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Es gibt zweierlei Eigentum an Arbeitsmitteln: Arbeitseigentum und Ausbeutungseigentum. Der Bauer ist Eigentümer des Bodens, den er selbst bearbeitet, und der Ernte, die der Ertrag seiner eigenen Arbeit ist; das ist echtes Arbeitseigentum. Der Großgrundbesitzer ist Eigentümer weiter Bodenflächen, die er nicht selbst bearbeitet, sondern von anderen bearbeiten lässt, um aus dem Ertrag ihrer Arbeit Gewinn zu ziehen; der Aktionär ist Miteigentümer von Bergwerken, die er nie gesehen hat, von industriellen Unternehmen, in denen er nie gearbeitet hat, und zieht aus der Arbeit derer, die in ihnen arbeiten, seinen Gewinn; das ist Ausbeutungseigentum. Der Sozialismus will das Ausbeutungseigentum überwinden, nicht das Arbeitseigentum. Der Grund und Boden des Adels, der Kirche und der Kapitalisten soll vergesellschaftet werden; der Grund und Boden des Bauern soll sein Privateigentum bleiben.
Aber wenngleich die bäuerliche Wirtschaft auf dem Privateigentum an Grund und Boden begründet bleiben muss, so soll doch auch sie von der Gesellschaft gefördert, der planmäßigen Wirksamkeit der Gesellschaft unterworfen, der Volksgesamtheit dienstbar gemacht werden. Das erfordert nicht nur das Interesse der Bauernschaft selbst, die bloß durch die tätige Mitwirkung und planmäßige Leitung der Gesellschaft befähigt werden kann, alle Errungenschaften der modernen Wissenschaft im Landbau auszunützen, die Ergiebigkeit ihrer Arbeit zu steigern und zu menschenwürdigen Dasein aufzusteigen, sondern auch das Interesse der städtischen und industriellen Bevölkerung, die nur dann reichlich und zu wohlfeilen Preisen mit Lebensmitteln versorgt werden kann, wenn es gelingt, dem Bauernland weit höhere Erträge abzuringen als bisher. Hat die agrarische Politik ihre Aufgabe vor allem darin gesehen, dem Bauern hohe Preise seiner Erzeugnisse zu sichern, so muss die sozialistische Agrarpolitik vor allem darauf ausgehen, den Bauern zu lehren und es ihm zu ermöglichen, seinem Boden weit höheren Ertrag abzuringen, als er dies bisher zu tun vermochte.
Zu diesem Zweck müssen zunächst die Rechtsverhältnisse an Grund und Boden wesentliche Veränderungen erfahren. Vor allem muss die Zusammenlegung (Kommassation) der landwirtschaftlichen Grundstücke erleichtert und gefördert werden. In dem größten Teile unseres Landes ist der bäuerliche Grundbesitz furchtbar zersplittert, jeder Bauer hat viele, oft Dutzende Parzellen. Das soll nun aufhören: der Bauer soll seine vielen, im Gemenge liegenden Parzellen gegen ein wohlabgerundeteres, zusammenhängendes Gut gleichen Wertes eintauschen. Die Erfahrungen in Preußen haben gezeigt, dass dieser bloße Besitzaustausch genügt, nicht nur die Arbeitslast des Bauern wesentlich zu erleichtern und die Produktionskosten wesentlich zu ermäßigen, sondern auch den Hektarertrag bedeutend zu erhöhen. Die Benützungs- und Verwaltungsrechte an gemeinschaftlichen Grundstücken müssen reguliert werden, die freie Teilbarkeit der Gemeingründe muss abgeschafft werden, die Nutzungsrechte der kleinen Besitzer und Häusler an Gemein- und Gemeindegründen müssen gesichert werden. Die Wald- und Weideservituten der Bauern an dem ehemals herrschaftlichen Boden müssen gelegentlich der Enteignung des Großgrundbesitzes neu reguliert werden. Ein Alpenschutzgesetz soll verhindern, dass die Alpen dem alpenwirtschaftlichen Betrieb entzogen werden. Das Jagdrecht soll ausschließlich den Gemeinden zustehen; die Überhegung des Jagdwildes muss durch strenge Vorschriften verhindert werden. Den Gemeinden ist ein Vorkaufsrecht zu sichern an allem Boden, der in ihrem Gemeindegebiet zum Verkauf gelangt.
Die Überlastung des Bodens mit Hypotheken muss verhindert werden. Die bestehenden Hypotheken werden allmählich in solcher konvertiert werden müssen, welche auf Seite der Gläubiger unkündbar sind und vom Schuldner binnen einem Menschenalter in Jahresraten amortisiert werden müssen. Die Feuer-, Hagelschlag- und Viehversicherung muss obligatorisch sein, damit der Bauer bei Unglücksfällen nicht gezwungen sei, seinen Boden mit Notstandshypotheken zu belasten. An die Stelle des Ausgedinges muss die obligatorische Altersversicherung treten.
Wird schon durch diese Reformen die bäuerliche Wirtschaft rationalisiert werden, so wird der Staat weiterhin besondere Behörden schaffen müssen, denen die Aufgabe zustehen wird, die Bauern zu rationeller Bewirtschaftung ihres Bodens anzuleiten. In jedem Bezirk wird eine Bezirksagrarbehörde errichtet werden, die von theoretisch und praktisch gebildeten Landwirten geleitet werden wird. Ihr wird ein von der Bauernschaft des Bezirkes gewählter Beirat beigegeben sein. Sie wird vor allem durch planmäßige Aufklärungsarbeit, durch die Errichtung und Erhaltung von Winterschulen und Versuchs- und Mustergütern die Bauern zu besserer Bewirtschaftung ihres Bodens anleiten. Mit Zustimmung des Beirates wird sie aber auch zwingende Vorschriften erlassen können über die Verteilung des Bodens auf die einzelnen Kulturgattungen, über die Auswahl des Saatgutes, über die Verwendung des Kunstdüngers, über die Fruchtfolge, über die Auswahl des Zuchtviehs, über die Einrichtung der Ställe, über die Fütterung, über die Behandlung der Milch usw. Ebenso wird sie mit Zustimmung des Beirates die Bauern zur Zugehörigkeit zu landwirtschaftlichen Genossenschaften und zur Einleitung des Kommassationsverfahrens verpflichten können.
Eine wichtige Aufgabe der neuen Organisation wird darin bestehen, den privaten Handel und die Spekulation mit Erzeugnissen der Landwirtschaft vollkommen auszuschalten. Zunächst wird der Betrieb des Getreides gesellschaftlich organisiert werden müssen. Die Bauern und Pächter werden verpflichtet sein, Getreideverwertungsgenossenschaften zu bilden und ihre Getreide, soweit sie es zu verkaufen wünschen, nur an diese Genossenschaften abzugeben. Die Genossenschaften werden das Getreide in den von ihnen errichteten Lagerhäusern einlagern und es der staatlichen Getreideverkehrsanstalt verkaufen. Die Getreideverkehrsanstalt wird von einem Verwaltungsrat geleitet werden, von dessen Mitgliedern je ein Drittel von der Nationalversammlung, von den landwirtschaftlichen Genossenschaften und von den Konsumvereinen ernannt werden wird. Der Verwaltungsrat wird den Preis festsetzen, zu dem er das Getreide von den bäuerlichen Getreideverwertungsgenossenschaften übernimmt. Er wird diesen Preis unabhängig vom Weltmarktpreis festsetzen, und zwar so, dass den Kleinbauern und ihren mithelfenden Familienmitgliedern ein auskömmlicher Arbeitslohn gesichert bleibt. Ausländisches Getreide wird die staatliche Getreideverkehrsanstalt zollfrei zum Weltmarktpreis beziehen. Das Getreide wird dann ohne Rücksicht darauf, ob es inländischen oder ausländischen Ursprungs ist, dem Industrieverband der Mühlen zu einem mittleren Preise abgegeben werden; dieser mittlere Preis wird so bemessen sein, dass die Getreideverkehrsanstalt keinen Gewinn erzielt.
Eine solche Organisation des Getreidevertriebes wird mannigfache Vorteile haben. Während sich in der Friedenszeit zwischen den Bauern und den Konsumenten der kapitalistische Handel eingeschoben hat, der das Getreide des Bauern zu niedrigen Preisen abnahm und es den Städtern zu hohen Preisen verkaufte, wird nunmehr dieser verteuernde Zwischenhandel ausgeschaltet sein. Die Börsenspekulation in Getreide wird unmöglich werden. Die Frage der Getreidezölle wird an Bedeutung verlieren. Bisher war der Preis inländischen Getreides durch den Einfuhrpreis ausländischen Getreides bestimmt; der Staat konnte daher dem inländischen Bauern einen höheren Preis als den Weltmarktpreis nicht sichern, ohne den Konsumenten zugleich auch das ausländische Getreide um den Betrag des Zolles zu verteuern. Das wird nun aufhören. Der Staat wird, wenn erst auf dem Weltmarkt wieder normale Verhältnisse herrschen werden, das Getreide den inländischen Bauern zu einem höheren Preise, den ausländischen Landwirten zu einem niedrigeren Preise abkaufen und es dem Konsumenten zu einem mittleren Preise abgeben können. Andererseits aber wird sich unsere Organisation auch von dem kriegswirtschaftlichen Monopol sehr wesentlich unterscheiden. Denn sie wird nicht wie die jetzige Kriegsgetreideanstalt bureaukratisch organisiert sein, sondern demokratisch auf den bäuerlichen Genossenschaften selbst aufgebaut sein, und sie wird, wenn erst die Zeit der schlimmsten Not vorüber sein, der Welthandel wieder frei sein wird, selbstverständlich auch kein Requisitionsrecht mehr haben, sondern nur das Monopol auf den Betrieb desjenigen Getreides, das die Bauern selbst freiwillig verkaufen wünschen.
In ähnlicher Weise wird auch der private Handel mit Vieh, Milch und anderen Erzeugnissen der Landwirtschaft ausgeschaltet werden können. Die Landwirte geben ihre Erzeugnisse an Genossenschaften ab, denen anzugehören sie verpflichtet sind, und diese führen sie unmittelbar den Gemeinden und Konsumvereinen zu.
Zu einer weiteren Reform wird in einem späteren Zeitpunkt auch die Vergesellschaftung der Hypothekenbanken die Möglichkeit bieten. Wenn der Staat über die Hypothekenbanken und die Versicherungsgesellschaften verfügen wird, wird er die Gewährung von Hypothekarkredit an die Bauern nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten ordnen können. Wird jetzt der Hypothekarkredit ausschließlich mit Rücksicht auf die Rentabilität gewährt, so wird der Staat den Meliorationshypotheken vor allem dort gewähren, wo durch sie die Ergiebigkeit des Bodens am wirksamsten gesteigert oder die Befriedigung des dringendsten Konsumbedürfnisses ermöglicht werden kann. Darüber hinaus aber wird die Verfügung über die Hypothekenbanken zu noch viel folgenschwereren Neugestaltungen führen können. Denn wenn der Staat als einziger oder doch bei weitem größter Hypothekengläubiger allen Landwirten gegenüberstehen wird, wird er in der Lage sein, den Bauern die Hypotheken zu erlassen und an ihre Stelle einen Grundzins zu setzen, der nach der Leistungsfähigkeit der einzelnen Wirtschaften abgestuft und je nach den Schwankungen der Preise und der Bodenerträgnisse von zehn zu zehn Jahren neubemessen wird.
Dem reichen Bauern wird ein Grundzins vorgeschrieben werden, der höher sein wird als die Hypothekenzinsen, die er jetzt entrichten muss; dafür aber wird der arme Bauer entlastet, sein Grundzins niedriger bemessen werden, als heute die Hypothekenzinsen sind, die auf seiner Wirtschaft lasten. So werden die Klassengegensätze im Dorf ausgeglichen. Zugleich aber wird dem Staat auch erst die Möglichkeit geschaffen, die städtischen Verbraucher zu entlasten. Heute kann der Staat die Preise des Getreides, des Viehes, der Milch nicht allzu tief senken; denn sonst würden die Bauern die Hypothekenzinsen nicht mehr aufbringen können, die gingen zugrunde. Tritt aber an die Stelle der Hypothekenzinsen der vom Staat festgesetzte Grundzins, dann kann der Staat die Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse wesentlich herabsetzen, wenn er nur auch den Grundzins in entsprechendem Maße ermäßigt.
Auf diese Weise wird die Gesellschaft die bäuerliche Wirtschaft sozialisieren. Die bäuerliche Wirtschaft wird also vergesellschaftet werden, ohne dass das Privateigentum an Grund und Boden aufgehoben wird. Der Staat wird durch die Reform der Grundeigentumsverhältnisse, durch die leitende Tätigkeit seiner Bezirksagrarbehörden und durch die planmäßige Gewährung von Meliorskrediten die bäuerliche Wirtschaft rationalisieren und intensivieren, im Interesse der Bauern selbst wie der städtischen Konsumenten den Bodenertrag erhöhen. Zugleich aber wird der Staat auch einerseits die Preise der Arbeitsmittel, die der Bauer kaufen muß, und den Grundzins, den der Bauer entrichten muß regeln, andererseits die Preise der Waren, die der Bauer verkauft, bestimmen. Dadurch wird der Staat die Höhe des Einkommens der Bauernschaft regeln; er wird sie so regeln können, daß weder der Bauer von der Stadt, noch die Stadt von der Bauernschaft ausgebeutet wird. Auf diese Weise wird sich eine sozialistische Gesellschaft, ohne das Privateigentum an Grund und Boden aufzuheben, auch die arbeitenden Massen unseres Landvolkes ordnend, regelnd und führend einfügen.
Zuletzt aktualisiert am 28.7.2007