Antonio Gramsci


Das Programm des Ordine Nuovo

(14./28. August 1920)


Quelle: Christian Riechers (Hrg.): Antonio Gramsci, Philosopie der Praxis, Eine Auswahl, Frankfurt am Main 1967, S.72-79.
Zuerst veröffentlicht in Ordine Nuovo, 14. u. 28. August 1920.
Ursprünglich vewröffentlicht in Ordine Nuovo, 12. Juni 1920.
Kopiert mit Dank von der nicht mehr vorhandenen Webseite Marxistische Bibliothek.
HTML-Markierung: Einde O’Callaghan für das Marxists’ Internet Archive.


l

Als wir im Monat April 1919 zu drift, viert oder fünft beschlossen (und von diesen unseren Diskussionen und Verhandlungen müssen noch die Protokolle vorhanden sein, weil sie zusammengestellt und in Schönschrift übertragen wurden, Protokolle, meine Herrschaften, Protokolle ... für die Geschichte), mit der Veröffentlichung dieser Zeitschrift, Ordine Nuovo, zu beginnen, dachte niemand von uns (vielleicht niemand) daran, das Aussehen der Welt zu ändern, Herz und Gehirn der Menschenmassen zu verändern, einen neuen Zyklus der Geschichte zu beginnen. Niemand von uns (vielleicht niemand: jemand phantasierte von 6000 Abonnenten nach einigen Monaten) hegte rosige Illusionen über den guten Ausgang des Unternehmens. Wer waren wir? Wen vertraten wir? Welche neue Parole wollten wir verbreiten? O weh! Das einzige Gefühl, das uns während dieser unserer Zusammenkünfte verband, resultierte aus einer vagen Leidenschaft für eine vage proletarische Kultur; wir wollten ewas tun, etwas unternehmen; wir fühlten uns beengt, ohne Orientierung, eingetaucht in das hektische Leben jener Monate nach dem Waffenstillstand, als der Zusammenbruch der italienischen Gesellschaft nahe schien. Das vielleicht einzig neue Wort, das in jenen Zusammenkünften ausgesprochen wurde, ging leider unter. Einer, ein Techniker, sagte: „Man muß die Organisation der Fabrik in ihrer Eigenschaft als Produktionsinstrument untersuchen: wir müssen unsere ganze Aufmerksamkeit auf die kapitalistischen Systeme der Produktion und Organisation konzentrieren und müssen darauf hinarbeiten, daß sich die Aufmerksamkeit der Arbeiterklasse und der Partei darauf richtet.“ Ein anderer, der sich mit der Organisation der Menschen, der Geschichte der Menschen, der Psychologie der Arbeiterklasse beschäftigte, sagte: „Man muß untersuchen, was innerhalb der Arbeitermasse vorgeht. Gibt es in Italien eine Institution der Arbeiterklasse, die mit dem Sowjet verglichen werden kann, seiner Natur entspricht? Etwas, das uns zur Behauptung berechtigt: der Sowjet ist eine universelle Form, keine russische, nur russische Institution, der Sowjet ist die Form, in der überall, wo Proletarier um die Eroberung der industriellen Autonomie kämpfen, die Arbeiterklasse diesen ihren Willen zur Emanzipation ausdrückt; der Sowjet ist die Selbstregierung der Arbeitermassen; gibt es einen Keim, eine schüchterne Andeutung von Sowjets in Italien, in Turin?“ Er stand unter dem Eindruck einer ihm unmittelbar von einem polnischen Genossen gestellten Frage: „Warum hat man in Italien nie einen Kongreß der Betriebsräte abgehalten?“ und beantwortete in unserer Zusammenkunft seine eigene Frage: „Ja, es gibt in Italien, in Turin, den Keim einer Arbeiterregierung, den Keim eines Sowjets; es ist der Betriebsrat; untersuchen wir diese Arbeiterinstitution, untersuchen wir die kapitalistische Fabrik, aber nicht als Organisation der materiellen Produktion, weil wir dazu eine Spezialausbildung haben müßten, die wir nicht haben; untersuchen wir die kapitalistische Fabrik als notwendige Form der Arbeiterklasse, als politischen Organismus, als nationales Territorium der Arbeiterselbstregierung.“ Dieses Wort war neu; es wurde ausgerechnet durch den Genossen Tasca zurückgewiesen.

Was wollte Genosse Tasca? Er lehnte eine direkte Propaganda unter den Arbeitermassen ab, er befürwortete ein Übereinkommen mit den Sekretären des Parteibezirksverbandes und der Gewerkschaften und eine Tagung mit ihnen und wollte, daß ein Plan für eine offizielle Aktion ausgearbeitet würde; die Gruppe des Ordine Nuovo wäre so auf das Niveau einer unverantwortlichen Clique von Stimmungsmachern herabgedrückt worden. Was also war das wirkliche Programm der ersten Nummer des Ordine Nuovo? Das Programm zeichnete sich durch das Fehlen eines konkreten Programms aus, weil man vergebens und vage nach konkreten Problemen strebte. Welches war die Idee der ersten Nummern des Ordine Nuovo? Keine zentrale Idee, keine innere Ordnung des veröffentlichten Materials. Was verstand Genosse Tasca unter „Kultur“, ich sage, was verstand er konkret darunter und nicht abstrakt? Er verstand folgendes unter „Kultur“: „Erinnern“ und nicht „Denken“, das „Erinnern“ an abgenutzte Dinge, an den Ramsch des Arbeiterdenkens; er beabsichtigte, der italienischen Arbeiterklasse, der guten italienischen Arbeiterklasse, die so zurückgeblieben, so roh und unkultiviert war, Kenntnis davon zu geben und daran zu „erinnern“, daß Louis Blanc über die Organisation der Arbeit nachgedacht hat und daß dieses Nachdenken zu realen Erfahrungen Anlaß gegeben hat; er wollte daran „erinnern“, daß Eugène Fournière ein akkurates Schulaufsätzchen verfaßt hat, um brühwarm (oder abgestanden) ein Schema eines sozialistischen Staates aufzutragen; er wollte im Geiste Michelets (oder des braven Luigi Molinari) der Kommune von Paris „gedenken“. Tasca ahnte nicht einmal, daß die russischen Kommunisten auf den Spuren von Marx mit dem Sowjet, dem Sowjetsystem, an die Kommune von Paris anknüpften; ahnte nicht, daß Marxens Bemerkungen über den „industriellen“ Charakter der Kommune den russischen Kommunisten dazu verhalf, den Sowjet zu begreifen, die Idee des Sowjets auszuarbeiten, die Aktionsrichtung ihrer Partei, die Regierungspartei geworden war, zu skizzieren. Was war der Ordine Nuovo in den ersten Nummern ? Eine Anthologie, nichts als eine Anthologie; es war eine Zeitschrift, wie sie in Neapel, in Caltanisetta, in Brindisi hätte entstehen können; es war eine Zeitschrift mit abstrakter Kultur, abstrakter Information, mit der Tendenz, grauenhafte kleine Novellen und gutgemeinte Holzschnitte zu veröffentlichen. Genau das war der Ordine Nuovo in seinen ersten Nummern: ein Disorganismus, das Produkt eines mittelmäßigen Intellektualismus, das hinkend einen ideellen Angelpunkt und einen Weg zur Aktion suchte; der Ordine Nuovo, so wie er nach unseren Zusammenkünften April 1919 vom Stapel lief, nach den pflichtschuldig protokollierten Zusammenkünften, in denen der Genosse Tasca als Nonkonformist im Sinne der sittsamen und friedlichen sozialistischen Familie Italiens den Vorschlag verwarf, daß wir unsere Energien darauf konzentrieren sollten, in der italienischen Arbeiterklasse eine Rätetradition zu „entdecken“ und den Faden des wirklichen revolutionären italienischen Geistes aufzunehmen; ein wirklich revolutionärer Geist, weil er mit dem universellen Geist der Arbeiterinternationale zusammenfiel, weil er durch eine reale geschichtliche Situation erzeugt worden war, weil er das Ergebnis einer Gestaltung der Arbeiterklasse selbst war.

Togliatti und ich zettelten einen redaktionellen Staatsstreich an; das Problem der Betriebsräte wurde in der Nr. 7 der Zeitschrift in den Vordergrund gedrückt; einige Abende bevor ich den Artikel schrieb, hatte ich dem Genossen Terracini meine Linie entwickelt, und Terracini hatte seine völlige Übereinstimmung zur Theorie und zur Praxis ausgedrückt; mit der Zustimmung Terracinis und unter Mitarbeit von Togliatti wurde der Artikel veröffentlicht, und es geschah, was wir vorausgesehen hatten: Togliatti, Terracini und ich wurden aufgefordert, in Unterrichtsgruppen und Fabrikversammlungen zu sprechen und zu diskutieren, wir wurden von den Betriebsräten eingeladen, im engen Kreis von Vertrauensleuten zu diskutieren. Wir machten weiter; das Problem der Entwicklung des Betriebsrats wurde zum Zentralproblem, wurde zur Idee des Ordine Nuovo; es wurde zum Grundproblem der Arbeiterrevolution erhoben, es war das Problem der proletarischen „Freiheit“. Der Ordine Nuovo wurde für uns und alle, die uns folgten, zur „Zeitung der Fabrikräte“; die Arbeiter liebten den Ordine Nuovo (dies können wir mit innerer Befriedigung behaupten); und warum liebten sie ihn? Weil sie in den Artikeln der Zeitung einen Teil ihrer selbst, den besten Teil ihrer selbst wiederfanden, weil sie spürten, daß die Artikel von dem Geist ihrer eigenen inneren Suche durchdrungen waren: „Wie können wir frei werden, wie wir selbst werden?“ Weil die Artikel des Ordine Nuovo keine kalten intellektuellen Architekturen waren, sondern aus unseren Diskussionen mit den besten Arbeitern erwuchsen; weil in der Zeitschrift die Gefühle, der Wille und die wirklichen Leidenschaften der Turiner Arbeiterklasse Gestalt annahmen; weil die Artikel des Ordine Nuovo so etwas wie eine Bestandsaufnahme realer Ereignisse waren, die als Momente eines Prozesses innerer Befreiung und als Selbstausdruck der Arbeiterklasse angesehen wurden. Deshalb liebten die Arbeiter den Ordine Nuovo, und so „bildete“ sich die Idee des Ordine Nuovo. Genosse Tasca arbeitete an dieser Gestaltung überhaupt nicht mit; der Ordine Nuovo entwickelte die eigene Idee unabhängig von Tascas Willen und seinem „Beitrag“ zur Revolution. Darin sehe ich die Erklärung für seine heutige Haltung und für den „Ton“ seiner Polemik; er hat nicht mühevoll gearbeitet, um zu „seiner Auffassung“ zu gelangen; und es wundert mich nicht, daß sie schlecht geraten ist, weil ungeliebt, und es wundert mich nicht, daß er das Thema mit soviel Undifferenziertheit behandelt hat, mit so viel Unbesonnenheit und Mangel an innerer Disziplin ans Werk gegangen ist, um seiner Auffassung wieder jenen offiziellen Charakter zu verleihen, den er ein Jahr zuvor vertreten und zu Protokoll gegeben hatte.
 

II

In der letzten Nummer habe ich versucht, den Ursprung der geistigen Position des Genossen Tasca zum Programm des Ordine Nuovo zu bestimmen, einem Programm, das aus unserer realen Erfahrung der geistigen und praktischen Notwendigkeiten der Arbeiterklasse hervorgegangen ist und um das zentrale Problem der Fabrikräte kreist. Da der Genosse Tasca an diesen Erfahrungen nicht teilhatte, da er vielmehr dagegen war, daß diese Erfahrungen gemacht wurden, so ist ihm das Problem der Fabrikräte in seinem realen geschichtlichen Umfang entgangen, und in seiner organischen Entwicklung, die es – trotz einigem Zögern und einigen verständlichen Fehlern – in den Abhandlungen von Togliatti und den anderen Genossen erfuhr. Für Tasca war das Problem der Fabrikräte nur ein Problem im arithmetischen Sinne des Wortes, war das Problem, wie die gesamte Klasse der Arbeiter und Bauern Italiens sofort zu organisieren sei. In einer seiner polemischen Bemerkungen schreibt Tasca, daß er die Kommunistische Partei, die Gewerkschaft und den Fabrikrat als etwas Gleiches betrachte; aus einer anderen Stelle geht hervor, daß er die Bedeutung des Attributs „freiwillig“ nicht verstanden hat, mit dem der Ordine Nuovo die Organisationen der Partei und der Gewerkschaft im Unterschied zum Arbeiterrat belegt. Der Arbeiterrat wird als eine Form von „geschichtlicher“ Assoziation eines Typs begriffen, der heute nur mit dem Typ des bürgerlichen Staates vergleichbar ist. Nach Auffassung des Ordine Nuovo, die auf einer Idee beruht, der Idee der Freiheit (und konkret, im Rahmen der gegenwärtigen geschichtlichen Entwicklung, auf der Hypothese einer autonomen revolutionären Aktion der Arbeiterklasse), ist der Fabrikrat ein Institut „öffentlichen“ Charakters, während Partei und Gewerkschaften Vereinigungen „privaten“ Charakters sind. Dem Fabrikrat tritt der Arbeiter als Produzent bei, infolge seines universellen Charakters, infolge seiner Stellung und seiner Funktion innerhalb der Gesellschaft, so wie der Staatsbürger am parlamentarischen demokratischen Staat teilhat. Der Partei und der Gewerkschaft tritt der Arbeiter „freiwillig“ bei, unterschreibt eine schriftliche Verpflichtung, unterschreibt einen „Vertrag“, den er jeden Augenblick zerreißen kann: aufgrund ihres Charakters der „Freiwilligkeit“ und „Vertraglichkeit“ dürfen Partei und Gewerkschaft in keiner Weise mit dem Rat verwechselt werden, einem repräsentativen Institut, das sich nicht arithmetisch sondern morphologisch entwickelt und in seinen höheren Formen dahin tendiert, dem vom Kapitalismus zu Profitzwecken geschaffenen Produktions- und Tauschapparat proletarische Züge zu verleihen. Die Entwicklung zu höheren Formen der Räteorganisation wurde deshalb vom Ordine Nuovo nicht in einer politischen Terminologie abgehandelt, die einer in Klassen gespaltenen Gesellschaft entsprach, sondern mit Hinweisen auf die industrielle Organisation. Das Rätesystem kann nach Auffassung des Ordine Nuovo nicht mit einem Wort wie „Föderation“ bezeichnet werden, sondern kann nur repräsentiert werden, wenn man den Komplex industrieller Beziehungen, wie sie in einer Fabrik zwischen den Verarbeitungsgruppen und zwischen den Abteilungen bestehen, auf ein ganzes Industriezentrum überträgt. Das Beispiel Turin stand uns plastisch vor Augen, und deshalb wurde in einem Artikel Turin als die Schmiede der italienischen kommunistischen Revolution bezeichnet. In einer Fabrik sind die Arbeiter Produzenten, weil sie an der Vorbereitung des Fabrikats mitarbeiten, in einer Weise, die exakt von der industriellen Technik bestimmt wird und die (in gewissem Sinn) vom Vertrieb der produzierten Werte unabhängig ist. Alle Arbeiter einer Autofabrik, ob sie nun Metallarbeiter, Maurer, Elektriker oder Tischler sind, übernehmen die Funktion von Produzenten, da sie alle zur Fabrikation des Autos unentbehrlich sind, da sie – in einer der Industrie entsprechenden Ordnung – einen geschichtlich notwendigen und absolut unteilbaren Organismus darstellen. Turin hat sich als Stadt geschichtlich so entwickelt: durch die Verlegung der Hauptstadt nach Florenz und nach Rom und durch die Tatsache, daß sich der italienische Staat zunächst als Erweiterung des piemontesischen Staates konstituierte, wurde Turin der kleinbürgerlichen Klasse beraubt, aus der sich das Personal des neuen italienischen Staatsapparats rekrutierte. Aber die Verlegung der Hauptstadt und der Verlust eines charakteristischen Elements der modernen Städte bestimmten nicht den Verfall der Stadt; sie begann im Gegenteil, sich erneut zu entwickeln, und diese Entwicklung erfolgte organisch in dem Maße, wie sich die mechanische Industrie, das Fabriksystem von Fiat, entwickelte. Turin stellte dem neuen Staat seine Klasse kleinbürgerlicher Intellektueller zur Verfügung; die Entwicklung der kapitalistischen Ökonomie, die die Kleinindustrie und das Handwerk Italiens ruinierte, hatte zur Folge, daß eine kompakte proletarische Masse nach Turin strömte, die der Stadt, vielleicht eine der originellsten ganz Europas, ihr gegenwärtiges Gepräge gab. Die Stadt nahm eine Gestalt an und behielt sie weiterhin, die sich auf natürliche Weise um eine Industrie konzentriert und organisiert, die die gesamte städtische Aktivität „regiert“ und dessen Absatz reguliert: Turin ist die Stadt des Autos, genau so wie die Gegend um Vercelli von der Reiswirtschaft charakterisiert ist, wie der Kaukasus vom Erdöl, Südwales von der Kohle etc. Wie in einer Fabrik die Arbeiter Gestalt annehmen, sich zur Produktion eines bestimmten Objektes ordnen, so erhält in der Stadt die proletarische Klasse ihre Gestalt von der dominierenden Industrie, die durch ihre Existenz den gesamten städtischen Komplex beherrscht. So nimmt auf nationaler Ebene ein Volk Gestalt an durch seinen Export, durch den realen Beitrag, den es zum ökonomischen Leben der Welt liefert.

Genosse Tasca, ein sehr unaufmerksamer Leser des Ordine Nuovo, hat von dieser theoretischen Darlegung nichts begriffen, eine Diskussion, die übrigens nur die Auffassungen in die geschichtliche italienische Wirklichkeit übersetzte, die Genosse Lenin in einigen, auch vom Ordine Nuovo publizierten, Schriften entwickelte, und die Auffassungen des amerikanischen Theoretikers der revolutionären Syndikalisten-Organisation Industrial Workers of the World, Daniel De Leon. Einmal interpretiert der Genosse Tasca in der Tat die Vertretungen der mit den Worten „Reis“, „Holz“, „Schwefel“ etc. bezeichneten ökonomischen Produktionskomplexe in einem rein „kommerziellen“ und rechenhaften Sinn; dann wieder fragt er sich, welche Beziehungen die Räte untereinander haben sollen. An anderer Stelle sieht er in Proudhons Konzeption des Betriebes, der die Regierung zerstört, den Ursprung der im Ordine Nuovo entwickelten Ideen. Und das, obwohl in derselben Nummer vom 5. Juni, mit dem Artikel Der Fabrikrat und dem Kommentar zum örtlichen Gewerkschaftskongreß auch ein Ausschnitt aus der Schrift über die Kommune veröffentlicht wurde, wo Marx ausdrücklich auf den industriellen Charakter der kommunistischen Gesellschaft der Produzenten hinweist. In diesem Werk von Marx haben De Leon und Lenin die Grundmotive ihrer Konzeption gefunden; auf diesen Elementen fußen die Artikel des Ordine Nuovo, den – noch einmal sei es gesagt, und es gilt vor allem für die Nummer, von der die Polemik ihren Ausgang nahm – der Genosse Tasca nachweislich äußerst oberflächlich und ohne die ideale und geschichtliche Substanz zu erkennen, liest.

Für die Leser dieser Polemik will ich nicht alle bereits aufgeführten Argumente wiederholen, mit denen die Idee der Arbeiterfreiheit entwickelt wurde, die sich zunächst im Fabrikrat verwirklicht. Ich habe nur einige Grundmotive andeuten wollen, um zu zeigen, wieso dem Genossen Tasca der innere Entwicklungsprozeß des Programms des Ordine Nuovo entgangen ist. Einige Punkte von Tascas Darlegung bleiben zu analysieren, da es mir opportun scheint, sie zu erklären und ihre Unbegründetheit zu beweisen. Eines muß man jedoch sofort klären, wenn nämlich Tasca vom Finanzkapital spricht und schreibt, daß sich das Kapital „zum Flug erhebt“, sich von der Produktion löst und sich befreit... Dieses ganze Durcheinander des sich zum Flug Erhebens und der Befreiung von... Papiergeld steht zur Entwicklung der Theorie der Fabrikräte in keinerlei Beziehung; wir haben hervorgehoben, daß die Person des Kapitalisten sich von der Produktion gelöst hat und nicht das Kapital, auch nicht das Finanzkapital; wir haben hervorgehoben, daß die Fabrik nicht mehr durch die Person des Eigentümers regiert wird, sondern von der Bank durch eine industrielle Bürokratie, die ebenso dazu neigt, sich nicht für die Produktion zu interessieren, wie der Staatsbeamte sich nicht um die öffentliche Verwaltung kümmert. Dieser Ausgangspunkt diente uns zur geschichtlichen Analyse der neuen hierarchischen Verhältnisse, wie sie sich in der Fabrik entwickelt haben; diente dazu, das Aufkommen einer der wichtigsten geschichtlichen Bedingungen für die industrielle Autonomie der Arbeiterklasse festzustellen, deren Fabrikorganisation dahin tendiert, sich der Initiative über die Produktion zu bemächtigen. Die Sache mit dem „Flug“ und der „Befreiung“ ist ein etwas unglückliches Phantasiegebilde des Genossen Tasca. Während er sich auf seine im Corriere Universitario veröffentlichte Rezension des Buches von Arturo Labriola über den Kapitalismus bezieht, um zu beweisen, daß er sich mit der Frage des Finanzkapitals „beschäftigt“ hat (zu bemerken ist, daß Labriola genau die entgegengesetzte These wie Hilferding vertrat, dessen These dann von den Bolschewisten übernommen wurde), beweist Tasca in Wirklichkeit nur, daß er absolut nichts davon verstanden hat, sondern auf vagen Reminiszenzen und leeren Worten ein Luftschlößchen errichtet. Die Polemik diente als Beweis, daß meine Einwände gegen Tascas Ausführungen sehr begründet waren: Tasca hatte eine oberflächliche Kenntnis des Problems der Räte. Er war nur von der unwiderstehlichen Manie besessen, eine „eigene“ Konzeption vorzutragen, eine „eigene“ Aktion, eine neue Ära der Gewerkschaftsbewegung einzuleiten.

Der Kommentar zum örtlichen Gewerkschaftskongreß und zum Diskussionsbeitrag des Genossen Tasca, der die Abstimmung über einen Antrag als bindend durchsetzen wollte, war von dem Willen diktiert, die Integrität des Programms der Zeitschrift zu erhalten. Die Fabrikräte haben ihr Gesetz in sich selbst, sie können und dürfen nicht die Gesetzgebung der gewerkschaftlichen Organismen annehmen, die grundlegend zu erneuern die Räte ja gerade zum unmittelbaren Ziel haben. Ebenso will die Fabrikrätebewegung, daß die Arbeitervertretungen direkt aus den Massen hervorgehen und an die Massen durch ein imperatives Mandat gebunden sind: der Beitrag des Genossen Tasca, auf einem Arbeiterkongreß, als Berichterstatter und ohne ein Mandat zu haben, über ein Problem, das die gesamte Arbeiterschaft angeht, und dessen imperative Lösung die Masse hätte binden sollen, stand derart im Gegensatz zur ideellen Richtung des Ordine Nuovo, daß der Kommentar in seiner scharfen Form völlig gerechtfertigt und absolut notwendig war.


Zuletzt aktualisiert am 14.8.2008