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In der Geschichtsepoche der Auflösung der feudalen und der Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung haben die Denker das theologische Weltbild der feudalen Epoche allmählich aufgelöst und ein neues Weltbild, das Weltbild der modernen Naturwissenschaft und der auf sie gegründeten philosophischen Systeme, allmählich entwickelt. Die Wissenschaft kann die Entstehung und Entwicklung dieses neuen Weltbildes in zweifacher Weise darstellen:
Nur dies will ich hier versuchen. Ich will also nur die transzendente Ideengeschichte des naturwissenschaftlich-philosophischen Weltbildes in der Geschichtsepoche des Kapitalismus zu skizzieren versuchen, nicht auch zugleich die immanente Entwicklung dieses Weltbildes in dieser Zeit darstellen. Meine Darstellung wird daher bewußt und gewollt einseitig sein.
Was ist Aufgabe und Zweck einer solchen transzendenten Ideengeschichte?
„Jeder Mensch muß nach seiner Weise denken,“ sagt Goethe, „denn er findet auf seinem Wege immer ein Wahres oder eine Art von Wahrem, die ihm durch das Leben hilft ... Unsere Meinungen sind nur Supplemente unserer Existenz. Wie einer denkt, daran kann man sehen, was ihm fehlt.“ Unsere Meinungen als Supplemente unserer Existenz darzustellen, die Entwicklung unserer Meinungen aus den Veränderungen unserer Existenz darzustellen, die Entwicklung unserer Meinungen aus den Veränderungen unserer Existenz zu begreifen, das ist die Aufgabe der transzendenten Ideengeschichte der marxistischen Geschichtsauffassung. Mit welchen Mitteln kann nun eine transzendente Ideengeschichte diese Aufgabe bewältigen? Goethe meint:
Im Innern ist ein Universum auch: |
Nach ihrem Ebenbilde, lehrt Feuerbach, schaffen sich die Menschen ihren Gott. Der Christus des altsächsischen „Heiland“ ist ein germanischer Volkskönig, die Apostel sind seine Lehensmannen. Drei Jahrhunderte später predigen die Bettelmönche den Proletariern und Kleinbürgern der italienischen Städte von dem Heiland, der nichts hatte, wohin sein Haupt zu legen, und umgeben war von Fischern und Zöllnern.
Aber nicht nur ihren Gott, auch ihre Erde schaffen sich die Menschen nach ihrem Ebenbilde. Der Mensch versteht immer nur sich selbst; nach der Analogie seiner Tätigkeit, seiner Arbeit, seiner Erlebnisse sucht er sich alles begreiflich zu machen, was er beobachtet. Darum verändern sich mit seinen Lebensbedingungen auch seine Vorstellungen von der Natur. Wie sich unter der Wirkung der ungeheuren Umwälzung der Lebensbedingungen, aus denen der moderne Kapitalismus hervorgegangen ist, verändert haben, das ist es, was wir hier darstellen wollen. Diese Erkenntnis der ideellen Umwälzung, die sich im Gefolge der Entstehung und Entwicklung des Kapitalismus vollzogen hat, ist auch ein Beitrag zum Verständnis der Entwicklung des Kapitalismus selbst. Denn „am farb’gen Abglanz haben wir das Leben“.
Zuletzt aktualisiert am 3.8.2008