Antonio Gramsci


Antonio Gramsci

Die Partei des Proletariats

(November 1924)


Aus: Antonio Gramsci: Zur Politik, Geschichte und Kultur, Verlag Phillipp Reclam jun., Leipzig 1980, S.111ff.
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Die Kommunistische Partei ist nicht nur die Vorhut der Arbeiterklasse. Wenn die Partei im Kampf der Arbeiterklasse wirklich die Führung übernehmen will, muß sie auch deren organisierte Abteilung sein. Im kapitalistischen Regime hat sie äußerst wichtige und vielfältige Aufgaben zu erfüllen. Sie muß das Proletariat auch unter schwierigsten Bedingungen in seinem Kampf leiten und es zur Offensive führen und, wenn die Situation es erfordert, es zum Rückzug führen, um es den Schlägen des Feindes zu entziehen, wenn es damit rechnen muß, von ihm überwältigt zu werden; und sie muß der Masse der Parteilosen (die Grundsätze) [1] der Disziplin, der Methode der Organisation und der zum Kampfe notwendigen Festigkeit beibringen. Aber die Partei wird ihre Aufgabe nur erfüllen können, wenn sie selbst die Verkörperung der Disziplin und der Organisation ist, wenn sie die organisierte Abteilung des Proletariats ist. Sonst kann sie keinen Anspruch erheben, die Führung der proletarischen Massen zu übernehmen. Die Partei also die organisierte Vorhut der Arbeiterklasse.

Die Kommunistische Partei ist die organisierte Vorhut, aber nicht die einzige Organisation der Arbeiterklasse. Die Arbeiterklasse hat eine ganze Reihe anderer Organisationen, die ihr im Kampf gegen das Kapital unentbehrlich sind: Gewerkschaften, Genossenschaften, Betriebskomitees, Parlamentsfraktionen, Vereinigungen parteiloser Frauen, Presse, Vereine Kulturorganisationen, Jugendverband, revolutionäre Kampf, Organisation (bei direkten revolutionären Aktionen), Deputiertensowjets, Staat (wenn das Proletariat an der Macht ist) usw. Der größte Teil dieser Organisationen ist apolitischer Natur: Manche sind der Partei angeschlossen, ganz oder nur zum Teil. Alle sind in bestimmten Situationen für die Arbeiterklasse absolut notwendig, damit sie ihre Klassenposition in den unterschiedlichen Bereichen des Kampfes festigen und daraus eine Kraft formen kann, die in der Lage ist, die bürgerliche Ordnung durch die sozialistische Ordnung zu ersetzen.

Aber wie kann die einheitliche Führung in so unterschiedlichen Organisationen erreicht werden? Wie kann vermieden werden, daß ihre Vielfältigkeit nicht Meinungsverschiedenheiten in der Leitung hervorruft? Jede dieser Organisationen – wird man sagen – erfüllt ihre Aufgaben auf einem speziellen Gebiet, folglich können sie sich nicht gegenseitig stören. Das ist richtig. Aber alle müssen ihre Arbeit unter einer einheitlichen Leitung durchführen, da sie alle einer einzigen Klasse dienen: der Klasse der Proletarier. Wer bestimmt also diese einheitliche Leitung? Welches ist die zentrale Organisation, die sich ausreichend bewährt hat, um diese generelle Linie auszuarbeiten, und die dank ihrer Autorität in der Lage ist, alle diese Organisationen auf diese Linie zu orientieren, die Einheit der Leitung zu erreichen und die Möglichkeit von unbesonnenen Handlungen auszuschalten? Diese Organisation ist die Partei des Proletariats.

In der Tat hat sie alle notwendigen Eigenschaften. Vor allem vereinigt sie in sich den besten Teil der Arbeiterklasse, eine Avantgarde, die direkt mit den nicht zur Partei gehörenden Organisationen des Proletariats, die häufig von Kommunisten geleitet werden, verbunden ist. Zweitens ist die Partei durch ihre Erfahrung und ihre Autorität die einzige Organisation, die in der Lage ist, den Kampf des Proletariats zu zentralisieren und so die politischen Organisationen der Arbeiterklasse in Verbindungsorgane umzuwandeln. Die Partei ist die höchste Form der Klassenorganisation des Proletariats.


Anmerkung

1. Dieses Wort fehlt im Originaltext.


Zuletzt aktualisiert am 8.8.2008