100

25

100.000

C

   600.000

100.000

100

25

150.000

Zusammen

1.200.000

300.000

100

25

300.000

Diese Ausgleichung der Profitrate wurden aber nur möglich dadurch, daß die Waarenpreise sich von den Waarenwerthen entfernten. Da nach unserer Voraussetzung das gesammte vorgeschossene Kapital in einem Jahre umschlägt und im Werth des Jahresprodukts erscheint, so finden wir jetzt folgendes Verhältniß zwischen dem Werth und dem Preis des Jahresprodukts jedes Unternehmens:

Unternehmen

Gesammtkapital

Mehrwerth

Werth des
Gesammtprodukts
(Produktionskosten
+ Mehrwerth)

Profit

Produktions-
preis des
Gesammtprodukts
(Produktionskosten
+ Profit)

 

Mark

Mark

Mark

Mark

Mark

A

   200.000

100.000

   300.000

  50.000

   250.000

B

   400.000

100.000

   500.000

100.000

   500.000

C

   600.000

100.000

   700.000

150.000

   750.000

Zusammen

1.200.000

300.000

1.500.000

300.000

1.500.000

Nehmen wir an, daß das Jahresprodukt jedes Unternehmens in je 10.000 Waarenexemplare zerfällt, so haben wir für die einzelne Waare

 

 

A

 

B

 

C

Werth

30 Mark

50 Mark

70 Mark

Produktionspreis

25 Mark

50 Mark

75 Mark

In Wirklichkeit vollzieht sich nun der Vorgang nicht etwa so, daß jeder Kapitalist zuerst den vollen Mehrwerth bezieht, so daß die Kapitalisten der einen Branche 50 und die der anderen nur 17 Prozent Profit machen. Dergleichen Unterschiede kommen nur in den Anfängen der kapitalistischen Produktionsweise oder heute noch in Gegenden und Betriebszweigen vor, deren sich diese Produktionsweise neu bemächtigt. Bei entwickelter kapitalistischer Produktion bildet sich ein herkömmlicher durchschnittlicher Profitsatz, den die Kapitalisten bei ihren Preisberechnungen von vornherein zu Grunde legen, was natürlich nicht ausschließt, daß sie jede Gelegenheit benützen, über diesen Preis hinauszugehen, während sie es als Verlust betrachten, wenn sie einen niedrigeren Preis, also auch eine geringere Profitrate erzielen. Dieser Preis, der gebildet wird aus den Kosten der Produktion (das aufgewandte variable und konstante Kapital), zu denen man noch den „landesüblichen“ Profit hinzuschlägt, erscheint dem Kapitalisten als der„natürliche“. Marx nennt ihn den Produktionspreis. Er besteht aus dem Kostenpreis (Betrag des variablen und konstanten Kapitals) und dem Durchschnittsprofit.

Nicht der Werth, sondern der Produktionspreis bildet bei entwickelter kapitalistischer Produktionsweise das Niveau, um das die Marktpreise unter dem Einfluß von Nachfrage und Angebot in Wellenlinien hin und her schwanken. Der Produktionspreis selbst aber schwebt nicht in der Luft, sondern er hat seine Grundlage im Werth.

Die Gegner der Marx’schen Werththeorie behaupten gern, Marx selbst habe seine eigene Theorie, die er im ersten Bande des Kapital entwickelt, über den Haufen geworfen durch den dritten Band, in dem er nachwies, daß in Folge des Strebens nach Ausgleichung der Profite bei entwickelter kapitalistischer Waarenproduktion die Preise der meisten Waaren dauernd von ihren Werthen abweichen, indem die Preise der einen Hälfte dieser Waaren dauernd ebenso viel unter ihren Werthen stehen, wie die der anderen Hälfte darüber. Aber Marx hätte seine Werththeorie nur dann über den Haufen geworfen, wenn er gezeigt hätte, daß die Preise unabhängig sind von ihren Werthen. Weit entfernt, das zu thun, beweist vielmehr der dritte Band des Kapital, daß die Produktionspreise, um welche die Marktpreise herumpendeln, in vollster Abhängigkeit von dem Werthgesetz stehen, ohne das sie unerklärlich werden. Gerade jener Faktor, der Durchschnittsprofit, der die Abweichungen der Produktionspreise von den Werthen verursacht, kann nur erklärt werden aus den Gesetzen des Mehrwerths, die wieder aus denen des Werths hervorgehen. Wenn wir nicht annehmen, daß die gesammte Masse des in der Gesellschaft vorhandenen Mehrwerths und die gesammte Masse des Profits mit seinen Abzweigungen (Zins, Grundrente, von denen wir hier nicht weiter handeln wollen) gleichbedeutend sind, dann verlieren wir jeden Erklärungsgrund dafür, warum die Durchschnittsprofitrate unter gegebenen Verhältnissen eine bestimmte Größe ist.

Das Gesetz des Waarenwerths wird nicht dadurch aufgehoben, daß bei entwickelter kapitalistischer Produktion zwischen Werth und Preis durch die Durchschnittsprofitrate und den davon abhängigen Produktionspreis ein neues Mittelglied tritt. Wollte man daraus seine Ungiltigkeit schließen, dann müßte man auch die Ungiltigkeit des Fallgesetzes annehmen, weil der Fall der Körper im Wasser noch mehr Widerstände findet als in der Luft.

Die Marx’sche Theorie des Produktionspreises ist von seinen Theorien des Werths und Mehrwerths nicht zu trennen. Weit entfernt, diese ad absurdum zu führen, bildet sie vielmehr ihre Vollendung. Die Theorie des Produktionspreises liefert uns den Schlüssel zu einer Reihe von Erscheinungen, auf denen die Verhältnisse der herrschenden Klassen unter einander beruhen – zu dem Gegensatz zwischen Kapital (Profit) und Grundbesitz (Grundrente), zwischen industriellem Kapital (industriellem Profit) und Geldkapital (Zins) u. s. w. Sie liefert uns noch mehr: den Schlüssel zu einer Reihe von Werththeorien, damit aber auch zu ihrer Widerlegung, denn eine Reihe von Theorien des Werths sind im Grunde nur Theorien des Produktionspreises, den sie als den letzten Bestimmungsgrund der Marktpreise betrachten.

Es dürfte hier der richtige Platz sein, einen Blick auf jene Werththeorien zu werfen, die die Bestimmung des Werths durch die Arbeit leugnen. Wie von den oben erwähnten, kann man von ihnen allen sagen, daß sie gar keine Theorien des Werths sind, daß sie unter Werth etwas verstehen, was gar nicht Werth ist: Gebrauchswerth, Produktionspreis, Durchschnittspreis.

Nun sagt man freilich: jeder Theoretiker hat das Recht, unter Werth zu verstehen, was er will. Wir haben blos zu fragen, ob seine Erklärung dessen, was er unter Werth versteht, richtig ist oder nicht. Ob es dann eine Theorie des Gebrauchswerths oder des Preises oder was immer ist, geht uns nichts an.

Aber in jeder anderen Wissenschaft würde eine derartige Auffassung als ganz unwissenschaftliche Naivität nicht ernst genommen werden. Nehmen wir zum Beispiel die Atomtheorie. Was würde man zu der Auffassung sagen, daß es jedem Forscher frei stehe, unter Atom zu verstehen, was er wolle, etwa ein Molekül oder eine Zelle; daß es einerlei sei, wenn er nur eine richtige Zellentheorie gebe, ob er sie Atomtheorie nenne oder nicht? Man würde ihm sofort antworten, daß es sich beim Atom nicht um einen Namen handelt, den man nach Belieben bald diesem, bald jenem Dinge beilegen kann, sondern um ganz bestimmte Vorgänge, deren Erklärung die Theorie des Atoms zu dienen hat, Vorgänge, die unter Anderem auch der Bildung des Moleküls oder der Zelle zu Grunde liegen. Man kann die Atomtheorie annehmen oder verwerfen, das heißt die fraglichem Vorgänge durch sie oder anders erklären; aber es wäre ein grober wissenschaftlicher Schnitzer, ein Produkt jener Vorgänge, die nach der Theorie durch die Lagerung der Atome bestimmt werden, ein Atom zu nennen. Man darf nie das Grundlegende mit dem daraus Abgeleiteten verwechseln.

Darüber ist in der Naturwissenschaft kein Zweifel möglich. Die Vorgänge der politischen Oekonomie sind komplizirter, trotzdem muß für sie dasselbe gelten, was für die Naturwissenschaft. Es sind ganz bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse und Vorgänge, die durch das Werthgesetz zu erklären sind, und es geht nicht an, die Gesetze anderer, durch den Werth bedingter Verhältnisse und Vorgänge als Werthgesetze zu bezeichnen und zu behandeln.

Der Vorgang, den jede Werththeorie erklären will und erklären muß, ist der des Austauschs zweier Waaren; das gesellschaftliche Verhältniß, das sie erklären will und muß, ist das zwischen zwei Waarenbesitzern, die ihre Waaren gegenseitig austauschen. Der Vorgang des Waarenaustauschs, aus dem sich dann Verkauf und Kauf entwickelt, ist der grundlegende, der das ganze wirthschaftliche Getriebe der heutigen Gesellschaft im Gange hält. Jede Erklärung dieses Getriebes muß daher von der Erforschung des Gesetzes au~gehen, das den Waarenaustausch regelt, und das ist eben das Werthgesetz. Wollte man unter dem Werthgesetz die Erklärung eines anderen Vorgangs verstehen, dann müßte man dem Gesetz, das dem Austausch der Waaren zu Grunde liegt, einen besonderen Namen geben. Das thut aber keine der Werththeorien. Jede will also denselben Vorgang erklären.

Hält man sich aber den Vorgang vor Augen, den das Werthgesetz zu erklären hat, dann wird es leicht klar, daß man vor Allem Gebrauchswerth und Tauschwerth streng auseinanderhalten muß und sich nicht durch das Wörtlein werth, das in den beiden Bezeichnungen vorkommt, verleiten lassen darf, sie als gleichbedeutend anzusehen. Manche Werththeorie erklärt den Werth aus der Nützlichkeit eines Gegenstandes. Je nützlicher, desto werthvoller. Das ist richtig, wenn unter werthvoller der größere Gebrauchswerth verstanden wird, falsch, wenn damit der größere Tauschwerth gemeint sein soll.

Der Gebrauchswerth, die Nützlichkeit eines Dinges bezeichnet ein Verhältniß zwischen dem einzelnen Menschen, dem Konsumenten, und diesem Ding, nicht aber ein gesellschaftliches Verhältniß, das Verhältniß zwischen zwei Menschen, wie das Austauschverhältniß eines ist. Wollte man vielleicht sagen, daß gleich nützliche Gegenstände in gleichen Mengen gegeneinander ausgetauscht werden? Aber der Austausch oder Verkauf besteht meist darin, daß jeder Verkäufer Dinge hingiebt, die für ihn keinen Gebrauchswerth, keinen Nutzen haben.

Wenn der Bäcker und seine Leute satt sind, hat das Brot, das sie gebacken haben und verkaufen, keinen Gebrauchswerth mehr für sie. Wenn der Bäcker keinen Abnehmer dafür fände, wüßte er nichts damit anzufangen. Dagegen kann dies selbe Brot für einen beim Bäcker vorbeigehenden Arbeiter, der an dem Tage noch nichts gegessen hat, von größtem Gebrauchswerth sein. Der Tauschwerth des Brotes ist aber für beide Theile derselbe.

Nehmen wir an, der vorübergehende Arbeiter sei ein Korbmacher, der mit seinen Körben hausiren geht. Der Bäcker braucht einen Korb; dieser hat für ihn großen Gebrauchswerth, für den Arbeiter dagegen gar keinen. Der letztere hat eine Menge Körbe zu Hause stehen, aber nichts hineinzuthun. Er giebt gern einen Korb für eine Anzahl Brote hin. Aber in welchem Verhältniß werden sich Korb und Brot austauschen, wenn ihre Besitzer auf die Nützlichkeit sehen? Wie viele Stücke Brot sind für den Korbmacher ebenso nützlich, als ein Korb für den Bäcker? Es ist klar, daß man die Nützlichkeiten zweier verschiedener Gebrauchswerthe gar nicht miteinander vergleichen kann; sie sind zahlenmäßig nicht in ein Verhältniß miteinander zu bringen. Wenn der Korbmacher für seinen Korb fünf Brotlaibe erhält, so wäre es absurd zu sagen, ein Korb sei fünfmal so nützlich oder (in diesem Sinne) werthvoll wie ein Brotlaib. Die Nützlichkeiten der verschiedenen Waaren sind aneinander nicht meßbar.

Bei verschiedenen Stücken derselben Waarenart kann man allerdings einen höheren oder geringeren Grad ihres Gebrauchswerths feststellen. Ein dauerhaftes Paar Stiefel hat einen größeren Gebrauchswerth als ein weniger dauerhaftes, und ich werde gern mehr dafür zahlen – wenn ich das nöthige Geld dazu habe. Eine Flasche Johannisberger hat einen größeren Gebrauchswerth und Tauschwerth als eine Flasche Spaudauer oder Grüneberger. Also, so scheint es, ist doch der Gebrauchswerth ein Element des Waarenwerths.

Aber es scheint nur so. Würde der größere Gebrauchswerth den größeren Waarenwerth schaffen, dann erhebt sich die Frage, warum nicht jeder Produzent nur die besten Qualitäten produzirt? Warum erzeugt nicht jeder Schuster nur ausgezeichnete Schuhe, warum baut nicht jeder Winzer die besten Marken? Die Antwort ist einfach. Bei den Schuhen ist die bessere Qualität entweder Folge besseren Rohmaterials &c., das mehr Arbeit und Geld kostet, oder Folge besserer Arbeit, das heißt, bei durchschnittlicher Geschicklichkeit des Arbeiters, größeren Arbeitsaufwands. Deshalb, und nicht wegen des höheren Gebrauchswerths sind die soliden Schuhe theurer. Man sagt bekanntlich, daß die theuersten Waaren die billigsten sind, das heißt, ihr Gebrauchswerth übersteigt den der niedrigen Qualitäten in viel höherem Maße, als ihr Waarenwerth den der letzteren. Ein Paar Stiefel um 12 Mark dauert vielleicht doppelt so lang wie eines um 10 Mark.

Der höhere Preis einzelner Weinsorten rührt aber daher, daß man sie nur an bestimmten Stellen bauen kann. Hier verliert das Werthgesetz überhaupt seine Geltung, weil wir es hier mit einem Monopol zu thun haben. Das Werthgesetz setzt aber die freie Konkurrenz voraus.

Wo innerhalb derselben Waarenart Qualitätsunterschiede Preisunterschiede bedingen, da lassen diese sich stets entweder auf Unterschiede im Arbeitsaufwand oder auf Monopolverhältnisse zurückführen.

Andere Werththeorien wieder verwechseln den Werth mit dem Preise. Sie erklären den Werth aus dem Verhältniß von Nachfrage und Angebot. Aber diese erklären nur, warum die Preise einer bestimmten Waare stets um ihren Werth (respektive Produktionspreis) herumpendeln; sie erklären aber nicht, warum im Durchschnitt der Preis der einen Waare stets um so viel höher steht als der der anderen, warum zum Beispiel Jahrhunderte lang ein Pfund Gold im Durchschnitt dreizehnmal so theuer war wie Silber.

Will die Erklärung des Werths durch Nachfrage und Angebot diese dauernden Preisunterschiede der verschiedenen Waaren begreiflich machen, dann bleibt ihr nichts übrig als eine verschämte Zuflucht zur Arbeitswerththeorie. Auf die Frage, woher es denn kommt, daß die eine Waare dauernd um so viel theurer sei als die andere, antwortet sie, das rühre von ihrer größeren Seltenheit her, die bewirke, daß ihr Angebot dauernd geringer sei als das der anderen. Aber um von einer Waare, die seltener ist, dieselbe Menge auf den Markt zu bringen, wie von einer, die häufiger vorkommt, dazu ist eben mehr Arbeit erforderlich. Es macht kaum einen Unterschied, ob ich sage, ein Pfund Gold war deshalb dreizehnmal so theuer wie ein Pfund Silber, weil es dreizehnmal so selten gefunden wurde, oder weil es dreizehnmal so viel Arbeit kostete, ein Pfund Gold herzustellen, wie ein Pfund Silber. Sobald der Theoretiker sich nicht auf den bloßen Kaufmannsstandpunkt stellt, den auf dem Markte blos der Preis der Waaren interessirt, nicht aber die Art, wie diese gewonnen wurden, sobald er tiefer gräbt und forscht, wie die Waaren produzirt wurden, die auf den Markt kamen, dann findet er stets, daß die Werthe der Waaren durch den Vorgang der Produktion bestimmt, in der Werkstatt und nicht auf dem Markt geschaffen werden. Den bürgerlichen Theoretikern liegt freilich der Markt meist näher als die Werkstatt, und darum stehen sie in der Regel der Arbeitswerththeorie so verständnißlos gegenüber.

Auf dem Markte wird der Werth blos in Geld, in Preis, verwandelt ; zunächst in dargestelltes Geld, die Preisforderung, und dann in wirkliches Geld, wenn die Waare verkauft ist. Je mehr die kapitalistische Wirthschaft sich entwickelt, desto mehr Zwischenglieder schieben sich zwischen Werkstatt und Markt, zwischen den Produzenten und den Verkäufer an den Konsumenten ein, desto größer können die dadurch bedingten Abweichungen des wirklich erzielten Preises vom theoretisch bestimmten Werth sein. Das hindert aber nicht, daß doch in letzter Linie es stets die Produktionsbedingungen sind, die den Werth der Waaren bestimmen, und daß der Preis stets davon abhängig bleibt, wie sehr auch diese Abhängigkeit eine vermittelte sein mag.

Die kapitalistischen Praktiker selbst bestimmen den Werth der Waaren aus ihren Produktionsbedingungen. Allerdings verstehen sie darunter nicht die zu ihrer Herstellung gesellschaftlich nothwendige Arbeitszeit, sondern die Produktionskosten (Arbeitslohn, Auslagen für Maschinen, Rohmaterial &c.), vermehrt um den Durchschnittsprofit. Darnach erklärt auch eine ganze Reihe von Theoretikern, der Werth werde bestimmt durch die Produktionskosten.

Aber was vom Standpunkt des kapitalistischen Praktikers richtig ist, wird unsinnig vom Standpunkt der Theorie, die nicht den jeweiligen Normalpreis zu berechnen, sondern die gesellschaftlichen Vorgänge der kapitalistischen Produktionsweise auf ihre letzten Gründe zurückzuführen hat.

Vor Allem, was sind die Produktionskosten? Eine bestimmte Geldsumme. Sie setzen also schon das Geld voraus. Die Bestimmung des Werths durch die Produktion heißt also, daß der Werth durch das Geld erklärt werden soll, nicht umgekehrt. Das Pferd wird beim Schwanz aufgezäumt.

Die Produktionskosten sind eine gegebene Summe von Werthen – Werth der Arbeitskraft (Arbeitslohn), Werth der Produktionsmittel, Werth des Profits. Aus dieser Summe von Werthen wird der Werth erklärt. Man sieht, diese Werthbestimmung dreht sich im Kreise herum.

Nun nehmen wir aber einen Waarenproduzenten, etwa einen bäuerlichen Weber, von dem wir voraussetzen, daß er alles selbst erzeugt: Er baut seine Lebensmittel, ebenso wie das Rohmaterial, den Flachs, den seine Töchter verspinnen, und er verfertigt den Webstuhl selbst aus eigenem Holze: wo bleiben bei dem Manne die Produktionskosten? Er hat gar keine Geldauslagen, sein Produkt kostet ihn blos Arbeit, nichts als Arbeit.

Nun gehen wir einen Schritt weiter zu einer höheren Produktionsstufe, dem handwerksmäßigen Weber. Dieser hat schon Geldausgaben zu machen; er hat Produktionskosten. Er muß den Webstuhl kaufen, das Garn, auch seine Lebensmittel. Das sind seine Produktionskosten. Aber wird er darnach den Werth der Leinwand berechnen, die er erzeugt? Dann wird sein Handwerk kaum den viel gerühmten goldenen Boden haben, es wird ihm keinen Ueberschuß abwerfen, den er zurücklegen könnte. Und ein Theil seiner Produktionskosten – sein Aufwand für Lebensmittel und den Webstuhl – bleibt der gleiche, ob er 4 oder 12 Stunden im Tage arbeitet. Wird er darum das Produkt von 12 Stunden nicht höher berechnen als das von 4 Stunden – vom Rohmaterial abgesehen –? Man sieht, auch er wird zu den Kosten des Materials seine Arbeit als werthbildend hinzurechnen.

Erst für den Kapitalisten gestaltet sich die Sache anders. Ihn kostet das Produkt gar keine Arbeit, sondern nur Geld. Er bezahlt nicht blos die Produktionsmittel, sondern auch die Arbeit mit Geld, für ihn lösen sich also alle Produktionsbedingungen in einen Geldaufwand auf, und dieser erscheint ihm werthbildend. Aber er würde ein sonderbares Gesicht machen, wollte man ihn versichern, daß der Werth seiner Produkte gleich sei dem Betrag, den er für ihre Produktion verausgabt hat. Er läßt nicht produziren, um blos seinen Geldaufwand für die Produktion wieder hereinzubringen. Er will auch einen Profit machen. Dieser ist der Grund, warum er überhaupt sein Geld für die Produktion hergibt, statt es zu konsumieren. Er schlägt daher auf die Produktionskosten noch den „landesüblichen“ Gewinn hinzu. Der so bestimmte Preis ist der Minimalpreis, den er mindestens erzielen muß, soll er nicht seiner Anschauung nach mit Verlust „arbeiten“.

Der Profit gehört nach kapitalistischer Anschauung zu den Produktionskosten, die den Werth eines Produkts bestimmen. Dieser „Werth“ entpuppt sich nun aber als nichts anderes als der Produktionspreis der Marx’schen Theorie, der selbst wieder erst durch das Werthgesetz begriffen werden kann.

Gebrauchswerth, Marktpreis, Produktionspreis – das sind die Kategorien, die uns die von der Arbeitswerththeorie abweichenden Werththeorien als „Werth“ vorsetzen. Es sind entweder Kategorien, die wie der Gebrauchswerth mit dem Tauschwerth nur insofern zu thun haben, als sie seine Voraussetzung bilden, aber nicht einen seiner Bestimmungsgründe; oder solche, die aus dem Tauschwerth hervorgehen, wie Produktionspreis oder Marktpreis, die also das Tauschverhältnis nicht erklären, sondern dessen Erklärung zu ihrer eigenen Erklärung voraussetzen.

Diese Theorien begnügen sich damit, die Vorstellungen, welche die Käufer und Verkäufer oder die Kapitalisten von ihren geschäftlichen Operationen haben, als die wirklichen Gründe dieser Operationen anzusehen. Diese Theoretiker glauben, eine Erscheinung wissenschaftlich zu erklären, wenn sie die Gedanken der Praktiker darüber zusammenstellen und wiedergeben. Aber dazu braucht man keine Wissenschaft. Diese soll die tieferen Gründe der gesellschaftlichen Vorgänge und Verhältnisse aufzeigen, die den Betheiligten vielfach gar nicht oder nur unvollkommen, oft ganz verkehrt, zum Bewußtsein kommen.

Der Wahrheit am nächsten kommt von den hier genannten Werththeorien jene, die in den Produktionskosten den Bestimmungsgrund des Werthes sucht. Aber sie scheitert an dem Durchschnittsprofit. Außer der Arbeitswerththeorie kann keine erklären, wodurch die Größe des Durchschnittsprofits bestimmt wird, warum sie unter bestimmten Verhältnissen etwa 10 Prozent ausmacht und nicht 100 oder 1000. Die anderen Theorien begnügen sich damit, die Aneignung des Profits entweder zu rechtfertigen oder psychologisch zu erklären. Aber die tiefste Rechtsphilosophie und die feinste Psychologie kann nicht erklären, woher der Profit stammt, wie er geschaffen wird.

Für das Verständniß der gesellschaftlichen Zusammenhänge ist die Profittheorie von der höchsten Bedeutung. Trotzdem wollen wir sie hier nicht weiter verfolgen, sondern zur Theorie des Mehrwerths zurückkehren. Die Profittheorie ist die Theorie der Vertheilung der Beute – des Mehrwerths – unter die verschiedenen Schichten der herrschenden Klassen. Der industrielle oder landwirthschaftliche Kapitalist läßt wohl den Mehrwerth produziren, aber er kann ihn nicht ganz behalten. Er muß nicht nur, wenn er sein Kapital in einem Produktionszweig anwendet, in dem es von niederer organischer Zusammensetzung sein muß, einen Theil des Mehrwerths an andere Kapitalisten abtreten, die ihre Kapitalien in Produktionszweigen mit höherer organischer Zusammensetzung angelegt haben: diesen Ausgleichungsvorgang merkt er nicht und der macht ihm daher keinen Kummer. Er muß aber auch – und das merkt er sehr deutlich – einen Theil seines Gewinnes an den Geldkapitalisten, dem er Geld entleiht, als Kapitalzins zahlen, einen Theil dem Kaufmann als Handelsprofit lassen, endlich, wenn er Landwirth ist, einen Theil als Grundrente entweder als Pächter dem Grundbesitzer abtreten oder – wenn er selbst Grundbesitzer ist – zur Verzinsung des Kapitals ausgeben, das er zum Ankauf seines Grundbesitzes anwenden mußte.

Aber so wichtig alle diese Verhältnisse sind, uns interessirt hier vor Allem das Verhältniß zwischen dem Kapitalisten und dem Arbeiter, und zwar nicht das zwischen dem einzelnen Kapitalisten und dem einzelnen Arbeiter, sondern das zwischen der Kapitalistenklasse und der Arbeiterklasse. Für dieses Verhältniß kommt aber die Profittheorie nicht in Betracht, sie ist eher geeignet, es zu verdunkeln, weil sie die Größe des Profits von einer Reihe Umständen abhängig macht, die mit dem Verhältniß zwischen Kapital und Arbeit gar nichts zu thun haben.

Wie immer aber sich der Profit des einzelnen Kapitalisten gestalten mag, in letzter Linie hängt seine Größe ab von der Größe des Mehrwerths, also von der Größe der Ausbeutung der Lohnarbeiter. Vor Allem gilt dies für die Gesammtheit der Kapitalisten, da die Gesammtheit des Profits gleichbedeutend ist mit der Gesammtheit des Mehrwerths.

Nicht aus den Gesetzen des Profits, sondern aus denen des Mehrwerths lernen wir den Klassengegensatz und den Klassenkampf zwischen Kapital und Arbeit begreifen, lernen wir aber auch die Eigenart der kapitalistischen Produktionsweise am besten verstehen.

Wir werden also im Folgenden wieder nur vom Werth und Mehrwerth handeln, von der Voraussetzung ausgehen, daß der Preis gleich dem Werth ist und der Profit gleich dem Mehrwerth. Wir müssen hier von der Durchschnittsprofitrate und den Produktionspreisen ebenso absehen, wie man bei der Berechnung der Fallgesetze vom Luftwiderstand absieht.

Bei der Anwendung in der Praxis müssen freilich die hier außer Acht gelassenen Momente in Betracht gezogen werden.


Zuletzt aktualisiert am 14.1.2011