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Ernesto Che Guevara

Ansprache vor der Vollversammlung der UNO am 11. Dezember 1964

 
Berühmte, sehr deutliche Rede Ches, auch bekannt unter dem Titel "Cuba - ein freies Land auf dem amerikanischen Kontinent",
enthalten in diversen deutschen Veröffentlichungen.
Quelle: Che Mahir Projekt
 
Herr Präsident,
meine Herren Delegierten,

die Vertretung Cubas in dieser Versammlung kommt gern der Pflicht nach, zuerst die Aufnahme dreier Nationen zu begrüßen, die hier nun mit den anderen Nationen wichtige Probleme der Welt diskutieren. Wir begrüßen in den Personen ihrer Präsidenten und Ministerpräsidenten die Völker Zambias, Malawis und Maltas und wünschen diesen Völkern Erfolg, die seit Gründung der Gruppe der Nichtpaktgebundenen Staaten angehören, die gegen den Imperialismus, den Kolonialismus und den Neokolonialismus kämpfen.

   Wir grüßen auch den Vorsitzenden dieser Versammlung, dessen Ernennung zu diesem hohen Amt von besonderer Bedeutung ist, da sie eine Widerspiegelung dieser neuen Etappe mit großen Erfolgen für die afrikanischen Völker ist, die sich bisher unter dem Joch des Kolonialsystems des Imperialismus befanden und sich heute in überwältigender Mehrheit gemäß ihrem legitimen Recht auf Selbstbestimmung als souveräne Staaten konstituieren. Die letzte Stunde des Kolonialismus hat geschlagen, und Millionen von Einwohnern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas haben sich erhoben, um ein neues Leben zu suchen; sie haben ihr Recht auf Selbstbestimmung und auf unabhängige Entwicklung ihrer Länder durchgesetzt. Wir wünschen Ihnen, Herr Präsident, die größten Erfolge bei der Aufgabe, die Ihnen von den Mitgliedsländern anvertraut wurde.

   Cuba ist gekommen, um seine Position zu den wichtigsten kontroversen Punkten darzustellen, und Cuba wird dies mit dem Verantwortungsbewußtsein tun, das diese Tribüne erheischt, aber es wird dabei auch geleitet von dem unwiderstehlichen Wunsch, mit aller Deutlichkeit und Ehrlichkeit zu sprechen.

   Wir wünschen, daß diese Versammlung sich beeilen und voranschreiten möge, daß die Kommissionen mit ihrer Arbeit beginnen mögen und daß diese nicht bei der ersten Konfrontation stagnieren möge. Statt die ernsten Probleme der Welt zu lösen, will der Imperialismus diese Versammlung zu einem unnützen Redeturnier machen, und wir müssen dies verhindern. Dieser Versammlung sollte in der Zukunft nicht nur als jener mit der kennzeichnenden Nummer 24 gedacht werden. Unsere Anstrengungen sind auf dieses Ziel gerichtet.

   Wir fühlen uns dazu berechtigt und verpflichtet, weil unser Land einer der ständigen Konfliktherde ist, einer der Orte, an denen die Prinzipien des Rechts auch kleiner Länder auf Souveränität Tag für Tag und Minute für Minute einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt sind, unser Land ist einer der Schützengräben für die Freiheit, nur wenige Schritte vom nordamerikanischen Imperialismus entfernt, und wir zeigen mit unserem Handeln und mit unserem täglichen Beispiel, daß sich die Völker unter den gegenwärtigen Bedingungen der Menschheit sehr wohl befreien und daß sie die Freiheit auch erhalten können. Selbstverständlich, denn es existiert ein jeden Tag stärker werdendes und mit Verteidigungswaffen besser ausgerüstetes sozialistisches Lager. Aber für unser Überleben sind bestimmte weitere Voraussetzungen notwendig: Die Einheit im Lande muß erhalten bleiben, es muß an die eigene Zukunft geglaubt werden, und es muß die unwiderrufliche Bereitschaft zur Verteidigung des Landes und der Revolution bestehen. Alle diese Bedingungen sind in Cuba erfüllt, meine Herren Delegierten.

   Von allen brennenden Problemen, die hier auf der Versammlung behandelt werden müssen, ist eines für uns von besonderer Bedeutung; seine Erörterung hier muß in einer Weiße erfolgen, die für jeden von zweifelsfreier Eindeutigkeit sein muß, und dies betrifft die friedliche Koexistenz zwischen Staaten mit unterschiedlichen ökonomisch-sozialen Gesellschaftsordnungen. In diesem Bereich sind wir in der Welt ein gutes Stück vorangekommen, aber der Imperialismus – insbesondere der nordamerikanische – hat versucht, die Meinung zu verbreiten, daß die friedliche Koexistenz ausschließlich eine Frage der großen Mächte sei. Wir erklären hier das gleiche, was unser Präsident bereits in Kairo erklärt hat und was danach in die Erklärung der Zweiten Konferenz der Nichtpaktgebundenen Staaten aufgenommen wurde: Es kann keine friedliche Koexistenz geben ausschließlich zwischen den Mächtigen, wenn der Frieden auf der Welt gesichert werden soll. Die friedliche Koexistenz muß zwischen allen Staaten gelten, unabhängig von ihrer Größe, den historischen Beziehungen zwischen ihnen und den Problemen, die es zu einem bestimmten Zeitpunkt zwischen einigen von ihnen geben mag.

   Heute wird die Art der friedlichen Koexistenz, die wir anstreben, in einer Fülle von Fällen nicht praktiziert. Das Königreich Kambodscha sah sich schlicht und einfach wegen seiner neutralen Haltung und wegen der Nichtunterwerfung unter die Machenschaften des nordamerikanischen Imperialismus allen möglichen hinterlistigen und brutalen Angriffen ausgesetzt, die von den Stützpunkten ausgingen, über die die Yankees in Südvietnam verfügen. Laos, ein geteiltes Land, war ebenfalls Ziel von imperialistischen Aggressionen aller Art; seine Bevölkerung wurde durch Luftangriffe massakriert, die in Genf unterzeichneten Vereinbarungen wurden gebrochen, und ein Teil des Territoriums ist ständig bedroht, hinterhältig von den imperialistischen Streitkräften angegriffen zu werden. Die Demokratische Republik Vietnam, die alle diese Spielarten der Aggression wie kaum ein anderes Volk der Erde kennt, sah ihre Grenzen mehr als einmal mißachtet, sah, wie feindliche Bomber und Jagdflugzeuge ihre Einrichtungen angriffen, sah ihre Hoheitsgewässer durch nordamerikanische Kriegsschiffe mißachtet, die ihre Marinestützpunkte angriffen. In diesen Tag schwebt über der Demokratischen Republik Vietnam die Drohung der angriffslüsternen nordamerikanischen Krieger, daß der seit einigen Jahren gegen das südvietnamesische Volk entfesselte Krieg auf ihr Territorium und ihr Volk ausgedehnt wird. Die Sowjetunion und die Volksrepublik China haben die Vereinigten Staaten ernsthaft davor gewarnt. Wir stehen vor einem Fall, der eine Gefahr für den Weltfrieden darstellt, aber darüber hinaus sind Millionen von Menschenleben in dieser Region Asiens gefährdet; ihr Leben hängt von den Launen des nordamerikanischen Eindringlings ab.

   Die friedliche Koexistenz wurde in Zypern in brutaler Weise einer Bewährungsprobe ausgesetzt durch den Druck der türkischen Regierung und der NATO, wodurch sich das Volk und die Regierung Zyperns zu einer heroischen und energischen Verteidigung gezwungen sahen.

   In all diesen Gegenden versucht der Imperialismus, seine Version dessen durchzusetzen, was friedliche Koexistenz zu sein habe; es sind die unterdrückten Völker, die im Bündnis mit den sozialistischen Staaten zu zeigen haben, was friedliche Koexistenz ist, und es ist eine Verpflichtung für die Vereinten Nationen, sie dabei zu unterstützen.

   Es muß auch deutlich gesagt werden, daß die Konzeption der friedlichen Koexistenz nicht nur für souveräne Staaten Gültigkeit hat. Als Marxisten vertreten wir die Meinung, daß die friedliche Koexistenz zwischen Staaten nicht die Koexistenz zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern, zwischen Unterdrückern und Unterdrückten umfaßt. Es gibt ein auch durch diese Organisation erklärtes Recht auf völlige Unabhängigkeit gegenüber allen Formen kolonialer Unterdrückung. Daher bekräftigen wir unsere Solidarität mit den heute noch kolonialisierten Völkern des portugiesisch genannten Guineas, Angolas und Mosambiks, die massakriert werden, weil sie ihre Freiheit verlangen. Wir sind bereit, sie gemäß der Kairoer Erklärung im Rahmen unserer Möglichkeiten zu unterstützen.

   Wir erklären unsere Solidarität mit dem Volk von Puerto Rico und seiner großen führenden Persönlichkeit Pedro Albizu Campos, der in einem Akt von Heuchelei im Alter von 72 Jahren entlassen wurde, kaum noch des Redens fähig und gelähmt, nachdem er fast sein ganzes Leben im Gefängnis verbracht hat. Albizu ist ein Symbol des noch nicht befreiten, aber unbeugsamen Amerikas. Jahre und Jahre der Haft, fast unerträglicher Druck im Kerker, psychische Folter, die Einsamkeit, die totale Isolation von seinem Volk und seiner Familie, die Anmaßung des Konquistadors und seiner Lakaien in dem Land, in dem er geboren wurde – nichts konnte seinen Willen beugen. Die kubanische Delegation entbietet einem Patrioten, der Amerika zur Ehre gereicht, im Namen ihres Volkes Grüße der Bewunderung und der Dankbarkeit.

   Die Nordamerikaner haben über Jahre hinaus versucht, in Puerto Rico eine bastardisierte Kultur durchzusetzen, eine spanische Sprache mit englischen Beugungen, eine spanische Sprache mit einem Scharnier in den Lenden zur Verbeugung vor dem Yankeesoldaten. Puertorikanische Soldaten wurden als Kanonenfutter in den Kriegen des Imperiums verheizt, so in Korea, und jetzt schießen sie sogar auf die eigenen Brüder, so wie vor wenigen Monaten beim Massaker der nordamerikanischen Armee gegen das unbewaffnete Volk Panamas eine der jüngsten Untaten des Yankeeimperialismus.

   Trotz der enormen Vergewaltigung seines Willens und seines historischen Schicksals hat das Volk Puerto Ricos seine Kultur, seinen Latinocharakter und seine nationalen Gefühle bewahrt, und dies zeigt bereits das entschlossene Streben nach Unabhängigkeit des Volkes dieser lateinamerikanischen Insel.

   Wir müssen auch darauf hinweisen, daß das Prinzip der friedlichen Koexistenz nicht das Recht auf Mißachtung des Willens der Völker mit einschließt, so wie es der Fall ist im Britisch genannten Guayana, wo die Regierung des Premierministers Cheddi Jagan Opfer aller möglichen Arten von politischem Druck und Manövern war und wo der Zeitpunkt der Unabhängigkeit immer weiter hinausgeschoben wurde, um nach Methoden zu suchen, um den Willen des Volkes zu mißachten und die Unterwürfigkeit einer Regierung zu erreichen, die nach schmutzigen Manövern eingesetzt werden sollte und die eine andere wäre als die heutige. Erst dann sollte diesem Teil des amerikanischen Bodens eine kastrierte Freiheit gewährt werden.

   Welches auch die Wege sein mögen, die Guayana einzuschlagen sich gezwungen sieht, um die Unabhängigkeit zu erreichen, sein Volk hat die moralische und militante Unterstützung Cubas.

   Wir müssen auch darauf hinweisen, daß die Inseln Guadalupe und Martinique seit geraumer Zeit erfolglos für ihre Unabhängigkeit kämpfen, und dieser Zustand darf nicht andauern.

   Wieder einmal erheben wir unsere Stimme, um die Welt auf die Ereignisse in Südafrika aufmerksam zu machen; die brutale Politik der Apartheid wird vor den Augen der Länder der Welt praktiziert. Die Völker Afrikas sehen sich gezwungen zu ertragen, daß auf diesem Kontinent immer noch die Überlegenheit einer Rasse über eine andere offizielle Politik ist und daß im Namen der rassischen Überlegenheit ungestraft gemordet wird. Werden die Vereinten Nationen nichts unternehmen, um dies zu unterbinden?

   Ich möchte ganz besonders eingehen auf die schmerzlichen Ereignisse im Kongo, einzigartig in der Geschichte der modernen Welt; sie zeigen, wie das Recht der Völker mit absoluter Straflosigkeit und mit dem unverschämtesten Zynismus mißachtet werden kann. Die unmittelbaren Motive für dieses Vorgehen sind die gewaltigen Reichtümer des Kongos, die die Imperialisten weiterhin kontrollieren wollen. Bei seiner Ansprache aus Anlaß seines ersten Besuches bei den Vereinten Nationen führte Companero Fidel Castro aus, daß das gesamte Problem der friedlichen Koexistenz zwischen den Nationen sich reduziert auf das Problem der unrechtmäßigen Aneignung fremden Reichtums, und fuhr dann fort: "Endet die Philosophie des Ausplünderns, dann endet die Philosophie des Krieges." Aber die Philosophie der Ausplünderung wurde nicht nur nicht beendet, sondern sie ist stärker denn je, und deshalb ermorden jene, die im Namen der Vereinten Nationen Lumumba getötet haben, heute im Namen der weißen Rasse Tausende von Kongolesen.

   Wie ist es möglich, daß wir vergessen, in welcher Weise die Hoffnungen Patrice Lumumbas verraten wurden, die er in die Vereinten Nationen setzte? Wie ist es möglich, jene Tricks und Manöver zu vergessen, die der Besetzung dieses Landes durch UNO-Truppen vorausgingen, unter deren Augen die Mörder dieses großen afrikanischen Patrioten ungestraft wirken konnten?

   Wie können wir vergessen, meine Herren Delegierten, daß derjenige, der die Autorität der Vereinten Nationen mißachtete – und dies nicht aus patriotischen Motiven, sondern wegen der Auseinandersetzungen unter den Imperialisten – , Moise Tshombe war, der die Abspaltung Katangas mit belgischer Unterstützung vollbrachte?

   Und wie soll es gerechtfertigt werden, wie soll erklärt werden, daß am Ende dieser Aktion der Vereinten Nationen und nach der Entfernung Tshombes aus Katanga, dieser als Besitzer und Herr des Kongos zurückkehrte? Wer kann die traurige Rolle bestreiten, die die Vereinten Nationen unter dem Zwang der Imperialisten spielen mußten?

   Zusammengefaßt: Es wurden umfangreiche Mobilisierungen durchgeführt, um die Abspaltung Katangas zu verhindern, und heute ist Tshombe' an der Macht, und die Reichtümer des Kongos befinden sich in den Händen der Imperialisten ..., und die Kosten müssen die ehrenwerten Nationen zahlen. Was für ein gutes Geschäft für die Händler in Kriegsangelegenheiten. Deshalb unterstützt die kubanische Regierung die gerechte Haltung der Sowjetunion, die sich weigert, die Kosten für das Verbrechen zu übernehmen.

   Als Gipfel der Verhöhnung wurden wir nun jüngst mit den Aktionen bedacht, die Abscheu in der ganzen Welt hervorriefen.

   Wer sind die Drahtzieher? Belgische Fallschirmspringer, von nordamerikanischen Flugzeugen transportiert, die auf englischen Luftstützpunkten gestartet sind. Wir erinnern uns, daß wir in der Vergangenheit ein kleines Land in Europa kannten, arbeitsam und zivilisiert, nämlich das Königreich Belgien, das von den Hitler Horden überrannt wurde, und es war schmerzlich zu wissen, daß dieses kleine Land vom deutschen Imperialismus massakriert wurde, und wir betrachteten es mit großer Zuneigung. Aber das ist die andere Seite der imperialistischen Münze, die viele von uns nicht wahrnahmen.

   Möglicherweise sind Kinder der belgischen Patrioten, die im Kampf zur Verteidigung der Freiheit ihres Landes fielen diejenigen, die hinterhältig im Namen der weißen Rasse Tausende von Kongolesen ermordeten, genauso, wie sie die deutschen Stiefel erleiden mußten, weil ihr Anteil an arischem Blut nicht genügend hoch war.

   Unsere freien Augen erblicken heute neue Horizonte und sind fähig zu sehen, was wir gestern in unserer Eigenschaft als koloniale Sklaven nicht sehen konnten, nämlich daß die "westliche Zivilisation" hinter ihrer ansehnlichen Fassade Hyänen und Schakale verbirgt. Denn keine andere Bezeichnung verdienen jene, die derart "humanitäre" Aufgaben im Kongo erfüllt haben. Ein reißendes Tier, das sich an wehrlosen Völkern mästet, das ist der Imperialismus, so geht er mit den Menschen um, und das zeichnet den imperialen "Weißen" aus.

   Alle freien Menschen der Welt müssen dazu beitragen, das Verbrechen im Kongo zu rächen.

   Vielleicht handelten viele jener Soldaten, von der imperialistischen Maschinerie zu "Untermenschen" gedemütigt, im guten Glauben, daß sie die Rechte einer überlegenen Rasse verteidigten, aber hier auf dieser Versammlung befinden sich die Völker in der Mehrheit, deren Haut von unterschiedlichen Sonnen gegerbt und unterschiedlichen Pigmenten gefärbt ist und die vollständig davon überzeugt sind, daß die Unterschiede zwischen den Menschen nicht durch die Hautfarbe bestimmt sind, sondern durch die Eigentumsformen der Produktionsmittel, durch die Produktionsverhältnisse.

   Die kubanische Delegation entbietet ihren Gruß den von einer weißen Minderheit unterdrückten Völkern Südrhodesiens und Südafrikas sowie an Basutoland, Botswana und Swaziland, an Französisch-Somalia, an Aden und die Protektorate, dem arabischen Volk Palästinas und Oman und versichert sie ihrer Unterstützung. Außerdem wünschen wir viel Erfolg für eine gerechte Lösung bei dem Konflikt zwischen den Bruderrepubliken Indonesien und Malaisia.

   Herr Präsident, eines der grundlegenden Themen dieser Konferenz ist die allgemeine und vollständige Abrüstung. Wir betonen unser Einverständnis mit einer allgemeinen und vollständigen Abrüstung, und darüber hinaus schlagen wir die vollständige Vernichtung aller nuklearen Waffen vor; wir unterstützen eine Konferenz aller Nationen der Welt, um diese Bestrebungen aller Völker der Welt in die Tat umzusetzen. Unser Premierminister warnte in seiner Ansprache vor dieser Versammlung davor, daß Wettrüsten stets zum Krieg geführt hat. Es gibt neue Atommächte auf der Welt; die Möglichkeit der Konfrontation nimmt zu.

   Wir vertreten die Meinung, daß eine Konferenz notwendig ist mit dem Ziel der vollständigen Zerstörung aller atomaren Waffen; als erster Schritt in diese Richtung sollte das vollständige Verbot aller Kernwaffenversuche erlassen werden. Gleichzeitig muß die Verpflichtung aller Länder betont werden, die heutigen Grenzen der anderen Staaten zu respektieren, keine aggressiven Handlungen irgendeiner Art zu vollziehen, auch nicht mit konventionellen Waffen.

   Wenn wir unsere Stimme zusammen mit allen Völkern der Welt erheben, um für allgemeine und vollständige Abrüstung, für die völlige Vernichtung aller Atomwaffen und für die Abschaffung aller Versuche mit Atomwaffen einzutreten, dann erachten wir es auch für notwendig, dafür einzutreten, daß auch die territoriale Integrität der Nationen respektiert werden muß, daß auch dem bewaffneten Arm des Imperialismus Einhalt geboten werden muß, der nicht minder gefährlich ist, wenn er nur konventionelle Waffen ergreift. Diejenigen, die Tausende von wehrlosen Bürgern des Kongos ermordeten, setzten keine Atomwaffen ein; es handelte sich um konventionelle vom Imperialismus geführte Waffen, die zu den vielen Toten führten.

   Auch wenn die hier geforderten Maßnahmen in die Tat umgesetzt werden sollten und somit diese Erwähnung überflüssig wäre, so ist es doch sinnvoll zu betonen, daß wir keinen regionalen Abkommen über Denuklearisierung beitreten werden, solange die Vereinigten Staaten aggressive Stützpunkte unterhalten auf unserem eigenen Territorium, in Puerto Rico, in Panama und in anderen amerikanischen Staaten, wo sie sich im Recht dünken, ohne jegliche Restriktion sowohl konventionelle als auch nukleare Waffen zu lagern. Hinzu kommen die letzten Beschlüsse der Organisation Amerikanischer Staaten gegen unser Land, nach denen wir unter Berufung des Vertrages von Rio de Janeiro angegriffen werden könnten, so daß es für uns notwendig ist, über alle möglichen Verteidigungswaffen zu verfügen.

   Wir sind überzeugt davon, daß, wenn die bereits erwähnte Konferenz alle Ziele erreichen würde, was leider sehr schwierig sein dürfte, sie die wichtigste Konferenz in der Geschichte der Menschheit wäre. Um dies zu erreichen, wäre die Teilnahme der Volksrepublik China notwendig, und davon ausgehend die Notwendigkeit der Durchführung einer derartigen Versammlung. Aber es wäre viel einfacher für die Völker der Welt, die unbestreitbare Tatsache der Existenz der Volksrepublik China anzuerkennen, deren Regierende die einzigen Vertreter des chinesischen Volkes sind, und ihr den zustehenden Sitz zuzuerkennen, der heute von einer Clique usurpiert wird, die mit nordamerikanischer Unterstützung über die Provinz Taiwan herrscht. Das Problem der Vertretung Chinas in den Vereinten Nationen kann in keiner Weise angesehen werden als Neuaufnahme in diese Organisation, sondern nur als Wiederherstellung der legitimen Rechte der Volksrepublik China. Wir müssen energisch das Komplott "zweier Chinas" zurückweisen. Die Chiang-Kai-Shek-Clique Taiwans darf nicht in der Organisation der Vereinten Nationen verbleiben. Es geht darum, dies möchte ich wiederholen, den Usurpator zu verjagen und den rechtmäßigen Vertreter des chinesischen Volkes wieder einzusetzen.

   Wir warnen darüber hinaus vor dem Bestreben der Regierung der Vereinigten Staaten, das Problem der legitimen Vertretung Chinas als "wichtige Angelegenheit" zu erklären mit dem Ziel, daß bei der Abstimmung eine Zwei-Drittel-Mehrheit der anwesenden und abstimmenden Mitglieder notwendig wäre.

   Der Eintritt der Volksrepublik China in die Versammlung der Vereinten Nationen ist tatsächlich für die gesamte Welt eine wichtige Angelegenheit, aber nicht für die Abstimmungsverfahren der Vereinten Nationen, denn hier geht es lediglich um einen normalen Vorgang. Auf diese Weise könnte Gerechtigkeit geübt werden, und darüber hinaus würde endgültig bewiesen werden, daß diese erhabene Versammlung verfügt über Augen, um zu sehen, über Ohren, um zu hören, über eine eigene Zunge, um selbst zu reden, und über richtige Kriterien, um Entscheidungen treffen zu können.

   Die Verbreitung von Atomwaffen in den NATO-Ländern und insbesondere der Besitz dieser Massenvernichtungswaffen durch die Bundesrepublik Deutschland rücken die Wahrscheinlichkeit eines Abkommens über Abrüstung in weite Ferne; zu diesen Vereinbarungen müßte die friedliche Wiedervereinigung der beiden Deutschlands, der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik, hinzukommen. Das deutsche Problem kann nicht anders gelöst werden als durch die direkte und gleichberechtigte Beteiligung der Deutschen Demokratischen Republik an diesen Verhandlungen.

   Wir werden nur kurz hinweisen auf die Themen der ökonomischen Entwicklung und des internationalen Handels, die in der Tagesordnung ausführlich berücksichtigt sind. In diesem Jahr 1964 wurde die Konferenz in Genf durchgeführt, wo ausführlich zahlreiche Themen dieses Aspektes der internationalen Beziehungen behandelt wurden. Die Warnungen und Prognosen unserer Delegation haben sich zum Unglück für die ökonomisch abhängigen Länder bewahrheitet.

   Wir möchten lediglich darauf verweisen, daß in bezug auf Cuba die Vereinigten Staaten von Amerika nicht die expliziten Empfehlungen dieser Konferenz befolgten und daß kürzlich die nordamerikanische Regierung auch den Verkauf von Medikamenten nach Cuba verboten hat, womit sie sich endgültig der humanitären Maske entledigte, mit der sie den aggressiven Charakter der Handelsblockade gegen das kubanische Volk zu kaschieren versuchte.

   Andererseits betonen wir erneut, daß die kolonialen Deformationen, die die Entwicklung der Völker hemmen, nicht nur in den politischen Beziehungen liegen. Die sogenannte Verschlechterung der Austauschverhältnisse ist nichts anderes als das Ergebnis des unterschiedlichen Austauschs zwischen den rohstoffproduzierenden Ländern und den industrialisierten Ländern, die die Märkte beherrschen und einen anscheinend wertmäßig gerechten Austausch durchsetzen.

   Solange die ökonomisch abhängigen Länder sich nicht von den kapitalistischen Märkten befreien und in einem festen Bündnis mit den sozialistischen Ländern nicht andere Beziehungen zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten durchsetzen, solange wird es keine solide ökonomische Entwicklung geben; darüber hinaus wird es bei bestimmten Gelegenheiten Rückschritte geben, indem schwache Länder wieder unter die politische Herrschaft der Imperialisten und Kolonialisten fallen werden.

   Zuletzt, meine Herren Delegierten, muß deutlich gesagt werden, daß in der Karibik Manöver durchgeführt und Vorbereitungen getroffen werden, um in Cuba einzufallen. Insbesondere an den Küsten Nikaraguas, aber auch in Costa Rica, in der Kanalzone Panamas, auf den Vieques-Inseln und in Florida, möglicherweise auch in anderen Gebieten der Vereinigten Staaten und vielleicht auch in Honduras werden Söldner kubanischer sowie anderer Nationalitäten zu einem Zweck ausgebildet, der nicht der friedfertigste sein dürfte.

   Nach einem handfesten Skandal hat die Regierung Costa Ricas, so wird behauptet, die Schließung aller Ausbildungslager von Exilkubanern in diesem Land angeordnet. Keiner weiß, ob diese Haltung ehrlich gemeint ist oder ob es sich um ein simples Manöver handelt angesichts eines möglicherweise bevorstehenden Verbrechens der dort ausgebildeten Söldner. Wir hoffen, daß man sich der realen Existenz von Aggressionsstützpunkten bewußt wird, auf die wir seit einiger Zeit hinweisen, und daß man über die internationale Verantwortung nachdenkt, die ein Land übernimmt, das die Ausbildung von Söldnern für einen Angriff gegen Cuba rechtfertigt und unterstützt.

   Es muß beachtet werden, daß die Nachrichten über die Ausbildung von Söldnern an verschiedenen Orten der Karibik sowie über die Beteiligung der nordamerikanischen Regierung an derartigen Aktivitäten in der Presse der Vereinigten Staaten ganz selbstverständlich veröffentlicht werden. Wir kennen keine lateinamerikanische Stimme, die deshalb offiziell protestiert hätte. Dies zeigt uns den Zynismus, mit dem die Vereinigten Staaten mit ihren Bauern umgehen. Die scharfsinnigen Außenminister der Organisation Amerikanischer Staaten hatten Augen, um auf den in Venezuela gezeigten Waffen kubanische Wappen und andere "unwiderlegbare" Beweise zu entdecken, aber sie sehen nicht die Vorbereitungen für eine Aggression in den Vereinigten Staaten, so wie sie auch nicht die Stimme Präsident Kennedys gehört haben, der sich explizit als Aggressor in der Schweinebucht erklärte.

   In einigen Fällen wird diese Blindheit hervorgerufen durch den Haß der herrschenden Klassen der lateinamerikanischen Länder gegen unsere Revolution; in anderen noch traurigeren Fällen ist sie ein Ergebnis der Blendung durch Mammon.

   Wie allgemein bekannt ist, wurden nach der Oktoberkrise genannten heftigen Auseinandersetzung von den Vereinigten Staaten mit der Sowjetunion Vereinbarungen getroffen, die in dem Rückzug von Waffen bestimmten Typs gipfelten, zu deren Stationierung wir uns nach den ständigen Aggressionen seitens jenes Landes – wie der Söldnerangriff in der Schweinebucht und die Drohungen, in unser Land einzufallen – als legitime und unveräußerliche Maßnahme unserer Verteidigung genötigt sahen. Die Nordamerikaner verlangten darüber hinaus eine Inspektion unseres Territoriums durch die Vereinten Nationen, was wir vehement zurückwiesen, da Cuba es weder den Vereinigten Staaten noch irgend jemandem in der Welt gestattet, darüber zu bestimmen, welche Waffen wir in unserem Land haben dürfen. In diesem Sinne würden wir lediglich multilaterale Abkommen akzeptieren mit gleichen Verpflichtungen für alle Beteiligten.

   Wie sagte schon Fidel Castro: ,,Solange das Konzept der Souveränität als Vorrecht der unabhängigen Nationen und Völker gilt, also als ein Recht aller Völker, solange akzeptieren wir nicht, daß unser Volk eine Ausnahme sein soll. Solange die Welt diesen Prinzipien folgt, solange die Welt bestimmt wird durch diese universell akzeptierten Konzepte, denn sie sind universell von allen Völkern akzeptiert und geachtet, solange werden wir nicht akzeptieren, daß uns eines dieser Rechte genommen wird, und wir werden auf keines dieser Rechte verzichten."

   Der Herr Generalsekretär der Vereinten Nationen, U Thant, verstand unseren Standpunkt. Dennoch wollten sich die Vereinigten Staaten willkürlich und ungesetzlich ein neues Vorrecht herausnehmen: den Luftraum eines kleinen Landes zu verletzen. So überflogen ungestört U-2-Flugzeuge und andere Spionageflugkörper unsere Heimat. Wir haben alle notwendigen Warnungen ausgesprochen, damit die Verletzungen unseres Luftraumes ebenso beendet werden wie die Provokationen der Yankee-Marineinfanteristen gegenüber unseren Wachtposten im Gebiet von Guantanamo, die Tiefflüge über unsere Schiffe in internationalen Gewässern ebenso wie die Piratenangriffe auf Schiffe unterschiedlicher Fahne oder die Einschleusung von Spionen, Saboteuren und Waffen auf unsere Insel.

   Wir wollen den Sozialismus aufbauen; wir erklären uns zu Anhängern derjenigen, die für den Frieden kämpfen; wir sind Mitglied der Gruppe der Blockfreien Länder, auch wenn wir Marxisten-Leninisten sind, weil die Blockfreien ebenso wie wir gegen den Imperialismus kämpfen. Wir wollen Frieden, wir wollen für unser Volk ein besseres Leben erreichen, und deshalb versuchen wir bis zum äußersten, nicht auf die Provokationen der Yankees hereinzufallen, aber wir kennen die Mentalität ihrer Regierung; sie will uns einen hohen Preis zahlen lassen für diesen Frieden. Wir antworten, daß dieser Preis seine Grenze in unserer Würde findet.

   Cuba bekräftigt erneut sein Recht, auf seinem Territorium die Waffen zu lagern, die es als notwendig erachtet; Cuba bekräftigt erneut seine Weigerung, irgendeinem Land der Welt, wie mächtig es auch sein mag, das Recht einzuräumen, seine Grenzen, seine Gewässer oder seinen Luftraum zu verletzen.

   Falls Cuba bei einer Konferenz im Rahmen kollektiver Beschlüsse hingegen Verpflichtungen eingeht, so werden diese strikt befolgt, aber solange dies nicht der Fall ist, pocht es wie jedes andere Land der Welt auf seine Rechte.

   Angesichts der Forderungen des Imperialismus stellte unser Premierminister fünf notwendige Punkte auf, um zu einem sicheren Frieden in der Karibik zu gelangen. Diese sind: "Erstens: Beendigung der Wirtschaftsblockade und aller Maßnahmen der Beschränkung des Handels und der Wirtschaft, die von den Vereinigten Staaten in der ganzen Welt gegen Cuba durchgeführt werden. Zweitens: Beendigung aller subversiven Aktivitäten, des Abwerfens und Anlandens von Waffen und Sprengstoffen auf dem Luft- oder Seeweg, der Infiltration von Spionen und Saboteuren, alles Aktionen, die vom Boden der Vereinigten Staaten oder einiger Komplizen-Länder ausgehen. Drittens: Beendigung aller Piratenangriffe, die durchgeführt werden ausgehend von Stützpunkten in den Vereinigten Staaten und in Puerto Rico. Viertens: Beendigung aller Verletzungen unseres Hoheitsgebietes, sei es nun der Luftraum oder unsere Gewässer, durch Flugzeuge und Schiffe der Streitkräfte der Vereinigten Staaten. Fünftens: Rückzug aus dem Flottenstützpunkt Guantanamo und Rückgabe des von den Vereinigten Staaten besetzten kubanischen Territoriums."

   Keine dieser elementaren Forderungen wurde erfüllt, und vom Flottenstützpunkt Guantanamo aus werden unsere Truppen ständig belästigt. Dieser Stützpunkt ist zu einem Nest von Banditen geworden, die von dort aus in unser Territorium eingeschleust werden.

   Wir würden diese Versammlung langweilen, wenn wir auch nur halbwegs ausführlich über die Unmengen von Provokationen aller Art berichten würden. Es genügt vielleicht zu sagen, daß allein von Anfang des Jahres 1964 bis zu den ersten Dezembertagen ihre Zahl 1.323 betrug. Diese Zahl umfaßt kleinere Provokationen wie die Mißachtung der Demarkationslinie, das Werfen von Objekten seitens des von den Nordamerikanern kontrollierten Gebietes, sexuellen Exhibitionismus von Nordamerikanern beiderlei Geschlechtes und Beschimpfungen; andere Provokationen sind schon ernsterer Natur, so Schüsse aus Kleinkaliberwaffen; Handhabung von Waffen, die auf unser Gebiet gerichtet sind; Mißachtung unserer Hoheitssymbole. Sehr schwerwiegende Provokationen: Überschreiten der Demarkationslinie mit Inbrandsetzung kubanischer Anlagen und Gewehrschüssen, was dieses Jahr 78mal geschah und zum schmerzlichen Tod des Soldaten Ramon Lopez Pena führte, der von zwei Schüssen getroffen wurde, die von einem nordamerikanischen Postenhäuschen abgegeben wurden, das sich 3,5 Kilometer von der Küste an der nordwestlichen Grenze befindet. Diese äußerst schwerwiegende Provokation erfolgte um 19.07 Uhr am 19. Juli 1964, und unser Premierminister erklärte daraufhin öffentlich am darauffolgenden 26. Juli, daß, wenn sich ein derartiger Vorfall wiederholen würde, unsere Truppen den Befehl erhalten würden, die Aggression zurückzuweisen. Gleichzeitig wurde der Rückzug der kubanischen Truppen von den vordersten Linien zu weiter entfernten Positionen angeordnet, und wir haben mit dem Bau von geschützten Unterständen begonnen.

   1.323 Provokationen in lediglich 240 Tagen bedeuten ungefähr vier Provokationen am Tag. Nur eine Armee mit einer so guten Disziplin und mit einer so hohen Moral wie die unsere ist in der Lage, derart vielen feindseligen Aktionen zu widerstehen, ohne ihre Gelassenheit zu verlieren.

   Die Versammlung von 47 Ländern anläßlich der zweiten Konferenz der Staats- und Regierungschefs der Blockfreien Staaten in Kairo hat einstimmig beschlossen: "Die Konferenz warnt besorgt, daß ausländische Militärstützpunkte in der Praxis ein Mittel zur Ausübung von Druck auf die Länder darstellen, um deren Emanzipation und Entwicklung gemäß ihren ideologischen, politischen, ökonomischen und kulturellen Konzeptionen zu behindern, und erklärt daher, daß sie ohne Vorbehalte alle Länder unterstützt, die versuchen, die auf ihrem Territorium befindlichen Stützpunkte aufzulösen, und bittet daher alle Staaten, unverzüglich alle Truppen und Stützpunkte in anderen Ländern zu evakuieren. Die Konferenz ist der Meinung, daß die Aufrechterhaltung eines Militärstützpunktes in Guantanamo seitens der Vereinigten Staaten gegen den Willen der Regierung und des Volkes Cubas sowie ebenfalls gegen die Bestimmungen der Erklärung der Belgrader Konferenz eine Verletzung der Souveränität und der territorialen Integrität Cubas darstellt. Berücksichtigend, daß die Regierung Cubas sich bereiterklärt hat, ihre Auseinandersetzung mit der Regierung der Vereinigten Staaten über den Stützpunkt Guatanamo auf der Grundlage der Ebenbürtigkeit zu lösen, bittet die Konferenz die Regierung der Vereinigten Staaten inständig, Verhandlungen mit der Regierung Cubas aufzunehmen mit dem Ziel, diesen Stützpunkt zu räumen."

   Die Regierung der Vereinigten Staaten hat diese Aufforderung der Kairoer Konferenz nicht beantwortet; sie beabsichtigt, auf unbestimmte Dauer den durch Gewalt behaupteten Stützpunkt aufrechtzuerhalten, von dem aus sie die erwähnten Aggressionen durchführt.

   Die Organisation Amerikanischer Staaten, von den Völkern auch nordamerikanisches Kolonialministerium genannt, hat uns "energisch" verurteilt, wobei sie uns vorher bereits aus ihrer Mitte verbannt hatte durch Anweisung an ihrer Mitgliedsländer, die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Cuba abzubrechen. Die Organisation Amerikanischer Staaten rechtfertigte die Aggression gegen unser Land unter jedem Vorwand; sie verstieß damit gegen die elementaren internationalen Gesetze und ignorierte vollständig die Vereinten Nationen.

   Jener Maßnahme widersetzten sich mit ihrer Stimme Uruguay, Bolivien, Chile und Mexiko, und nachdem der Beschluß gefaßt war, weigerten sich die Vereinigten Mexikanischen Staaten, die Sanktion durchzuführen. Seitdem haben wir keine Beziehungen zu den lateinamerikanischen Ländern, mit Ausnahme jenes Landes, womit eine Vorstufe der direkten Aggression des Imperialismus erreicht war.

   Wir möchten erneut erläutern, daß unsere Besorgnis um Lateinamerika gegründet ist auf die uns vereinenden Verbindungen: die Sprache, die wir sprechen; die Kultur, die wir aufrechterhalten; der gemeinsame Herr, den wir hatten. Nichts anderes bewegt uns als die Befreiung Lateinamerikas vom Joch des nordamerikanischen Kolonialismus. Falls eines der hier anwesenden Länder sich dazu entscheiden würde, die Beziehungen zu Cuba wieder aufzunehmen, wären wir dazu bereit auf der Grundlage der Gleichheit und nicht mit der Meinung, daß die Anerkennung unseres Landes als ein freies Land der Welt ein Geschenk an unsere Regierung sei, denn diese Anerkennung erreichten wir mit unserem Blut während der Tage des Befreiungskrieges, und wir erlangten sie mit unserem Blut bei der Verteidigung unserer Strände angesichts einer Invasion der Yankees.

   Auch wenn wir es zurückweisen, wenn uns Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten vorgeworfen wird, so können wir nicht unsere Sympathie für die Völker abstreiten, die für ihre Befreiung kämpfen, und wir müssen der Verpflichtung unserer Regierung und unseres Volkes nachkommen, unmißverständlich zu erklären, daß wir alle Völker, die überall auf der Welt für ihre Freiheit kämpfen, moralisch unterstützen und uns mit ihnen solidarisieren, damit Realität werde, was über die Rechte souveräner Völker in der Charta der Vereinten Nationen verkündet wird.

   Die Vereinigten Staaten intervenieren sehr wohl, sie haben es im Verlauf der Geschichte in Amerika getan. Cuba kennt diese Wahrheit seit Ende des vergangenen Jahrhunderts, aber sie ist auch Kolumbien, Venezuela, Nikaragua und Mittelamerika allgemein, Mexiko, Haiti und Santo Domingo wohlbekannt.

   In den letzten Jahren lernte nicht nur unser Volk die direkte Aggression kennen, sondern auch Panama, wo die "Marines" aus der Kanalzone aus dem Hinterhalt auf ein wehrloses Volk schossen; auch Santo Domingo, deren Küsten von der Yankee-Flotte mißachtet wurden, um einen Ausbruch des Volkszornes nach der Ermordung Trujillos zu verhindern; auch Kolumbien, dessen Hauptstadt im Handstreich genommen wurde nach dem Aufstand, den die Ermordung Gáitans hervorgerufen hatte.

   Untergrundoperationen werden durchgeführt mittels der Militärmissionen, die an der Repression im Land beteiligt sind, indem sie die Kräfte organisieren, die zu diesem Zweck in zahlreichen Ländern aufgestellt werden. Beteiligt sind sie außerdem an allen Staatsstreichen, "Gorilazos" genannt, die sich so oft in den letzten Zeiten auf unserem Kontinent ereigneten.

   Ganz konkret beteiligten sich Kräfte der Vereinigten Staaten an der Repression der Völker Venezuelas, Kolumbiens und Guatemalas, die mit Waffen für ihre Freiheit kämpfen. In dem zuerst erwähnten Land beraten sie nicht nur die Armee und die Polizei, sondern sie leiten auch den Völkermord, der von der Luft aus gegen die Bevölkerung großer aufständischer Gebiete durchgeführt wird, und die dort operierenden Yankee-Unternehmen versuchen mit allen Mitteln die Intensivierung der direkten Intervention zu erreichen.

   Die Imperialisten bereiten sich darauf vor, die amerikanischen Völker zu unterdrücken; sie bereiten zudem eine Internationale des Verbrechens vor. Die Vereinigten Staaten intervenieren in Amerika im Namen der Institutionen der Freiheit. Es wird der Tag kommen, an dem diese Versammlung eine größere Reife erlangen wird und sie von der Regierung Nordamerikas Garantien für das Leben der schwarzen und lateinamerikanischen Bevölkerung verlangen wird, die in diesem Land lebt; die Mehrheit von ihnen Nordamerikaner durch Geburt oder Adoption. Wie kann sich jemand als Gendarm der Freiheit aufspielen, der seine eigenen Kinder ermordet und sie täglich wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert, der die Mörder der Schwarzen in Freiheit läßt und sie auch noch beschützt und der die schwarze Bevölkerung bestraft, weil sie ihre legitimen Rechte als freie Menschen einfordert?

   Wir verstehen, daß diese Versammlung nicht in der Lage ist, Erklärungen über diese Tatsachen zu verlangen, aber es muß ganz deutlich gesagt werden, daß die Regierung der Vereinigten Staaten nicht der Anwalt der Freiheit, sondern der Bewahrer der Ausbeutung und der Unterdrückung der Völker der Welt und eines guten Teils der eigenen Bevölkerung ist.

   Die doppeldeutige Sprache, mit der einige Delegierte den Fall Cuba und OAS beschrieben haben, beantworten wir mit schlagenden Worten und verkünden, daß die Völker Amerikas den Verrat der US-hörigen Regierungen gebührend honorieren werden.

   Meine Herren Delegierten: Cuba, frei und unabhängig, ohne an jemanden mit Ketten gefesselt zu sein, ohne ausländische Investitionen auf seinem Boden, ohne Prokonsuln, die seine Politik orientieren, kann hier vor dieser Versammlung mit erhobenem Haupt sprechen und die Berechtigung der Worte demonstrieren, mit denen es bezeichnet wird: "Freies Territorium Amerikas".

   Unser Beispiel wird Früchte tragen, so wie das in gewisser Weise bereits in Guatemala, Kolumbien und Venezuela der Fall ist.

   Es gibt keinen kleinen Feind und keine vernachlässigbare Kraft, denn es gibt keine isolierten Völker mehr. So steht es in der Zweiten Deklaration von Havanna: "Kein Volk Amerikas ist schwach, denn es ist Teil einer Familie von zweihundert Millionen Brüdern, die das gleiche Elend zu ertragen haben und die gleichen Gefühle hegen, die denselben Feind haben und die alle von einer besseren Zukunft träumen; sie verfügen über die Solidarität aller ehrbaren Männer und Frauen der Welt. Dieses vor uns liegende Epos, das geschrieben werden wird von den hungernden Massen der Indianer, von den landlosen Bauern und den ausgebeuteten Arbeitern, von den fortschrittlichen Massen, von den ehrlichen und brillianten Intellektuellen, von denen es so viele gibt in diesen leidgeprüften Ländern unseres Lateinamerikas. Kämpfe der Massen und der Gedanken, dieses Epos, das unsere vom Imperialismus mißhandelten und verachteten Völker voranbringen wird; unsere bis heute unbekannten Völker, die zu erwachen beginnen. Sie betrachteten uns als impotente und unterwürfige Herde, und nun erschrecken sie vor dieser Herde, einer gigantischen Herde von zweihundert Millionen Lateinamerikanern, die sich bereits als Totengräber des monopolistischen Yankee-Kapitals abzeichnen. Die Stunde ihrer Forderungen, die von ihnen selbst bestimmte Stunde, wird jetzt präzise von einem Ende des Kontinents bis zum anderen angekündigt. Diese anonyme Masse, dieses farbige, stille, ruhige Amerika, die auf dem ganzen Kontinent mit der gleichen Traurigkeit und Enttäuschung singt; diese anonyme Masse beginnt definitiv ihre eigene Geschichte zu bestimmen, beginnt sie mit ihrem Blut zu schreiben, beginnt sie zu erleiden und zu sterben, weil jetzt auf den Feldern und den Bergen, in den zerklüfteten Tälern ihrer Sierras, in den weiten Ebenen und Urwäldern, zwischen der Einsamkeit oder der Geschäftigkeit der Städte, an den Küsten der großen Ozeane und Flüsse die Erde zu beben beginnt, diese Erde voller Herzen und geballter Fäuste, die darauf brennen, für das Eigene zu sterben und ihre Rechte zu erobern, die ihnen fünfhundert Jahre lang von dem einen oder dem anderen vorenthalten wurden. Jetzt muß die Geschichte die Armen Amerikas berücksichtigen, die Ausgebeuteten und Ausgeplünderten, die jetzt beschlossen haben, für alle Ewigkeit ihre Geschichte selber zu schreiben. Man sieht sie bereits den einen oder anderen Tag zu Fuß auf dem endlosen Weg über Hunderte von Kilometern, um zu dem regierenden ‚Olymp‘ zu gelangen und dort ihre Rechte einzufordern. Man sieht sie bereits, bewaffnet mit Steinen, Stöcken, Macheten, dort und dort, Ländereien besetzend, ihre Hacken auf dem ihnen gehörenden Boden einschlagend, den sie mit ihrem Leben verteidigen; man sieht sie, wie sie ihre Schilder, ihre Fahnen und ihre Losungen tragen, die im Winde flattern zwischen den Bergen oder auf den Weiten der Ebenen. Und diese Welle erschütternden Grolles und der Forderung nach Gerechtigkeit angesichts der mißachteten Rechte, diese Welle, die auf dem Boden Lateinamerikas beginnt sich zu erheben, diese Welle wird kein Ende finden. Diese Welle wird Tag für Tag wachsen. Denn diese Welle besteht aus jenen, die in jeder Hinsicht die Mehrheit bilden, die mit ihrer Arbeit den Reichtum schaffen, die Werte schaffen, die das Rad der Geschichte bewegen und die jetzt aus dem langen brutalisierenden Schlaf erwachen, zu dem sie gezwungen wurden. Denn die große Menschheit sagte ‚Genug!‘ und begann sich zu wandeln. Und ihr Weg, ein Weg der Giganten, wird nicht enden, bis er die wahre Unabhängigkeit erkämpft hat, für die bereits ohne Ergebnis oft gestorben wurde. Jetzt werden diejenigen, die sterben, mit denen aus Cuba, mit denen aus der Schweinebucht für die einzige, wahre und unveräußerliche Unabhängigkeit sterben!

   Dies alles, meine Herren Delegierten, diese neue Bereitschaft eines Kontinents, diese Bereitschaft Amerikas, wird gestaltet und zusammengefaßt durch den Ruf, den unsere Massen Tag für Tag verkünden als unwiderlegbare Entschlossenheit ihres Kampfeswillens, mit dem sie die bewaffnete Hand des Eindringlings paralysieren. Sie verkünden den Ausruf, der das Verständnis und die Unterstützung aller Völker der Welt findet, insbesondere im sozialistischen Lager mit der Sowjetunion an der Spitze. Dieser Ausruf lautet: Vaterland oder Tod!

 

geleitet von Einde O’Callaghan
zuletzt aktualisiert am 16. August 2000
 
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