Rudolf Hilferding

Das Finanzkapital


Erster Abschnitt
Geld und Kredit


III. Kapitel
Das Geld als Zahlungsmittel. Das Kreditgeld


Wir haben bisher das Geld als Zirkulationsmittel betrachtet, die Notwendigkeit seines objektiven Wertes nachgewiesen und die Grenzen dieser Notwendigkeit, die Ersetzbarkeit durch Geldzeichen gezeigt. Im Zirkulationsprozeß W–G–W war dieselbe Wertgröße immer doppelt vorhanden, einmal als Ware, das andere Mal als Geld. Aber Ware kann verkauft werden und erst später gezahlt werden. Der Stellenwechsel der Ware ist vollzogen, bevor ihr Wert durch Geld ersetzt wird. Der Verkäufer wird Gläubiger, der Käufer Schuldner. Das Geld erhält durch die Trennung von Verkauf und Zahlung eine neue Funktion, es wird Zahlungsmittel, Die gleichzeitige Erscheinung der Äquivalente Ware und Geld auf den beiden Polendes Verkaufsprozesses hat aufgehört. Das Zahlungsmittel tritt in die Zirkulation hinein, aber nachdem die Ware bereits aus ihr ausgetreten ist. Das Geld vermittelt nicht mehr den Prozeß, sondern schließt ihn selbständig ab. Hat der schuldige Käufer kein Geld, so muß er Ware verkaufen, um zahlen zu können. Zahlt er nicht, so finden Zwangsverkäufe seiner Habe statt. Die Wertgestalt der Ware, Geld, wird also jetzt zum Selbstzweck des Verkaufes durch eine den Verhältnissen des Zirkulationsprozesses selbst entspringende gesellschaftliche Notwendigkeit. Während Geld als Zirkulationsmittel den gesellschaftlichen Zusammenhang zwischen Käufer und Verkäufer vermittelt, dieser selbst also nur durch Vermittlung des Geldes entsteht, drückt Geld als Zahlungsmittel einen gesellschaftlichen Zusammenhang aus, der sich bereits gebildet hat, ehe Geld in Funktion getreten ist. Die Ware ist weggegeben, vielleicht längst konsumiert, bevor ihr Wert durch Geld ersetzt ist. Der Zahlungstermin ist ganz verschieden von dem Termin, an welchem die Zahlungsverpflichtung entstanden ist. Das Geld, das als Zahlung gegeben wird, ist nicht bloß vermittelnde und daher verschwindende, daher auch unmittelbar ersetzbare ökonomische Form in dem Warenaustauschprozeß. Vielmehr erfüllt erst die Zahlung den Prozeß auch inhaltlich. Denn wenn in W–G–W kreditiert wird, so kann auch der erste Warenbesitzer, der die Ware verkauft hat, den zweiten Teil seiner Metamorphose G–W erst vollziehen, wenn G gezahlt worden ist. Der frühere einfache Prozeß ist jetzt in zwei Bestandteile zerlegt, die zeitlich auseinanderfallen.

Auch ein anderer Fall ist möglich: Der Warenbesitzer vollzieht den Kauf G–W seinerseits, indem auch er G schuldig bleibt, in Erwartung des Rückstromes von G für den Verkauf seiner Ware. Seine Zahlung hängt dann ab von der Zahlung des Käufers seiner Ware. Bleibt die Zahlung aus, so macht er bankrott und zwingt auch seine Gläubiger zum Bankrott. Als Zahlungsmittel muß daher das Geld zurückfließen, soll nicht der ganze bereits vollzogene Austauschprozeß hinterher seine Gültigkeit verlieren. Wird das Geld nicht gezahlt, so bleibt zwar die Ware weggegeben, der durch ihre Weggabe geschaffene gesellschaftliche Zusammenhang kann nicht mehr rückgängig gemacht werden, aber er wird für den einzelnen Warenbesitzer hinterher annulliert. Er erhält den Wert, den er fortgegeben, nicht mehr zurück und kann seinerseits keine Werte erlangen oder die erlangten nicht bezahlen.

Die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel setzt also die beiderseitige Übereinkunft von Käufer und Verkäufer voraus, die Zahlung aufzuschieben. Das ökonomische Verhältnis entspringt hier also als einem privaten Akt. Neben dem Kauf und Verkauf entsteht das zweite Verhältnis von Gläubiger und Schuldner, eine Verpflichtung zwischen zwei Privatpersonen.

Anderseits repräsentiert das Geld als Zahlungsmittel nur vollzogene Käufe und Verkäufe. Das Geld hat zunächst nur ideell als Wertmesser fungiert. Gezahlt wird erst später. Sind Käufe und Verkäufe unter denselben Personen vorgegangen, so können sie sich gegenseitig kompensieren, und nur die Bilanz muß in Geld gezahlt werden. Soweit ist also das Geld auch hier nur Repräsentant von Werten und kann ersetzt werden. Aber als Zirkulationsmittel vermittelte das Geld nur den Warenaustausch, der Wert der einen wurde durch den der anderen Ware ersetzt. Damit war der Prozeß vollständig abgeschlossen. Dieser Prozeß war ein gesellschaftlicher, war der Akt, durch den sich der gesellschaftliche Stoffwechsel vollzieht, daher innerhalb eines bestimmten Umfanges unbedingt notwendig. Da das Goldgeld hier nur vermittelte, konnte es ersetzt werden durch Zeichen, die die Sanktion der Gesellschaft (des Staates) hatten. Wenn Geld als Zahlungsmittel wirkt, so ist gerade der unmittelbare Ersatz eines Wertes durch einen anderen aufgehoben. Der Verkäufer hat die Ware hingegeben, ohne sich das gesellschaftlich gültige Äquivalent, Geld, auch ohne sich eine andere Ware von gleichem Wert, die das Geld in diesem Austauschakt überflüssig gemacht hätte, zu verschaffen. Er hat nur ein Zahlungs- versprechen des Käufers, hinter dem nicht die gesellschaftliche Garantie [1] steht, sondern nur die private des Käufers. Daß er Ware gegen ein Versprechen hingibt, ist seine Privatsache. Was das Versprechen wert war, zeigt sich erst am Zahltag, wenn es wirklich umwandelbar ist in Geld. Der Verkäufer hat also Ware hingegeben gegen eine Zahlungsverpflichtung, einen „Wechsel“. Dieser selbst mag von anderen für sicher gehalten werden, und sie werden ihrerseits Waren an unseren Wechselbesitzer verkaufen. Der Wechsel fungiert hier innerhalb dieses Kreises von Personen, welche durch ihre Eigenschaft, das Zahlungsversprechen für voll zu nehmen, also nur durch diese ihre private, wenn auch meist sehr begründete Meinung zu einem Kreis verbunden sind, als Zirkulationsmittel oder Zahlungsmittel, kurz als Geld – Kreditgeld. All diese Tauschakte sind für diesen Kreis erst vollzogen, endgültig, wenn das Kreditgeld umgewandelt ist in Geld.

Im Gegensatz also zum Staatspapiergeld mit Zwangskurs, das als gesellschaftliches Produkt aus der Zirkulation erwächst, ist das Kreditgeld privat, nicht gesellschaftlich garantiert und muß daher immer in Geld verwandelbar, konvertibel sein. Ist diese Konvertibilität zweifelhaft, so verliert der Ersatz des Zahlungsmittels jeden Wert. Als Zahlungsmittel kann Geld daher nur ersetzt werden durch Zahlungsanweisungen. Diese müssen eingelöst werden, soweit sie sich nicht durch gegenseitige Verflechtung kompensieren.

Es konstituiert dies den Unterschied zwischen dem Wechselumlauf und dem Umlauf des Staatspapiergeldes mit Zwangskurs. Dieses beruht auf dem gesellschaftlichen Minimum der Warenzirkulation. Die Wechselzirkulation nimmt den Raum über jenes Minimum hinaus ein; sie beruht auf dem jeweilig wirklich vollzogenen, und zwar zu einem bestimmten Geldpreis vollzogenen Verkauf einer Ware und ist privater Schuldtitel, der entweder gegen einen anderen kompensiert oder in Geld bezahlt wird und damit erst aus dem privaten Schuldtitel das gesellschaftlich gültige anerkannte Äquivalent wird. Er ist entsprungen aus der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel, er ersetzt Geld, und zwar durch Kredit, durch das private Verhältnis zwischen den Kontrahenten, hinter denen das Vertrauen in ihre Zahlungsfähigkeit, in ihre gesellschaftliche Kapazität steht. Beim Staatspapier ist der Vollzug des privaten Tauschvorganges nicht die Voraussetzung; vielmehr vollzieht sich der Tausch erst vermittels des Staatspapiers, das hier als reines Zirkulationsmittel wirkt und damit den Tausch vollendet, ihn gesellschaftlich gültig macht; der Tausch braucht nicht wie beim Wechselverkehr – soweit sich die Wechsel nicht kompensieren – erst durch bare Zahlung gesellschaftlich gültig zu werden.

Das Staatspapiergeld dagegen beruht nicht auf einem Kreditverhältnis, und es ist ganz irreführend, es als Staatsschuld oder als Kreditgeld zu bezeichnen.

Auf dieser Tatsache, daß der Wechsel bloß die Privaten verbuchtet, das Staatspapiergeld die Gesellschaft, beruht die verschiedene Entwertungsmöglichkeit von Staatspapier und Wechsel. Die Summe des Staatspapiers ist immer eine Einheit, in der jeder einzelne Abschnitt für den anderen gleichsam solidarisch verantwortlich ist; sie kann nur im ganzen entwertet oder überwertet werden, und diese Entwertung trifft alle Gesellschaftsmitglieder in gleicher Weise. Die gesellschaftliche Garantie gilt eben gleichmäßig für die ganze Summe und damit für jeden ihrer Bestandteile. Den Ersatz des Geldes als Zirkulationsmittel besorgt die Gesellschaft durch ihr bewußtes Organ, den Staat. Das Kreditgeld ist Schöpfung der Privatleute. Es beruht auf ihren privaten Tauschakten und hat nur Gültigkeit, fungiert nur als Geld, weil und solange es jederzeit in Geld konvertibel. Es kann daher jeder einzelne Wechsel für sich entwertet (aber kein Wechsel überwertet) werden, wenn diese privaten Transaktionen nicht gesellschaftlich gültig vollzogen werden können, das heißt, wenn am Verfallstermin keine Barzahlung erfolgen kann. Er kann völlig wertlos werden; aber wertlos wird immer nur der Wechsel des einzelnen, die Entwertung trifft immer nur einen anderen einzelnen, dessen Obligationen dadurch im übrigen nicht geändert werden.

Das inkonvertible Papiergeld muß auf das Minimum der Zirkulationsvorgänge beschränkt bleiben. Die Menge des Kreditgeldes ist nur abhängig von der Preissumme der Waren, für die Geld als Zahlungsmittel fungieren soll. Sein Betrag hängt bei gegebenen Preisen nur ab von der Ausdehnung der Kreditverhältnisse, die selbst außerordentlich variabel ist. Da es aber stets konvertibel sein muß, so kann es nie im und durch sein Verhältnis zu den Waren entwertet werden. Konvertibles Kreditgeld kann seine Entwertung nie herleiten aus seiner Menge (wie inkonvertibles Staatspapiergeld), sondern nur aus dem Versagen der Konvertibilität. Beim geringsten Zweifel an der Konvertibilität wird sofort die Probe auf das Exempel gemacht. Die Warenbesitzer, die inmitten all der süßen und feinen „Papierchen“ des Goldes ganz vergessen hatten, stürzen alle nach dem Golde. On revient toujours à ses premiers amours.

In einem bestimmten Zeitabschnitt läuft stets eine bestimmte Anzahl von Schuldverschreibungen ab; diese repräsentieren die Preissumme der Waren, deren Verkauf sie hervorrief. Die zur Bezahlung dieser Preissumme nötige Geldmenge hängt zunächst ab von der Umlaufsgeschwindigkeit der Zahlungsmittel. Diese ist bedingt durch zwei Umstände: die Verkettung der Verhältnisse von Glaubiger und Schuldner, so daß A, der das Geld von seinem Schuldner B erhält, es an seinen Gläubiger C fortzahlt usw., und die Zeitlänge zwischen den verschiedenen Zahlungsterminen.

Je mehr die Zahlungstermine einander angenähert sind, desto öfter kann dasselbe Goldstück hintereinander zu Zahlungen verwendet werden.

Finden im Prozeß G–W–G die Verkäufe gleichzeitig und nebeneinander statt, so beschränkt dies die Umlaufsgeschwindigkeit der Zirkulationsmittel, also den Ersatz der Masse durch die Umlaufsgeschwindigkeit. Finden dagegen Zahlungen gleichzeitig und an demselben Orte statt, so können sie miteinander ausgeglichen werden und Geld als Zahlungsmittel erspart werden. Mit der Konzentration der Zahlungen an demselben Platz entwickeln sich naturwüchsig eigene Anstalten und Methoden ihrer Ausgleichung. So zum Beispiel die Virements im mittelalterlichen Lyon. Die Schuld- forderungen brauchen bloß konfrontiert zu werden, um sich wechselseitig bis zu einem gewissen Belauf als positive und negative Größen aufzuheben. So bleibt nur eine Schuldbilanz zu saldieren. Je massenhafter die Konzentration der Zahlungen, desto kleiner relativ die Bilanz, also die Masse der zirkulierenden Zahlungsmittel.

Wir fanden die Masse des in der Zirkulation, also im W–G–W befindlichen Geldes (wobei das Gold im Betrag des Minimums der Zirkulation durch Goldzeichen ersetzt sein kann) gleich Preissumme der Waren, dividiert durch Umlaufsanzahl der gleichnamigen Goldstücke. Ebenso ist die Masse der Zahlungsmittel Ulrich der Summe der Obligationen (die wieder gleich sind der Preissumme der Waren, durch deren Verkauf die Schuldscheine entstanden sind), dividiert durch die Umlaufsanzahl der gleichnamigen Zahlungsmittel, vermindert um die Summe der sich ausreichenden Zahlungen. Nimmt man die Umlaufsgeschwindigkeit in einem gegebenen Moment als gegeben und setzt sie gleich 1, so ist die Masse des überhaupt fungierenden Geldes gleich der Summe der zu zirkulierenden Warenpreise plus der Summe der fälligen Zahlungen minus der sich ausgleichenden Zahlungen minus endlich derjenigen Geldstücke, die erst als Zahlungsmittel und dann als Zirkulationsmittel fungiert haben. Beträgt die Warensumme, die umgesetzt wird, auf jeder Seite 1000 Millionen Mark, die fälligen Zahlungen ebensoviel, dienen aber 200 Millionen zuerst zur Bezahlung und dann zur Zirkulation, gleichen sich zudem noch 500 Millionen der Zahlungen gegenseitig aus, so braucht man im ganzen 1300 Millionen Mark, die das in diesem Moment nötige Geld darstellen. Es ist dies der Betrag, den ich den gesellschaftlich notwendigen Zirkulationswert nenne.

Der größte Teil aller Umsätze geschieht durch dieses private Kreditgeld, durch Schuldscheine und Zahlungsanweisungen, die sich gegenseitig kompensieren. [2] Der Grund des Überwiegens des Zahlungsmittels gegenüber dem Zirkulationsmittel ist, daß mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktion auch die Verhältnisse der Zirkulation komplizierter werden, die Zeitpunkte des geeigneten Ein- und Verkaufes auseinanderfallen, überhaupt jene Bindung wegfallen muß, die darin besteht, daß nur dann eingekauft werden, wenn verkauft werden kann.

Das Kreditgeld entsteht also auf Grund von Käufen und Verkäufen der Kapitalisten untereinander; es entsteht innerhalb und auf Grund der Zirkulation. Seine Wirksamkeit besteht darin, die Zirkulation von der Schranke des vorhandenen Goldes unabhängig zu machen; soweit Kreditgeld wirksam ist, wirkt das Gold nicht mehr als Zirkulationsmittel, braucht daher nicht leibhaftig der Ware gegenüberzutreten, sondern dient nur zur Ausgleichung der schließlichen Bilanz. Diese selbst ist riesenhaft gegenüber der Goldmenge, und ihrer Ausgleichung dienen eigene Anstalten. Die Zirkulation ist aber, wie wir gesehen haben, in gleicher Weise Bedingung sowohl als Resultat der kapitalistischen Produktion. Diese kann nur begonnen werden, wenn der Kapitalist sich durch einen Akt der Zirkulation in den Besitz der Produktionselemente gesetzt hat. In dem Maße, in dem diese Zirkulation unabhängig wird von dem Dasein wirklichen Geldes, in demselben Maße wird auch die Produktion von der Goldmenge unabhängig gemacht. Da schließlich dieses Gold Arbeit kostet und einen erheblichen Posten der faux frais darstellt, so bildet der Ersatz des Geldes direkt eine Ersparnis an unnützen Kosten des Zirkulationsprozesses.

Seiner Entstehung nach ist die Menge des Kreditgeldes beschränkt durch die Größe der Produktion und Zirkulation. Es dient zum Umsatz von Ware und ist in letzter Instanz durch den Wert der Ware gedeckt, deren Umsatz es vermittelt hat. Aber im Unterschied zum Staatspapier ist hier kein Minimum gegeben, das nicht vermehrt werden kann. Im Gegenteil wächst mit der Warenmenge und ihrem Preis das Kreditgeld. Das Kreditgeld ist aber nur Zahlungsversprechen; wäre der Umsatz der Ware gegen wirkliches Gold erfolgt, wäre also Wert gegen Wert getauscht worden, so wäre der Prozeß endgültig erledigt, weitere Störung ausgeschlossen. Er ist aber nur gegen Zahlungsversprechen erledigt worden. Ob dieses Versprechen gehalten werden kann, hängt davon ab, ob der Schuldner die Ware, die er gekauft, oder eine andere an deren Stelle zum gleichen Wert wieder verkaufen kann. Hat der Tauschakt den gesellschaftlichen Bedingungen nicht entsprochen oder haben diese sich unterdes geändert, so kann er sein Zahlungsversprechen nicht erfüllen, dieses wird wertlos; an seine Stelle muß wirkliches Geld treten.

Daraus geht schon hervor, daß die Menge des Kreditgeldes sich stark kontrahiert mit der Kontraktion der Preise der Waren wählend der Krise. Die Kontraktion bedeutet aber Entwertung des Kreditgeldes, das die höheren Preise repräsentiert. Zur Kontraktion der Preise tritt die Absatzstockung, die Ware wird unverkäuflich, während der Wechsel verfällt. Die Einlösung des Wechsels ist fraglich geworden. Die Preiskontraktion und die Absatzstockung vermindern so den Wert des gegen die Waren gezogenen Kreditgeldes. Diese Entwertung bildet das wesentliche Moment der Kreditkrise, die jede Handelskrise begleitet.

„Die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel schließt einen unvermittelten Widerspruch ein. So weit sich die Zahlungen aus gleichen, funktioniert es nur ideell als Rechengeld oder Maß der Werte. Soweit wirkliche Zahlung zu verrichten, tritt es nicht als Zirkulationsmittel auf, als nur verschwindende und vermittelnde Form des Stoffwechsels, sondern als die individuelle Inkarnation der gesellschaftlichen Arbeit, selbständiges Dasein des Tauschwerts, absolute Ware. Dieser Widerspruch eklatiert in dem Moment der Produktions- und Handelskrisen, der Geldkrise heißt. Sie ereignet sich nur, wo die prozessierende Kette der Zahlungen und ein künstliches System ihrer Ausgleichung völlig entwickelt sind. Mit allgemeineren Störungen dieses Mechanismus, woher sie immer entspringen mögen, schlägt das Geld plötzlich und unvermittelt um aus der nur ideellen Gestalt des Rechengeldes in hartes Geld.“ [3]

Gerade dann aber, wenn die Entwertung des Kreditgeldes am größten, erlebt das Staatspapiergeld mit Zwangskurs seinen größten Triumph. Es ist gesetzliches Zahlungsmittel wie das Goldgeld. Das Versagen des Kreditgeldes schafft eine Lücke in der Zirkulation, und der horror vacui erfordert gebieterisch deren Ausfüllung. In solchen Zeiten wird es rationell, die Zirkulation des Staatspapiergeldes (oder der Noten der Zentralbank, deren Kredit unerschüttert ist und die, wie wir sehen werden, in der Tat durch die gesetzliche Regelung eine Zwischenstufe zwischen Staatspapier und Kreditgeld darstellen) zu erweitern. Geschieht das nicht, so erhält das Geld (Metall und Staatspapiergeld) ein Agio, wie zum Beispiel das Gold und die Greenbacks in der jüngsten amerikanischen Krise.

Das Kreditgeld erfordert zu seiner Funktion eigene Anstalten, in denen die Zahlungsforderungen gegenseitig verglichen und zur Kompensation gebracht werden; mit der Entwicklung dieser Anstalten wächst die Ersparnis von Bargeld. Diese Aufgabe wird bei entwickeltem Bankwesen zu einer wichtigen Funktion der Banken. [4]

Im Laufe der kapitalistischen Entwicklung wächst einmal rasch die Gesamtsumme der zu zirkulierenden Waren und damit der gesellschaftlich notwendige Zirkulationswert. Damit wächst der Raum, den Staatspapiergeld mit Zwangskurs einnehmen kann. Zweitens wächst mit der Größe des Umfanges der Produktion, mit deer Verwandlung aller Verpflichtungen in Geldverpflichtung und besonders mit dem Wachstum des fiktiven Kapitals der Umfang, in dem die Transaktionen durch Kreditgeld vollzogen werden. Beides bewirkt starke Verringerung des Metallgeldes im Verhältnis der zu vollziehenden Zirkulationsvorgänge und Zahlungen.


Anmerkungen

1. Gemeint ist die inhaltliche ökonomische Garantie; die formelle, juristische, daß Verträge erfüllt werden müssen, ist natürlich stets vorausgesetzt.

2. Im Giroverkehr der Deutschen Reichstank hat 1 Pf. Bargeld 1894 einen Jahresumsatz von M. 4,55, 1900 von M. 8,50 bewältigt.

3. Marx, Kapital, I., 4. Auflage, S. 101. (Neuausgahe S. 143/144. – Die Red.)

4. Zur Abwicklung des gesellschaftlichen Verkehrs ist in Deutschland 9- bis 15mal mehr Bargeld erforderlich als in England. Der Scheckverkehr erspart zirka 140 Millionen Pfund Sterling Noten, zu deren Deckung der Geldvorrat von zirka 35 Millionen Pfund Sterling vervierfacht werden müßte, falls die heutigen gesetzlichen Bestimmungen in Geltung blieben. S. Jaffé, Das englische Bankwesen, Leipzig 1905.


Zuletzt aktualisiert am 9. November 2015