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Wir wenden uns nun der Rolle zu, die das Geld in der Zirkulation des industriellen Kapitals spielt. Also nicht in die kapitalistische Fabrik mit ihren Wundem der Technik geht der Weg, sondern der Eintönigkeit des ewig gleichen Marktvorganges muß sich unsere Betrachtung zuwenden, wo Geld in Ware und Ware in Geld in formell stets gleicher Weise sich wandelt. Nur die Hoffnung, daß auf diesem Wege es möglich ist, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, wie aus den Zirkulationsvorgängen selbst jene Macht erwächst, die als kapitalistischer Kredit schließlich die Herrschaft über die gesellschaftlichen Vorgänge erhält, mag den Leser ermutigen, die Leidensstationen des nächsten Kapitels mit einiger Geduld zu passieren.
In der Zirkulation wäre das Geld überflüssig, wenn der Betrag der Preissumme stets konstant, also Masse und Preis der Waren unveränderlich wären und jede Ware sich gegen die andere zu ihrem Werte austauschen würde. Eine Bedingung, die innerhalb einer ungeregelten, anarchischen Produktionsweise unerfüllbar ist. Andererseits würde die bewußte Regelung der gesellschaftlichen Produktion die Erscheinung des Wertes als Tauschwert, also das gesellschaftliche Verhältnis zweier Dinge und damit das Geld unmöglich machen. Anweisungen auf gesellschaftliche Produkte, von der Gesellschaft ausgestellt, sind ebensowenig Geld als die Theatermarke, die Anweisung auf einen Sperrsitz. Vielmehr macht nur der Charakter der Warenproduktion das Geld als Wertmaß und damit üls Zirkulationsmittel notwendig. [1]
Fungiert das Geld als Zahlungsmittel, so erscheint eine vollständige Ausgleichung aller Zahlungen in einem bestimmten Moment von vornherein als reiner Zufall, der in Wirklichkeit nie eintreten wird. Das Geld schließt hier den Prozeß des Stellenwechsels der Ware selbständig ab. Es ist willkürlich, wann das in Zahlung empfangene Geld seinerseits in Ware verwandelt, also der Wert der ersten Ware endgültig durch andere Ware ersetzt ist. Der Zusammenhang, der im Prozeß G–W–G besteht, ist hier zerrissen. Das Geld muß notwendigerweise hier eintreten, um den Verkäufer der Ware, der seinerseits durchaus nicht Käufer einer anderen Ware sein muß, zu befriedigen.
Diese Zerreißung des Zirkulationsprozesses, die uns auf dem Gebiete der einfachen Warenzirkulation noch als zufällig und willkürlich erscheint, wird aber notwendig im Bereich der kapitalistischen Warenzirkulation. Dies zeigt uns eine Betrachtung der Zirkulation des Kapitals.
Wert wird zu Kapital, indem es Mehrwert heckender Wert wird. Dies geschieht im kapitalistischen Produktionsprozeß, dessen Voraussetzung das Monopol der Kapitalisten an den Produktionsmitteln und das Dasein einer freien Lohnarbeiterklasse ist. Die Lohnarbeiter verkaufen dem Kapitalisten ihre Arbeitskraft, deren Wert gleich dem Wert der zur Erhaltung und Reproduktion der Arbeiterklasse notwendigen Lebensmittel ist. Ihre Arbeit schafft neuen Wert, von dem ein Teil dem Kapitalisten den Teil des Kapitals ersetzt, den er zum Ankauf der Arbeitskraft vorgeschossen hat – Marx nennt ihn den variablen Teil des Kapitals – , während der andere Teil als Mehrwert dem Kapitalisten zufällt. Da im Arbeitsprozeß der Wert der Produktionsmittel – das konstante Kapital – auf das Produkt übertragen wurde, hat sich der Wert, den der Kapitalist für die Produktion vorgeschossen hat, vermehrt, ist wertheckender Wert geworden, hat sich als Kapital bewährt.
Jedes industrielle Kapital macht einen Kreislaufprozeß durch, von dem uns in diesem Zusammenhang nur die Formverwandlungen interessieren. Denn der Inhalt des Prozesses ist die Entstehung des Mehrwerts, also die Verwertung des Kapitals, und diese vollzieht sich im Produktionsprozeß, der in der kapitalistischen Gesellschaft doppelte Funktion hat: er ist wie in jeder Gesellschaftsform Arbeitsprozeß, der Gebrauchswerte liefert, er ist aber zugleich, was für die kapitalistische Gesellschaft charakteristisch ist, Verwertungsprozeß, in dem die Produktionsmittel als Kapital fungieren und Mehrwert erzeugt wird. Die Analyse dieses Prozesses hat Marx im ersten Band des Kapital erschöpfend gegeben. Der Zusammenhang unserer Untersuchung erfordert nur ein Eingehen auf die Formverwandlung des Wertes, nicht auf seine Entstehung. Die Formverwandlung betrifft aber nicht die Wertgröße, deren Vermehrung vielmehr den Inhalt des Verwertungsprozesses ausmacht; gehört diese Veränderung dem Produktionsprozeß an, so die Formänderung dem Zirkulationsprozeß. Es sind aber nur zwei Formen, die der Wert in der warenproduzierenden Gesellschaft annehmen kann: die Form der Ware und die Form des Geldes.
Betrachten wir nun den Kreislaufprozeß des Kapitals, so erscheint jedes Kapital zunächst, etwa bei seinem ersten Auftreten, als Geldkapital. Als Geld, das als Kapital fungieren soll, wird es verwandelt in Waren (W) bestimmter Art, Produktionsmittel (Pm) und Arbeitskraft (A). Es folgt der Produktionsprozeß (P...). Dieser schließt keine Formänderung des Wertes ein. Der Wert bleibt Ware. Aber im Produktionsprozeß wird erstens – was den Wert überhaupt nicht trifft – der Gebrauchswert der Ware geändert, und zweitens vermehrt die Arbeitskraft durch ihre Funktion den Wert; der Wert wird vergrößert. Als Ware (W′), deren Wert um den Mehrwert vermehrt ist, verläßt die Ware die Produktionsstätte, um ihre zweite und letzte Formveränderung zu erfahren, in Geld (G′) verwandelt zu werden.
Der Kreislaufprozeß des Kapitals zerfällt also in zwei der Zirkulation angehörige Stadien G–W und W′–G′ und in ein Stadium der Produktion. In der Zirkulation erscheint es als Geldkapital und Warenkapital, in der Produktion als produktives Kapital; das Kapital, welches alle diese Formen durchläuft, ist industrielles Kapital. Geldkapital, Warenkapital, produktives Kapital bezeichnen hier also nicht selbständige Kapitalsorten, sondern nur besondere Kunktionsformen des industriellen Kapitals.
Es ergibt sich also folgendes Schema: G–W–P... W′–G′.
Jedes neu auftretende Kapital erscheint zunächst als Geldkapital. Daß es Kapital, sieht man dem Geld nicht an. [2] Das ist es nur, weil es in die Elemente des produktiven Kapitals verwandelt werden soll. Zunächst ist es nur Geld, kann also nur Geldfunktionen vollziehen, ist es nur Zirkulations- oder Zahlungsmittel.
Nun wissen wir bereits, daß die Funktion des Geldes als eines Zahlungsmittels Kreditverhältnisse einschließen kann. G–W, das erste Stadium des Zirkulationsprozesses des Kapitals, zerfällt in zwei Teile: G–Pm und G–A. Da der Lohnarbeiter nur vom Verkauf der Arbeitskraft lebt, ihre Erhaltung tägliche Konsumtion erfordert, muß seine Zahlung ständig in kürzeren Terminen wiederholt werden, damit er die zu seiner Selbsterhaltung nötigen Einkäufe immer machen kann. Der Kapitalist muß ihm daher beständig als Geldkapitalist und sein Kapital ihm als Geld gegenübertreten. [3] Hier spielt somit der Kredit keine Rolle.
Anders im Prozeß G–Pm. Hier kann der Kredit eine größere Rolle spielen. Die gekauften Produktionsmittel haben den Zweck, verwertet zu werden. Das Geld, das für sie ausgegeben wurde, ist für den Kapitalisten nur vorgeschossen; es hat die Aufgabe, zu ihm nach Ablauf der Zirkulationsperiode zurückzukehren, und es kehrt, normalen Verlauf vorausgesetzt, zu ihm vermehrt zurück. Da der Kapitalist sein Geld also nur vorschießt, dieses zu ihm zurückkehrt, kann es ihm selbst vorgeschossen werden – geliehen werden. Und dies ist überhaupt Voraussetzung des Produktionskredits: daß Geld nur dem geliehen wird, der es selbst nur in der Weise ausgibt, daß es zu ihm – normalen Verlauf stets vorausgesetzt – wieder zurückkehren muß. Zugleich ist der Kredit hier fundiert auf die Waren, zu deren Ankauf das Geld vorgeschossen wurde.
Wir haben es hier nur mit dem Kredit zu tun, der entspringt aus der Warenzirkulation selbst, aus der Änderung der Geldfunktion, aus der Verwandlung des Geldes aus Zirkulationsmittel in Zahlungsmittel. Dagegen betrachten wir an dieser Stelle noch nicht jenen Kredit, der aus der Teilung der Funktion des Kapitalisten in einen reinen Geldbesitzer und einen Unternehmer entspringt. Wird das Geld vom Geld- oder Leihkapitalisten dem Unternehmer kreditiert, so ist das bloße Übertragung von Geld. An der Menge des vorgeschossenen Geldes wird dadurch noch nichts geändert. In dem Falle aber, den wir jetzt betrachten, kann dies wohl eintreten. Der Verkäufer der Produktionsmittel kreditiert ihm die Ware und erhält für diese Zahlungsversprechen, zum Beispiel Wechsel. Der Kapitalist wird dann am Ende des Termins vielleicht schon mit Rückflüssen aus dem Zirkulationsprozeß seines vorgeschossenen Kapitals zahlen können. Soweit dies der Fall, kann die Summe seines Geldkapitals geringer sein, als sie sonst sein müßte, hat der Kredit die Potenz seines Kapitals ausgeweitet.
Aber die Tatsache des Kredits ändert nichts daran, daß das Kapital Geldform haben muß, um Ware kaufen zu können. Sie vermindert nur, soweit sich Zahlungen kompensieren, die Menge des Metallgeldes, das für den Umtausch sonst erforderlich wäre. Aber diese Menge wird nicht irgendwie bestimmt durch den Kapitalcharakter, den das Geld bei dieser Transaktion besitzt, sondern unterliegt nur den Gesetzen, die aus der Natur derWarenzirkulation entspringen. Alle anderen Umstände gleichgesetzt, ist es die Preissumme der Waren, die gekauft werden müssen, die über die Menge des Geldes entscheidet, das vorgeschossen werden muß. Vermehrter Vorschuß von Geldkapital bedeutet also nichts anderes als vermehrten Ankauf von zu produktivem Kapital geeigneten Waren (Pm + A), also vermehrte Menge der Zirkulations- und Zahlungsmittel.
Bei dieser Vermehrung wirken zwei einander entgegengesetzte Tendenzen. Mit der rascheren Akkumulation in Zeiten der Hochkonjunktur wächst die Nachfrage nach bestimmten Waren und infolgedessen ihr Preis. Die erhöhte Preissumme macht vermehrtes Geld nötig. Anderseits wächst gleichzeitig der Kredit, da es eine Periode der guten Konjunktur ist, in der die Rückflüsse regelmäßig eingehen, der Verwertungsprozeß des Kapitals gesichert erscheint I daher die Neigung und Möglichkeit der Kreditgewährung wächst. Die Expansion des Kredits macht hier die rasche Erweiterung über die Basis des Metallgeldes hinaus möglich.
Dies gilt natürlich nur für den Prozeß G–Pm, nicht für den Prozeß G–A. Vielmehr nimmt mit dem Wachstum des variablen Kapitals auch im selben Maße die Masse des zum Ankauf dienenden und in die Zirkulation eingehenden zuschüssigen Geldes zu. Es ist klar, daß mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktion die Sphäre der Anwendung des Kredits absolut und noch mehr relativ beständig wächst, da mit dem Fortschritt zur höheren organischen Zusammensetzung des Kapitals der Umsatz von G–Pm ständig wächst gegenüber G–A, also auch die Sphäre des Kredits gegenüber der Sphäre des Bargeldes.
Soweit ergibt sich aus der Betrachtung des Kreislaufprozesses noch keine neue Bestimmung für die Rolle des Kredits. Dies ändert sich, wenn wir den Einfluß der Umschlagszeit auf die Größe des Geldkapitals betrachten. Denn es wird sich zeigen, daß im Kreislaufprozeß periodisch Geldsummen freigesetzt werden. Da aber brachliegendes Geld nicht Profit zeugen kann, so entsteht das Streben, dieses Brachliegen möglichst zu verhindern, eine Aufgabe, die nur durch den Kredit, der damit eine neue Funktion erfüllt, gelöst werden kann. Dieser neuen Ursache für das Entstehen von Kreditverhältnissen muß sich jetzt die Untersuchung zuwenden.
„Die Bewegung des Kapitals durch die Produktionssphäre und die zwei Phasen der Zirkulationssphäre vollzieht sich ... in einer zeitlichen Reihenfolge. Die Dauer seines Aufenthalts in der Produktionssphäre bildet seine Produktionszeit, die in der Zirkulationssphäre seine Zirkulations- oder Umlaufszeit. Die Gesamtzeit, worin es seinen Kreislauf beschreibt, ist daher gleich der Summe von Produktionszeit und Umlaufszeit.“ [4]
„Der Kreislauf des Kapitals, nicht als vereinzelter Vorgang, sondern als periodischer Prozeß bestimmt, heißt sein Umschlag. Die Dauer dieses Umschlags ist gegeben durch die Summe seiner Produktionszeit und seiner Umlaufszeit. Diese Zeitsumme bildet die Umschlagszeit des Kapitals.“ [5]
In unserem Schema bildet also die Zeit, die jedesmal nötig, um den Prozeß G–G′ zu vollziehen, die Umschlagszeit. Die Umlaufszeit ist gleich der Zeit, die die Transaktionen
G< |
A |
und W′–G′ erfordern, während die Produktionszeit gleich ist der Zeit, in der das Kapital als produktives Kapital (P) dem Verwertungsprozeß unterliegt.
Die Umschlagszeit eines Kapitals betrage neun Wochen, davon die Produktionszeit sechs Wochen und die Umlaufszeit drei Wochen. Zur Produktion seien wöchentlich 1000 M. Kapital erforderlich. Soll die Produktion am Ende der sechsten Woche, der Produktionszeit, nicht auf drei Wochen unterbrochen werden, so muß der Kapitalist während der drei Wochen, die die Zirkulation dauert, ein neues Kapital von 3000 M. (Kapital II) vorschießen, um die Produktion kontinuierlich fortzuführen. Denn während der drei Wochen, worin das Kapital die Zirkulationssphäre behaust, befindet es sich mit Bezug auf den Produktionsprozeß in demselben Zustand, als wenn es überhaupt nicht existierte. [6] Die Zirkulationszeit macht also zuschüssiges Kapital nötig, und dieses zuschüssige Kapital verhält sich zum Gesamtkapital wie die Zirkulationszeit zur Umschlagszeit, also in unserem Beispiel wie 3:9, oder das zuschüssige Kapital beträgt ein Drittel des ganzen Kapitals.
Der Kapitalist muß also über 9000 M. statt über 6000 M. vetfügen, soll die Produktion nicht drei Wochen stillstehen. Aber diese zunschüssigen 3000 M. treten erst mit Beginn der Umlaufszeit, also in der siebenten Woche in Funktion, liegen also die ersten sechs Wochen brach. Diese Freisetzung und Brachlegung von 3000 M. wiederholt sich jedoch beständig. Die 6000 M., die in der ersten Arbeitsperiode in Warenkapital verwandelt werden, sind am Ende der neunten Woche verkauft. Der Kapitalist hat jetzt 6000 M. in Händen. Die zweite Arbeitsperiode hat aber bereits mit der siebenten Woche begonnen und ist nun zur Hälfte vorüber. Während dieser Zeit hat das zuschüssige Kapital von 3000 M. fungiert; zur Beendigung der Arbeitsperiode sind also nur 3000 M. erforderlich; 3000 M. von den ursprünglichen 6000 M. sind wieder freigesetzt, und dieser Prozeß wiederholt sich stets aufs neue.
Es ist also ein zuschüssiges Kapital, und zwar Geldkapital, da es als Kaufmittel für Produktionsmittel und Arbeitskraft zu fungieren hat, nötig geworden zur Aufrechterhaltung der Kontinuität des Produktionsprozesses, der durch die Zirkulation des Kapitals nicht unterbrochen werden soll. Dieses zuschüssige Kapital heckt selbst nicht kontinuierlich Mehrwert, fungiert also soweit nicht als Kapital, sondern wird durch den Mechanismus des Kreislaufes selbst stets für eine Zeit freigesetzt, um während der anderen Zeit fungieren zu können.
„Das gesellschaftliche Gesamtkapital betrachtet, wird sich stets ein mehr oder minder bedeutender Teil dieses zuschüssigen Kapitals für längre Zeit im Zustand des Geldkapitals befinden [7] ..., und zwar ist dies freigesetzte Kapital gleich dem Kapitalteil, welcher den Überschuß der Zirkulationsperiode über eine Arbeitsperiode oder über ein Multipel von Arbeitsperioden auszufüllen hat.“ [8]
„Dies Hereinkommen des zur Verwandlung der Umlaufszeit von Kapital I“ (von 6000 M.) „in Produktionszeit erheischten Zuschußkapitals“ (von 3000 M.) „vermehrt also nicht nur die Größe des vorgeschoßnen Kapitals und die Länge der Zeit, wofür das Gesamtkapital notwendig vorgeschossen wird, sondern es vermehrt auch spezifisch den Teil des vorgeschoßnen Kapitals, der als Geldvorrat existiert, also sich im Zustand von Geldkapital befindet und die Form von potentiellem Geldkapital besitzt.“ [9]
Allein diese 5000 M. brauchen durchaus nicht die ganze Summe des Geldkapitals darzustellen, das in einem gegebenen Moment brachliegt. Gesetzt den Fall [10], unser Kapitalist verwende die 6000 M., die für die Produktion zunächst nötig, in der Weise, daß er die eine Hälfte zum Ankauf der Produktionsmittel, die andere für Arbeitslohn verausgabt. Er zahlt aber die Arbeiter wöchentlich. Dann wird von den dazu nötigen 3000 M. bis zum Ablauf der sechsten Woche ein Teil, der sich wöchentlich um 500 M. verringert, stets brachliegen. Ebenso ist es möglich, daß auch ein Teil der Produktionsmittel, zum Beispiel die Kohle, nicht sogleich zu Beginn für die ganze Produktionsperiode eingekauft wird, sondern erst während der Produktion sukzessive die nötigen Einkäufe vollzogen werden. (Umgekehrt könnte es auch passieren, daß die Marktverhältnisse oder Lieferungsgewohnheiten dazu zwängen, für mehr als eine Produktionsperiode einzukaufen. Dann würde sich die Notwendigkeit herausstellen, ein größeres Geldkapital in Warenkapital zu verwandeln.)
Dadurch also, daß in dem Prozeß
G< |
A |
das Geld nicht sofort in Arbeitskraft und Produktionsmittel verwandelt wird, entsteht brachliegendes Geldkapital, auch abgesehen von dem zuschüssigen Kapital II. Ein Teil des Geldes vollzieht den Akt G–W, während ein anderer Teil im Geldzustand verharrt, um erst zu einer durch die Bedingungen des Prozesses selbst bestimmten Zeit für gleichzeitige oder sukzessive Akte G–W zu dienen. Es ist der Zirkulation mir zeitweise entzogen, um am bestimmten Zeitpunkt in Aktion zu treten, seine Funktion auszuüben. Diese Aufspeicherung ist dann ein Zustand, worin das Geld eine seiner Funktionen als Geldkapital ausübt. Als Geldkapital; denn in diesem Fall ist das zeitweilig in Ruhe verharrende Geld selbst ein Teil des Geldkapitals G, der gleich ist dem Wert des produktiven Kapitals, von dem der Kreislauf ausgeht. Anderseits befindet sich alles der Zirkulation entzogene Geld in Schatzform.
„Die Schatzform des Geldes wird also hier Funktion des Geldkapitals, ganz wie in G–W die Funktion des Geldes als Kauf- oder Zahlungsmittel zur Funktion des Geldkapitals wird, und zwar weil der Kapitalwert hier in Geldform existiert, der Geldzustand hier ein durch den Zusammenhang des Kreislaufs vorgeschriebner Zustand des industriellen Kapitals in einem seiner Stadien ist. Aber es bewährt sich hier wieder zugleich, daß das Geldkapital innerhalb des Kreislaufs des industriellen Kapitals keine andren als Geldfunktionen verrichtet, und diese Geldfunktionen nur durch ihren Zusammenhang mit den andren Stadien dieses Kreislaufs zugleich die Bedeutung von Kapitalfunktionen haben.“ [11]
Eine dritte und sehr bedeutende Ursache von Brachliegen des Geldkapitals entsteht aus der Art, wie das Kapital aus dem Verwertungsprozeß rückfließt, und zwar sind auch hier wieder zwei Hauptursachen für die Entstehung von brachliegendem Geldkapital zu nennen.
Das industrielle Kapital zerfällt, vom Standpunkt seines Umschlages aus betrachtet, bekanntlich in zwei Teile. Ein Teil des Kapitals wird während jeder einzelnen Umschlagsperiode vollständig verzehrt, und sein Wert geht ganz auf das Produkt über. In einer Spinnerei zum Beispiel, in der 10 000 Pfund Garn monatlich produziert und am Ende des Monats verkauft werden, sind während dieses Monats der entsprechende Wert von Baumwolle, Schmieröl, Leuchtgas, Kohle und Arbeitskraft verbraucht worden, und ihr Wert wird beim Verkauf des Produkts dem Kapitalisten zurückersetzt. Dieser Teil des Kapitals, der in einer Umschlagsperiode ersetzt wird, ist das zirkulierende Kapital. Anderseits waren zur Produktion Baulichkeiten, Maschinerie usw. nötig, die fortfahren, auch nach Beendigung der Umschlagsperiode im Produktionsprozeß zu fungieren. Von ihrem Wert ist daher nur ein Teil, gleich dem durchschnittlichen Verschleiß während einer Umschlagsperiode, übertragen worden. Beträgt ihr Wert sage 100.000 M., ihre Funktionsdauer durchschnittlich 100 Monate, so werden durch den Verkauf des Garns für Ersatz der Baulichkeiten und Maschinerie 1000 M. zurückfließen. Jener Teil des Kapitals, der während einer Reihe von Umschlagsperioden fungiert, bildet das fixe Kapital.
Es fließt also dem Spinnereibesitzer aus der Zirkulation beständig Geld zu als Ersatz seines fixen Kapitals, das er in Geldform festhalten muß, bis es nach 100 Monaten den Betrag von 100.000 M. erreicht hat, die er dann zum Ankauf neuer Maschinerie usw. benötigt. Es findet also auch hier Schatzbildung statt, die „selbst ein Element des kapitalistischen Reproduktionsprozesses, Reproduk- lion und Aufspeicherung – in Geldform – des Werts des fixen Kapitals oder seiner einzelnen Elemente, bis zu der Zeit, wo das fixe Kapital ausgelebt und folglich seinen ganzen Wert an die produzierten Waren abgegeben hat und nun in natura ersetzt werden muß“. [12]
Zugleich sehen wir, daß ein Teil der Kapitalisten der Zirkulation Inständig Geld entzieht als Ersatz des Wertes des verschlissenen fixen Kapitals. Die Geldform ist hier wesentlich; der Wert des fixen Kapitals kann nur in Geld ersetzt werden, weil das fixe Kapital als solches weiter im Produktionsprozeß fungiert und daher nicht in natura ersetzt zu werden braucht. Es ist also die bestimmte Art der Reproduktionsweise des fixen Kapitals, die hier das Geld notwendig macht. [13] Was hier durch das Geld überhaupt erst ermöglicht wird, ist die Trennung und Verselbständigung der Wertzirkulation des fixen Kapitals gegenüber der Beständigkeit seiner technischen Funktion im Produktionsprozeß.
Die Art des Rückflusses des fixen Kapitals bewirkt also periodisches Aufschatzen, damit aber periodisches Brachliegen von Geldkapital.
Als letzte Ursache der Freisetzung von Geldkapital haben wir noch die Art der kapitalistischen Akkumulation zu betrachten. Soll der Mehrwert als Kapitell fungieren, sei es, daß er zur Erweiterung alter oder Begründung neuer Unternehmen verwandt werden soll, so muß er eine gewisse Größe erreicht haben, deren Ausmaß von den gegebenen technischen und ökonomischen Bedingungen des Unternehmens abhängt. Mit jeder Beendigung eines Kreislaufs wird aber ein Stück Mehrwert, und zwar zunächst in Geldform, realisiert. In der Regel muß eine ganze Anzahl solcher Kreisläufe vollzogen sein, bis die realisierten Mehrwertsummen groß genug geworden sind, um in Produktionskapital verwandelt werden zu können. Es werden so beständig Geldsummen von den einzelnen Kapitalisten auf geschätzt, die für sie realisierten Mehrwert darstellen, bis schließlich diese Summen für die produktive Verwendung ausreichend geworden sind. Wir haben es hier mit brachliegendem Geldkapital zu tun, das aus dem Verwertungsprozeß herstammt und eine Zeitlang in Geldform aufgeschatzt bleiben muß, bis es zur produktiven Verwendung gelangen kann.
Schatzbildung kann schon innerhalb der einfachen Warenzirkulation erfolgen. Dazu ist weiter nichts nötig, als daß beim Prozeß W–G–W der zweite Teil G–W nicht vollzogen wird, daß also der Warenverkäufer seinerseits nicht wieder kauft, sondern das Geld aufschatzt. Aber solches Verhalten erscheint als bloßer Zufall und Willkür. In der Zirkulation des Kapitals wird aber solches Aufschatzen zur Notwendigkeit, die sich aus der Natur des Prozesses selbst ergibt. Der Unterschied gegen die einfache Warenzirkulation ist ferner der, daß nicht bloßes Zirkulationsmittel freigesetzt wird, das zum Schatz erstarrt, sondern daß Geldkapital freigesetzt wird, Geld, das zugleich Stadium des Verwertungsprozesses war und das nunmehr bestrebt sein muß, neuerdings in den Verwertungsprozeß zu gelangen, von neuem Geldkapital zu werden; es übt also Druck auf den Geldmarkt aus.
So entsteht aus dem Mechanismus der Zirkulation des Kapitals selbst die Notwendigkeit, daß Geldkapital in größerem oder geringerem Umfang für längere oder kürzere Zeit brachliegt. Das bedeutet aber, daß es während dieser Zeit nicht Profit zeugen kann, eine Todsünde vom Standpunkt des Kapitalisten. Der Umfang, in dem das Kapital seinen Sündenfall vollzieht, hängt aber wie die meisten Sünden von objektiven Faktoren ab, deren Betrachtung wir uns nunmehr zuwenden müssen.
Wir wissen bereits, daß während der Umlaufszeit des Kapitals zuschüssiges Geldkapital zur Fortführung des Produktionszweiges erfordert wird, das periodisch brachgelegt wird. Verkürzt sich nun in unserem ersten Beispiel die Umlaufszeit von drei auf zwei Wochen, so werden 1000 M. überflüssig und werden in Form von (’ieldkapital ausgeschieden. Als solches tritt es in den Geldmarkt ein und bildet zuschüssigen Teil der hier fungierenden Kapitalien. Diese überschüssigen 1000 M. existierten früher nur zum Teil in Geldform; nämlich zu jenem Teil, der zur Zahlung der Arbeitskraft diente, 500 M. dagegen wurden zum Ankauf von Produktionsmitteln verwandt, existierten also in Warenform. Jetzt werden sie i;;mz, und zwar in Geldform, aus dem Kreislaufprozeß dieses Kapitals ausgeschieden.
„Die hiermit in Geldform ausgeschiednen“ 1000M. „bilden jetzt ein neues, Anlage suchendes Geldkapital, einen neuen Bestandteil des Geldmarkts. Sie befanden sich zwar periodisch schon früher in der Form von freigesetztem Geldkapital und von zuschüssigem Produktivkapital, aber diese latenten Zustände selbst waren Bedingung für die Ausführung, weil für die Kontinuität, des Produktionsprozesses. Jetzt sind sie nicht mehr dazu nötig und bilden deswegen neues Geldkapital und einen Bestandteil des Geldmarkts, obgleich sie durchaus weder ein zuschüssiges Element des vorhandenen gesellschaftlichen Geldvorrats bilden (denn sie existieren lieim Beginn des Geschäfts und wurden durch es in die Zirkulation geworfen) noch einen neuakkumulierten Schatz.“ [14]
Es zeigt sich hier also, wie bei gleichbleibendem Geldvorrat nur durch Verkürzung der Umschlagszeit des Kapitals vermehrtes Angebot von Geldkapital entsteht. Denn das Geld ist durch seine frühere Funktion als Kapital prädestiniert, wieder Kapital zu werden.
Verlängert sich umgekehrt die Umlaufszeit, sage um weitere zwei Wochen, so wird zuschüssiges Kapital erforderlich im Belauf von 2000 M., die aus dem Geldmarkt genommen werden müssen, um in den Kreislauf des produktiven Kapitals (in den immer die Zirkulationszeit eingeschlossen ist) zu treten. 1000 M. werden allmählich aus der Geldform in Arbeitskraft umgewandelt, die anderen 1000 vielleicht sofort in Produktionsmittel. Die Verlängerung des Umschlages bewirkt daher vermehrte Nachfrage auf dem Geldmarkt.
Die wichtigsten Momente, welche die Umschlagsperiode selbst affizieren, sind die folgenden:
„Soweit die größre oder geringre Länge der Umschlagsperiode abhängt von der Arbeitsperiode im eigentlichen Sinn, d. h. der Periode, nötig um das Produkt für den Markt fertig zu machen, beruht sie auf den jedesmal gegebnen sachlichen Produktionsbedingungen der verschiednen Kapitalanlagen, die innerhalb der Agrikultur mehr den Charakter von Naturbedingungen der Produktion besitzen, in der Manufaktur und dem größten Teil der extraktiven Industrie mit der gesellschaftlichen Entwicklung des Produktionsprozesses selbst wechseln.“ [15]
Hier walten zweierlei Tendenzen. Die Entwicklung der Technik verkürzt die Arbeitsperiode; das einzelne Stück wird rascher fertiggestellt, verläßt also rascher die Fabrik und kommt auf den Markt; es tut das außerdem, wenn es sich um diskrete Produkte handelt, auch in größerer Gesellschaft, es ist mehr hergestellt worden als früher, ein größeres Kapital schlägt also rascher um; der technische Fortschritt verkürzt die Arbeitsperiode und beschleunigt so den Umschlag des zirkulierenden Kapitals und des Mehrwertes. Aber zugleich bedeutet dieser Fortschritt Vermehrung des Fixen Kapitals, dessen Umschlagsperiode länger ist, eine Reihe von Umschlägen des zirkulierenden Kapitals umfaßt. Diese Vermehrung des fixen Kapitals schreitet in rascherem Verhältnis fort als die des zirkulierenden. Ein immer größerer Teil des Gesamtkapitals verlangsamt damit seinen Umschlag. Vom Kredit abgesehen, wäre damit in der Verlangsamung des Umschlages ein weiterer Grund – der erste ist dir Vergrößerung der Stufenleiter der Produktion als solche – zu vermehrtem Vorschuß von Geldkapital gegeben, von dem aber auch ein größerer Teil disponibel (freigesetzt) bliebe.
„Soweit die Länge der Arbeitsperiode auf der Größe der Lieferungen beruht (dem quantitativen Umfang, worin das Produkt als Ware in der Regel auf den Markt geworfen wird), hat dies konventionellen Charakter. Aber die Konvention selbst hat zur materiellen Basis die Stufenleiter der Produktion, und ist daher nur im einzelnen betrachtet zufällig.“
Auch hier wächst im allgemeinen das Quantum, mit ihm der Kapitalvorschuß. Jedoch ist zu beachten, daß das größere Quantum infolge des technischen Fortschritts geringeren Preis haben kann, daher auch geringerer Vorschuß erforderlich sein kann.
„Soweit endlich die Länge der Umschlagsperiode von der Länge der Zirkulationsperiode abhängt, ist diese zum Teil zwar bedingt durch den beständigen Wechsel in den Marktkonjunkturen, die größere oder geringere Leichtigkeit zu verkaufen, und die dieser entspringende Notwendigkeit, das Produkt teilweise auf nähern oder entfernten Markt zu werfen. Abgesehn vom Umfang der Nachfrage überhaupt, spielt die Bewegung der Preise hier eine Hauptrolle, indem der Verkauf bei fallenden Preisen absichtlich beschränkt wird, während die Produktion vorangeht; umgekehrt bei steigenden Preisen, wo Produktion und Verkauf Schritt halten, oder im voraus verkauft werden kann. Jedoch ist als eigentliche materielle Basis zu betrachten die wirkliche Entfernung des Produktionssitzes vom Absatzmarkt.“ [16]
Da der Profit in der Produktion entsteht, durch die Zirkulation uni realisiert wird, ist es ständiges Bestreben, alles Kapital womöglich in Produktionskapital zu verwandeln. Daher die Tendenz, die Zirkulationskosten auf ein Minimum herabzusetzen durch Ersetzung des Metallgeldes durch Kreditgeld und zweitens die Zirkulationszeit selbst herabzudrücken durch Entwicklung der Handelstechnik, durch möglichst raschen Verkauf der Produkte. Eine Gegentendenz bildet die stete Erweiterung der Märkte und die Entwicklung der internationalen Arbeitsteilung. Diese Gegentendenz wird in ihrer Wirkung gemildert durch die Entwicklung der Transportverhältnisse.
Wir haben schließlich noch hervorzuheben, daß die Länge der Umschlagszeit des Kapitals entscheidend ist für die Schnelligkeit, mit der der Mehrwert in Kapital rückverwandelt, akkumuliert werden kann. Je kürzer die Umschlagszeit, desto rascher realisiert sich auch der Mehrwert in Geldform und kann in Kapital verwandelt werden.
All diese angeführten Momente: die organische Zusammensetzung des Kapitals, insbesondere das Verhältnis des fixen zum zirkulierenden Kapitalsbestandteil, die Entwicklung der Handelstechnik, welche die Umlaufszeit abkürzt, die in gleicher Richtung wirkende Entwicklung der Transportmittel, der aber in dem Aufsuchen stets entfernterer Märkte eine Gegentendenz erwächst, die Verschiedenheit im Tempo der Rückflüsse infolge der periodischen Konjunkturschwankungen, schließlich die raschere oder verlangsamtere produktive Akkumulation: alle diese Umstände wirken auf die Masse des brachliegenden Kapitals und auf die Dauer des Brachliegens ein.
Dazu kommt als wichtiges Moment der Einfluß der Preisänderungen der Waren. Tritt Preisfall der Rohmaterialien ein, so braucht der Kapitalist unseres Beispiels, um die Produktion auf gleicher Stufenleiter fortzuführen, wöchentlich nicht 1000 M., sondern sage nur 900 M. vorzuschießen; für die ganze Umschlagsperiode seines Kapitals also nicht 9000 M., sondern nur 8100 M., während 900 M. frei werden. Das so „ausgeschiedne und jetzt unbeschäftigte, daher auf dem Geldmarkt Anlage suchende Kapital, Geldkapital, ist nichts als ein Stück des ursprünglich als Geldkapital vorgeschoßnen Kapitals von“ 9000 M., „das durch den Preisfall der Produktionselemente, worin es periodisch rückverwandelt, überflüssig geworden ist, soll das Geschäft nicht erweitert, sondern auf der allen Stufenleiter fortgesetzt werden. Wäre dieser Preisfall nicht zufälligen Umständen geschuldet (besonders reicher Ernte, Überzufuhr etc.), sondern einer Vermehrung der Produktivkraft in dem Zweig, der den Rohstoff liefert, so wäre dies Geldkapital ein absoluter Zuschuß zum Geldmarkt, überhaupt zu dem in der Form um Geldkapital disponiblen Kapital, weil es keinen integrierenden Bestandteil des bereits angewandten Kapitals mehr bildete.“ [17]
Umgekehrt erfordert Preissteigerung des Rohmaterials zuschüssiges Geldkapital und bewirkt somit Steigerung der Nachfrage auf dem Geldmarkt.
Es ist ohne weiteres klar, daß die eben betrachteten Momente von großer Wichtigkeit sind für die Entwicklung des Geldmarktes während der periodischen Schwankungen, die durch die Konjunktur vedrursacht werden. Im Beginn der Prosperität sind die Preise niedrig, die Rückflüsse gehen noch rasch ein, die Zirkulationszeit ist kurz. Während der Hochkonjunktur steigen die Preise und die Zirkulationszeit dehnt sich aus. Kredit wird stärker in Anspruch genommen für die Zirkulation, während gleichzeitig durch die Ausdehnung der Produktion auch die Inanspruchnahme für Kapitalkredit gewachsen ist. Sowohl die Ausdehnung der Zirkulationszeit als die Erhöhung der Preise macht zuschüssiges Kapital erforderlich, das dem Geldmarkt entnommen werden muß und die Menge des verfügbaren Leihkapitals verringert.
Mit dem Fortschritt zur höheren organischen Zusammensetzung wächst im allgemeinen auch die Umschlagszeit des Kapitals. Es wächst nicht nur die Größe des angewandten Kapitals, sondern auch die Zeit, während der es im Produktionsprozeß fungiert. Es verlängert sich die Zeit, bis das vorgeschossene Kapital an seinen Ausgangspunkt zurückkehrt. Der Kapitalist muß zum Beispiel 10.000 M. vorschießen, wenn seine Umschlagszeit zehn Wochen beträgt. Wendet er eine neue Produktionsmethode an, die einen Vorschuß von 60.000 M. nötig macht, und beträgt die Umschlagszeit jetzt 30 Wochen, so sind dem Geldmarkt 60.000 M. zu entziehen. Das sechsfache Kapital müßte dreimal solange vorgeschossen werden.
Je länger die Umschlagszeit des Kapitals, desto länger dauert es, bis der Gegenwert der dem Markt entzogenen Waren (Produktionsmittel und Lebensmittel für die Arbeiter) wieder in Warenform auf den Markt kommt. Dem Markte werden so Waren entzogen, für die ihm bloß Geld zur Verfügung gestellt wird. Das Geld ist hier nicht verschwindende Form, sondern bleibende Wertgestalt für dem Markt entzogene Waren. Sein Wert ist verselbständigt gegenüber der Ware. Der Warenwert muß hier absolut ersetzt werden durch Geld, da der Ersatz durch andere Ware erst zu einem ganz anderen Zeitpunkt erfolgen kann.
„Denken wir die Gesellschaft nicht kapitalistisch, sondern kommunistisch, so fällt zunächst das Geldkapital ganz fort, also auch die Verkleidungen der Transaktionen, die durch es hineinkommen. Die Sache reduziert sich einfach darauf, daß die Gesellschaft im voraus berechnen muß, wieviel Arbeit, Produktionsmittel und Lebensmittel sie ohne irgendwelchen Abbruch auf Geschäftszweige verwenden kann, die, wie Bau von Eisenbahnen z. B., für längre Zeit, ein Jahr oder mehr, weder Produktionsmittel noch Lebensmittel, noch irgendeinen Nutzeffekt liefern, aber wohl Arbeit, Produktionsmittel und Lebensmittel der jährlichen Gesamtproduktion entziehn. In der kapitalistischen Gesellschaft dagegen, wo der gesellschaftliche Verstand sich immer erst post festum geltend macht, können und müssen so beständig große Störungen eintreten. Einerseits Druck auf den Geldmarkt, während umgekehrt die Leichtigkeit des Geldmarkts ihrerseits solche Unternehmungen in Masse hervorruft, also gerade die Umstände, welche später den Druck auf den Geldmarkt hervorrufen ... Andrerseits: Druck auf das disponible produktive Kapital der Gesellschaft. Da beständig Elemente des produktiven Kapitals dem Markt entzogen werden und für dieselben nur ein Geldäquivalent in den Markt geworfen wird, so steigt die zahlungsfähige Nachfrage, ohne aus sich selbst irgendein Element der Zufuhr zu liefern. Daher Steigen der Preise, unwohl der Lebensmittel wie der Produktionsstoffe. Es kommt hinzu, daß während dieser Zeit regelmäßig geschwindelt wird, große Übertragung von Kapital stattfindet ...“ [18]
Hier wird die Verschiedenheit des Umschlages ein Moment der Störung in der Proportionalität der Reproduktion und damit – wie später noch gezeigt werden wird – zu einem Krisenmoment.
Als Resultat der bisherigen Untersuchung ergibt sich also: Erstens: Ein Teil des in der Produktion fungierenden gesellschaftlichen Gesamtkapitals liegt stets in Form von Geldkapital brach, Zweitens: Die Größe dieses brachliegenden Geldkapitals ist starken Variationen unterworfen, und alle diese Variationen müssen unmittelbaren Einfluß auf den Geldmarkt, auf Angebot und Nachfrage von Geldkapital ausüben.
Das Brachliegen von Kapital widerspricht aber der Funktion des Kapitals, Profit zu produzieren. Es ergibt sich so das Bestreben, dieses Brachliegen auf ein Minimum zu reduzieren. Diese Aufgabe bildet eine neue Funktion des Kredits.
Die Art, wie der Kredit diese Funktion erfüllen kann, ist ohne unteres klar. Wir wissen ja, daß periodisch aus dem Kreislaufprozeß des Kapitals Geldkapital freigesetzt wird. Dieses aus dem Kreislauf des einen individuellen Kapitals ausgeschiedene Geldkapital kann aber als Geldkapital in dem Kreislauf eines anderen Kapitals fungieren, wenn es diesem anderen Kapitalisten durch den Kredit zur Verfügung gestellt wird. So bildet die periodische Freisetzung des Kapitals eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Kreditverhältnissen.
Alle Ursachen also, die zur Brachlegung von Kapital geführt haben, werden jetzt ebenso viele Ursachen zur Entstehung von Kreditverhältnissen, und alle Momente, die auf die Menge des brachliegenden Kapitals einwirken, bestimmen jetzt die Expansion und Kontraktion dieses Kredits.
Treten zum Beispiel Pausen im Kreislaufprozeß eines Kapitals ein und findet die Unterbrechung des Kreislaufprozesses so statt, daß das Kapital als Geldkapital fixiert bleibt, so wird latentes Geldkapital gebildet, das jetzt durch den Kredit anderen Kapitalisten zur Verfügung gestellt wird. Dies ist der Fall bei diskontinuierlichen Produktionsprozessen, in solchen, die von der Jahreszeit abhängen, sei es infolge von Naturbedingungen (Agrikultur, Heringsfang, Zuckerproduktion usw.), sei es infolge konventioneller Umstände, wie zum Beispiel bei sogenannten Saisonarbeiten. Jede Freisetzung von Geldkapital bedeutet aber die Verwendungsmöglichkeit dieses Geldkapitals durch Vermittlung des Kredits zu anderen produktiven Zwecken außerhalb des Kreislaufes des individuellen Kapitals, das es freisetzt. [19]
Wird dagegen der Kreislauf in anderen Stadien unterbrochen, wo kein Geldkapital freigesetzt wird, da ist umgekehrt, soll der Prozeß kontinuierlich erhalten werden, Reservefonds nötig, der gleichfalls in Geldform gehalten werden muß, oder bei entwickeltem Kreditsystem Inanspruchnahme von Kredit.
Einerseits gibt so die Natur des Kreislaufprozesses die Möglichkeit der Gewährung von Kapitalkredit. Da aber das Geld stets Zirkulationsunkosten darstellt, die kapitalistische Produktion daher die Tendenz hat, ihre Potenzen immer stärker anzuspannen, ohne das Geldkapital in gleicher Weise zu vermehren, wird dieser Kredit zur Notwendigkeit.
Anderseits macht jede Störung im Zirkulationsprozeß, jede Verlängerung der Prozesse W–G oder G–W zuschüssiges Kapital, Reservekapital, nötig, um die Kontinuität des Produktionsprozesses zu erhalten. Wir haben gesehen, daß die Menge des Geldes caet. paribus abhängt von der Preissumme der zu zirkulierenden Waren.
Finden daher im Kreislaufprozeß Wertänderungen statt, so wird die Menge des Geldkapitals affiziert. Steigen die Preise, so wird zuschüssiges Geldkapital gebunden, fallen sie, so wird Geldkapital frei; „je größer die Störungen, um so größres Geldkapital muß der industrielle Kapitalist besitzen, um die Ausgleichung abwarten zu können; und da im Fortgang der kapitalistischen Produktion sich die Stufenleiter jedes individuellen Produktionsprozesses und mit ihm die Minimalgröße des vorzuschießenden Kapitals erweitert, so kommt jener Umstand zu den andren, die die Funktion des industriellen Kapitalisten mehr und mehr in ein Monopol großer Geldkapitalisten, vereinzelter oder assoziierter, verwandeln“. [20]
Der Kredit, der sich auf der Freisetzung des Geldkapitals aufbaut, unterscheidet sich aber wesentlich von dem Zahlungskredit, der sich auf Grund der einfachen Warenzirkulation nur aus der geänderten Funktion des Geldes ergibt. Dies bedarf noch näherer Ausführung.
1. In einem Briefe an Rudolf Meyer sagt Rodbertus: „Das Metallgeld ist nicht bloß Wertmesser und Liquidationsmittel – soweit entspricht es nur der Idee des Geldes, in der es nicht liegt, daß diese Quittung = Anweisung mit Warenwert auf einem so teuren Stoff geschrieben stehe, wie Edelmetall ist = sondern dient heute auch als Produktionsregulator, und diesen Dienst versieht es nur durch seine kostbare Stoffzugabe. Sie müßten auch jedem Unternehmer befehlen dürfen, wieviel er produzieren soll, wenn Sie die Warennote einführen wollen. Die Idee der Warennote bohrt auf dem interessantesten Punkt der ganzen Nationalökonomie, aber als ständiges Zirkulationsmittel (und nicht bloß vorübergehender Darlehenskassenschein) ist sie nur möglich, wenn der Wert der Waren nach Arbeit konstituiert ist und die Warennote auf Warenwert nach Arbeit bemessen lautet. Die Möglichkeit eines solchen Geldes bezweifle ich nicht; aber soll ein solches Geld das alleinige Zirkulationsmittel sein, so setzte das die Aufhebung des Grund- und Kapitaleigentums voraus.“ Briefe und Sozialpolitische Aufsätze von Dr. Rodbertus-Jagetzow. Herausgegeben von Dr. Rudolf Meyer, Berlin 1881, II. Bd., S. 441. Diese wie andere Stellen beweisen übrigens, daß Engels Rodbertus unrecht getan hat, wenn er ihn mit den kleinbürgerlichen Arbeitsgeldutopisten, den Gray, Bray usw., die ein Arbeitsgeld ohne gesellschaftliche Kontrolle der Produktion für möglich hielten, in einen Topf warf.
2. Die Schwierigkeit des Kapitalbegriffes wie der ökonomischen Begriffe überhaupt entspringt aus dem Schein, daß sie den Dingen selbst anhaften, während sie nur bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse widerspiegeln, in denen dieselben Dinge durchaus wechselnde Rollen übernehmen. So spiegelt Gold als Geld einerseits nur das Verhältnis einer bestimmten Epoche in der Entwicklung des Warenaustausches wider, es ist Zirkulationsmittel. Aber in einem anderen Verhältnis wird es Kapital. Ob Gold oder auch Geld Kapital ist, ist daher eine falsch gestellte Frage. In manchen Verhältnissen ist es Geld, in anderen auch Kapital. Auch Kapital aber, das heißt, es kann als Kapital immer nur Geldfunktionen vollziehen, ist nur Geldform des Kapitals im Unterschied zur Warenform des Kapitals.
Bestimmten Dingen Kapitalcharakter zuschreiben zu wollen ist ebenso falsch, wie den Raum als etwas den Dingen Anhaftendes anzusehen. Nur unsere Anschauung gibt den Dingen die Raumform, wie nur bestimmte Stadien der gesellschaftlichen Entwicklung den Dingen Geld- oder Kapitalform geben.
3. Marx, Kapital, II., S. 12. (Neuausgabe: Karl Marx, Das Kapital, Bd. II, Dietz Verlag, Berlin 1953, S. 34. – Die Red.)
4. Marx, Ebenda, S. 97. (Neuausgabe S. 115/116. – Die Red.)
5. Ebenda, S. 133. (Neuausgabe S. 150. – Die Red.)
6. Ebenda, S. 243. (Neuausgabe S. 257. – Die Red.)
7. Ebenda, S. 248. (Neuausgabe S. 262. – Die Red.)
8. Ebenda, S. 262. (Neuausgabe S. 277. Die Red.)
9. Ebenda, S. 248. (Neuausgabe S. 262. – Die Red.) Das Zahlenbeispiel ist bei Marx anders als in unserem Text. Wir haben in die Marx-Zitate der Einfachheit halber unsere Zahlen eingesetzt.
10. Wir können hier nur die wichtigsten Momente anführen. Im II. Band des Kapital hat Marx das Problem bis in die Details, die übrigens von Pedanten noch vermehrt werden könnten, verfolgt. Doch ist die grundlegende Bedeutung dieser Untersuchungen für das Verständnis der Kreditverhältnisse bisher übersehen worden.
11. Ebenda, S. 52. (Neuausgabe S. 73. – Die Red.)
12. Ebenda, S. 449. (Neuausgabe S. 455. – Die Red.)
13. „So wenig wie die einfache Warenzirkulation identisch ist mit bloßem Produktenaustausch, so wenig kann sich der Umsatz des jährlichen Warenprodukts in bloßen, unvermittelten, gegenseitigen Austausch seiner verschiednen Bestandteile auflösen. Das Geld spielt eine spezifische Rolle darin, die namentlich auch in der Weise der Reproduktion des fixen Kapitalwerts sich ausdrückt.“ (Ebenda, S. 450. [Neuausgabe S. 455. – Die Red.)
14. Ebenda, S. 274. (Neuausgabe S. 288. – Die Red.)
15. Ebenda, S. 503/304. (Neuausgabe S. 316. – Die Red.)
16. Ebenda, S. 316 f.
17. Ebenda, S. 277. (Neuausgabe S. 291. – Die Red.)
18. Ebenda, S. 302. (Neuausgabe S. 314/315. – Die Red.)
19. Darauf beruht die ausgleichende Tätigkeit jener Banken, die das in den Agrikulturbezirken mit ihrem stark wechselnden Geldbedarf freiwerdende Geldkapital industriellen Bezirken zuführen. Welchen Einfluß anderseits die Konvention ausüben kann, zeigt folgendes Beispiel aus der modernen Schuhfabrikation: Daß sich das umlaufende Kapital nicht öfter als zweimal im Jahre umsetzt, obwohl der Fabrikationsprozeß eines Schuhes durchschnittlich nur 5 bis 4 Wochen dauert, erklärt sich aus dem Umstand, daß die Hauptbestellungen im Laufe des Jahres für Lieferung vor Ostern oder Pfingsten geschehen. Die Ware wird in der Zwischenzeit angefertigt und liegt auf dem Lager, da sie vor dem Lieferungstermin nicht angenommen wird oder doch wenigstens die Zahlungsverpflichtung des Schuhhändlers erst mit dem Lieferungstermin beginnt. Karl Behe, Die Deutsche Schuhgroßindustrie, Jena 1908, S. 55.
Zugleich wirken solche Verhältnisse bestimmend ein auf die Benützung des Kredits. „Die Eigenart des Saisongeschäftes in der Schuhindustrie veranlaßt auch die Schuhfabriken, mit Banken zu arbeiten. Die großen, nach der Hauptsaison einlaufenden Summen werden an die Banken abgeführt, welche ihrerseits in den übrigen Jahreszeiten den Fabriken die erforderlichen Summen für die Bezahlung der Löhne und der sonstigen Betriebsunkosten zur Verfügung stellen und auch die Zahlungen für die Rohstoffe durch Überweisung oder Scheckverkehr übernehmen.“ (Ebenda, S. 57.)
20. Marx, a. a. O., S. 84. (Neuausgabe S. 102/103. – Die Red.) Hier ist also die Herrschaft der Banken über die Industrie, die wichtigste Erscheinung der neuesten Zeit, vorausgesagt, als noch kaum die Keime dieser Entwicklung sichtbar waren.
Zuletzt aktualisiert am 9. November 2015